Start / Ausgaben / bioPress 91 - April 2017 / Gute Chancen mit Bio-Bier

Bier

Gute Chancen mit Bio-Bier

Bio-Brauereien verbinden nachhaltige, regionale Landwirtschaft sowie traditionelles und zugleich zeitgemäßes Handwerk mit süffigem Genuss. Dass Ergebnis: Eine umfassende Auswahl von Pils, Weizen oder ähnlichen Klassikern bis zu Urkorn-Bier und Craft-Spezialitäten.

Schätzungsweise 5.000 Biere gibt es in Deutschland, wozu auch zahlreiche regionale Spezialitäten gehören. Die meisten werden nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 gebraut, wonach nur Malz, Hopfen, Hefe und Wasser in den Kessel darf.

Inwieweit das Getreide und vor allem der Hopfen behandelt wurden, ist weder hier noch im sogenannten vorläufigen Biergesetz näher geregelt. Gerade Hopfen als sensibles Hanfgewächs zählt zu den besonders intensiv gespritzten Kulturen. Zugesetzt wird er oft in Form von verarbeitetem Hopfenextrakt-Granulat. Und was die verwendeten Hefestämme betrifft, so kann hier durchaus Gentechnik im Spiel sein.

Anders bei Bio-Bier. Hier stammen die Rohstoffe aus kontrolliertem ökologischem Anbau, wobei Landwirte und Brauer nicht selten einem Bio-Verband angehören. In diesem Fall besonders oft Bioland. Teilweise tragen die für Bio-Bier typischen Glasflaschen (Mehrweg) zusätzlich ein regionales Bio-Siegel und garantieren damit, dass Getreide und Hopfen aus der Region stammen.

Bio aus Bayern findet man bei Neumarkter Lammsbräu und Haderner Bräu aus München, Bio aus Baden-Württemberg bei der Brauerei Clemens Härle und auf das Bio-Siegel Rhön setzt Rother Bräu.  

Kurzer Blick auf den Biermarkt

Im Unterschied zum konventionellen Bier-Markt, den im Hintergrund meist große Konzerne bestimmen, handelt es sich bei den Anbietern von Bio-Bieren überwiegend um kleine und mittelständige Brauereien. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Inlandsabsatz von konventionellem Bier schrumpft, das Interesse an Spezialitäten hingegen steigt und speziell Bio-Biere sich wachsender Beliebtheit erfreuen.

So stehen innovativ gebraute Craft-Biere mit besonderen Hopfen- oder Fruchtnoten hoch im Kurs. Der Marktanteil ist zwar nicht allzu groß, doch erzielen die Brauer damit auch deutlich höhere Preise. Bei Bio-Spezialbieren spiegelt sich die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes „handwerklich“ wieder, ohne dass die Produkte unbedingt ein „Craft“ im Namen tragen.

Zugleich wächst die Nachfrage nach Bier aus nachhaltiger Produktion. Manfred Mödinger, Brauer und Unternehmensberater für die Branche, sagt in diesem Zusammenhang, die Verbraucher wollten am liebsten regional und bio zugleich. Zugleich wachse  das Bewusstsein für eine glaubwürdig faire Bezahlung der Landwirte. Anders ausgedrückt: Die Verbraucher möchten die Geschichte ihres Bieres kennen, es  soll ein „Gesicht“ haben.

Nicht nur Neumarkter Lammsbräu als Marktführer für Bio-Bier, Störtebecker aus dem Norden und die Brauerei Härle aus Oberschwaben sprechen jedenfalls von einem steigenden Absatz bei ihren Bio-Bieren. Nach Ansicht von Gottfried Härle stehen die Bio-Brauer jedoch vor einem großen Rohstoffproblem. Schon das Angebot an heimischer Bio-Gerste sei begrenzt, für deutschen Bio-Hopfen gäbe es aktuell sogar nur eine Handvoll Erzeuger.

Freie Auswahl in Bio

Typisch für das Bio-Angebot ist, dass man hier viele naturtrübe also ungefilterte Biere findet. Außerdem bieten manche Brauer alternativ auch Bier aus anderen Getreidesorten wie Dinkel oder Emmer an (was dem deutschen Reinheitsgebot bei obergärigen Sorten nicht entgegensteht)

Insgesamt stehen alle wichtigen Biersorten zur Auswahl:
- Pils, Export, Lager
- Bockbier, Märzen u.ä.
- Alt, Dunkles Bier
- Weizen bzw. Weisse
- Alkoholfreie Biere
- Radler, Malzbier
- Spezialitäten im Craft-Stil und aus alternativen Getreidesorten
- Glutenfrei

Unabhängig von der gewünschten Vielfalt müssen und können die Produkte auch geschmacklich überzeugen – mit einem der Sorte entsprechenden Gesamtprofil aus Bittereindruck, Hopfenaroma, Vollmundig-, Fruchtig- und Malzigkeit.

Charaktermarken sprechen für sich

Je nach Hersteller werden entweder Bier-Vollsortimente oder eine spezielle Auswahl angeboten. Beide Strategien können erfolgreich sein.
Wer auf der Suche nach einer möglichst großen Auswahl ist, wird vor allem bei Neumarkter Lammsbräu, Riedenburger Brauhaus Michael Krieger und Pinkus  oder auch der Störte­-becker Braumanufaktur fündig. Gemeinsames Merkmal: die Klassiker ergänzt durch ansprechende Spezialbiere.

Das Sortiment von Lammsbräu umfasst zwei Dutzend Biere, Biermischgetränke und Spezialitäten, vom Edelpils Zzzisch und Weiße über Dunkel alkoholfrei  bis zum  sogenannten 1628  Farmhouse Ale in limitierter Auflage. Dank einer eigenen Erzeugergemeinschaft stammen alle Rohstoffe aus regionalem, verbandszertifiziertem Bio-Landbau. Pressesprecher Daniel Haussmann hebt außerdem den Einsatz von selbst gemälztem Getreide, Aroma-Doldenhopfen und reinem Bio-Mineralwasser aus der eigenen BioKristall-Quelle hervor. Zudem gebe man dem Bier stets ausreichend Zeit zum Reifen.

Das dürfte auch für die Riedenburger Biere gelten. Bekannt ist das Bioland-zertifizierte Brauhaus nicht zuletzt für zahlreiche naturtrübe Urgetreide-Biere wie das ausdrucksstarke Einkorn Edelbier oder 5-Korn Urbier. Für weitere Abwechslung sorgen stark eingebraute Spezialitäten  wie der Dolden Sud, ein India Pale Ale mit ausgewählten Aromahopfensorten, oder das Dolden Dark Porter als obergäriges dunkles Starkbier. Ergänzt wird die Auswahl durch Weizendoppelbock und andere saisonale Biere sowie die Plankstettener Klosterbiere.

Pinkus aus Münster bieten neben Klassikern wie Pils oder Hefeweizen auch Sondereditionen an. Unter anderem ein helles Alt („Pinkus Obergärig“) oder das dunkle, untergärige Vollbier Jubilate aus Gersten- und Weizenmalz.
Was die vielen Brauereien mit einem kleinen Bio-Bierangebot betrifft, so kommen hier besonders die Aspekte Charakterbier mit Heimatbonus und Kultsorten zum Tragen. Die Brauerei Härle schenkt ihr ausschließlich im Fass abgefülltes LandZüngle in Gasthöfen und Wirtshäusern in Oberschwaben und im Allgäu aus. Und das neue Clemens Weißbier ist dem Brauereigründer Clemens Härle gewidmet. Als Bier mit jahrelangem Kultcharakter kann man ein Kölsch bezeichnen. Bio-Kölsch ist dabei noch eine Rarität und bei der Bio-Brauerei Heller zu finden.

Alkoholfrei mit echtem Biergeschmack

Alkoholfreie Biere erfreuen sich seit Jahren wachsender Beliebtheit, wobei auch Sportler, engagierte Manager und Frauen gern zu den isotonischen Durstlöschern greifen. Während Vollbiere einen Alkoholgehalt von 4,5 bis 5 Vol.-Prozent und Leichtbiere von 2,5 bis 3,0 Vol.-Prozent aufweisen, liegt das Limit bei alkoholfreien Bieren bei 0,5 Vol.-Prozent.

Erreichen lässt sich dieser Wert entweder, indem man normal einbraut und den Sud dann nach kurzem Angären abstoppt oder indem man dem fertigen Vollbier mittels Osmose, Vakuumdestillation oder ähnlichen Verfahren den Alkohol entzieht. Bio-Brauereien haben den Trend schon lange aufgegriffen. Neumarkter Lammsbräu, Pinkus und die Brauerei Liebharts arbeiten nach der ersten Methode und zeigen, dass sich durch genau eingestellte Prozessparameter tatsächlich vollmundige süffige alkoholfreie Biere brauen lassen.

Radler und Biermischgetränke

Weniger Promille haben auch Radler, die nicht nur im Sommer gefragt sind. Die praktische fertige Mischung aus Bier und Zitronenlimonade führen unter anderem Härtsfelder, Lammsbräu oder Pinkus – übrigens mit oder ohne Alkohol.

Obwohl es ansonsten um Biermischgetränke stiller geworden ist, bieten manche Brauereien dennoch innovative Kreationen an. Beispielsweise mit Apfel wie bei Rother Bräu oder mit Hanf wie bei Härtsfelder.

Glutenfreie Biere

Bier ohne das Eiweiß Gluten, ist auf dem konventionellen Markt kaum zu finden. Einige Bio-Brauereien wie Schnitzer, Liebhardts Privatbrauerei, Riedenburger oder Neumarkter Lammsbräu haben trotz der kniffligen Herstellung dennoch Alternativen entwickelt, die dauerhaft nachgefragt werden.

Wieder sind unterschiedliche Methoden möglich. Eine Variante beruht darauf, dem Getreide das Gluten vor dem Einbrauen zu entziehen, zum Beispiel mit Enzymen (konven- tionell meist mit GVO hergestellt) oder bestimmten Filterhilfsmitteln. Bio-Brauer setzen dagegen Malz aus Reis, Hirse oder Quinoa ein, obwohl dies ganz andere Braubedingungen erfordert und auf die Bezeichnung „Bier“ verzichtet werden muss.

Bettina Pabel

Kleines Bier-ABC

Altbier: ursprünglich aus dem Düsseldorfer Raum stammende obergärige Bierspezialität, aus dunklen Gerstenmalzen und  meist stärker gehopft  – volles, hopfenbeton- tes Aro­ma, 4,5 bis 5 Vol.-Prozent
Bockbier: Starkbier, Stammwürze mindestens 16 Prozent Plato, Alkoholgehalt über 7 Vol.-Prozent. Doppelbock als Besonderheit mit rund 8 Vol.-Prozent – vollmundig, Röstnoten, Schaum bei dunklem Bockbeige
Export: Stammwürze über 12,5 Prozent, weniger gehopft  – dadurch milder und süßlicher im Trunk 
Kellerbier: typisch für Franken, als helle oder dunklere Märzenbiere – angenehmer Malzgeschmack
Kölsch: helles obergäriges Bier aus Gerstenmalz, darf nur in und mit wenigen Ausnahmen um Köln herum gebraut werden.
Lager: aus dem Englischen übernommener Begriff für helle untergärige Vollbiere ohne ausgeprägte Bittere
Pale Ale und India Pale Ale: englisches obergäriges Bier, ersteres weniger stark gehopft und von geringerer Bittere 
Pils: helles, untergäriges Vollbier, stärker gehopft 
Kristallweizen: Blank filtriertes Weizenbier - mit betonter Bittere und teils leichte Hopfenblume Porter: dunkles, obergäriges, stark gehopftes und stärker eingebrautes Bier mit eng­lischen Wurzeln 
Schwarz­­bier: sehr dunkles Bier mit einem ausgeprägten Röstmalzcharakter 
Weizenbier bzw. Weißbier: Obergärige Biersorte, Malzanteil zu über 50 Prozent aus Weizenmalz, meist Flaschenreifung – fruchtiges Aroma (Banane, Pfirsich), oft auch mit zarter Nelkennote
Zwickelbier: überwiegend als untergäriges Bier, ohne Filtration direkt vom Lagertank auf die Flasche gezogen – kräftiger, aromatischer als das filtrierte Pendant
 
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