Historische Zulassung von synthetischem Fleisch in den Vereinigten Staaten soll zeigen, dass Europa ins Hintertreffen geraten ist
Kommentar von bioPress-Herausgeber Erich Margrander
Im Sommer 2023 haben die US-Behörden die ersten Labor-Fleisch-Produkte zugelassen und schon fordert The Good Food Institute Europe von den europäischen Regierungen einen Regulierungsprozess, damit die US-Lebensmittelgiganten mit ihrer neuesten Errungenschaft freien Zugang zum Europäischen Markt erhalten. Das wäre ein Eldorado für die amerikanischen Lebensmittelkonzerne, sind wir in Europa doch noch weit weg von der Einführung von synthetischen Labor-Fleischprodukten aus dem Chemie-Reaktor.
Der Propagandafeldzug für – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – gesundes Fleisch aus dem Labor hat nun einen neuen Höhepunkt erreicht. Bisher konnte man sich gegen die Falschbehauptungen, neudeutsch fake news, noch mit dem Hinweis wehren, dass nur in Hongkong und in Israel vereinzelte Produkte zugelassen und damit frei verkäuflich sind. Nun, nach der Entscheidung der US Food and Drug Administration attackiert Good Food das Bollwerk Europa mit unsäglichen Aussagen wie ‚kultiviertes Fleisch‘ sei ökologisch und hätte gesundheitliche und wirtschaftliche Vorteile, und wir würden auf diesem Feld unsere Zukunft verspielen!
The Good Food Institute Europe hat eine Abteilung Politik, deren Leiterin Alice Ravenscroft einfach behauptet, dass Europa ins Hintertreffen geraten würde und macht Lobbydruck auf die Europäischen Institutionen.
Die weltweite Nachfrage nach Fleisch würde sich bis 2050 verdoppeln und einen Markt von 600 Milliarden Dollar bieten, so die Zukunftsvisionen des Instituts, das die Interessen und das Wettrennen der vielen Investoren ins Reaktorfleisch seit Jahren gezielt zu vertreten scheint.
Die Strategie ist überwältigend. Selbst die Sprache wird für diese Kolportage verdreht. Es ist von Zuchtfleisch oder kultiviertem Fleisch die Rede, von echtem Hühnerfleisch aus artgerechter Tierhaltung oder von Fleisch aus kontrolliertem Anbau. Da wird der Begriff Kunst okkupiert und Kunstfleisch in die Nähe gerückt von „anderen alternativen Proteinen“, womit die pflanzlichen Produkte für Veganer bezeichnet werden. Die treffenderen Begriffe, die in den letzten Jahren für synthetisches Fleisch Verwendung fanden, wie Reaktorfleisch oder Laborfleisch, werden zwischenzeitlich vermieden.
Begriffe wie Kultur und Kunst oder die Attribute zertifiziert, artgerecht, ökologisch, gesundheitlich werden für die Laborfleisch-Propaganda missbraucht, und Behauptungen wie Emissionen senken, Ernährungssicherheit verbessern, Land und Gewässer schützen, werden ohne Grundlagen in die Welt gesetzt und – natürlich – zu guter Letzt schafft das zukunftsorientierte Arbeitsplätze! Letzteres muss immer herhalten, wenn Kapitalinteressen durchgesetzt werden sollen. Mit Reaktorfleisch soll tatsächlich auch das Klima gerettet und dem Tierschutz gedient werden.
Es ist viel von wirtschaftlichen Vorteilen die Rede. Bei genauem Hinschauen bleibt von all dem nur übrig, dass Großkonzerne natürliche, gesunde Lebensmittel der Bauernschaft mit neuem Billigfleisch aus der Retorte verdrängen und dessen wahre Kosten wieder auf die Allgemeinheit abgeschoben werden. Die wichtigen Angstmacher-Argumente sind dabei Tierwohl und Klimaschutz!
Nicht alles, was die Wissenschaft – an den Universitäten getragen von Steuergeldern – der Natur und den universalen Gesetzen an Einsichten entlockt, ist auch sinnvoll, wenn die Erkenntnisse in wirtschaftliche Vorteile umgesetzt werden sollen. Italien hat im Frühjahr diese Entwicklung kurzerhand verboten, um die Bauern- und Esskultur zu schützen und zu erhalten.
Im Falle von synthetischem Fleisch aus dem Reaktor kennt niemand die Auswirkungen des dauerhaften Verzehrs von seelenlosem Nahrungsmittel-Ersatz. Die Natur nachahmen können unsere Wissenschaftler. Immer, wenn sie ersetzt werden sollte, ist das aber schief gegangen. Das Desaster der Agrarchemie, Pestizideinsätze und Nahrungsmittel-Zusatzstoffe kommt gerade unabwendbar im Bewusstsein der Menschheit an. Die astronomischen Gewinne deshalb jetzt einfach aufgeben? Da lassen sich die Shareholder besser etwas Neues einfallen und stecken Milliarden Entwicklungs-Dollar in die Jugend, die in Biochemie forscht und ihre Plätze sucht im Olymp der Reichen.
Die perfide Forderung des Good Food Institute an die europäischen Politiker verlangt massive öffentliche Investitionen und stellt Investitionen für das Reaktorfleisch auf die gleiche Stufe wie bei den erneuerbaren Energien. Synthetisches Fleisch sei entscheidend bei der Klimalösung. Was für ein bösartiger Unsinn.
Der Fleischfaktor beim Klimaschutz hat in der ökologischen Landwirtschaft längst eine Lösung gefunden: die Sojamast im Stall ersetzen durch das Perpetuum mobile Weidewirtschaft. Damit fällt der Methanausstoß weg, zusätzlich wird CO2 durch mehr Graswuchs gespeichert und gleichzeitig mehr Qualitätsfleisch erzeugt.
Zugegeben, das Problem des massenhaften Billigfleisches bekommen wir nur durch die Veränderung der Esskultur in den Griff: weniger Fleisch, dafür mehr Gemüse, Obst und Nüsse, mehr Proteinpflanzen und maßvoll Molkereiprodukte, Getreide und Fisch. Wie bei der mediterranen Küche, die ist schmackhaft, gesund und Jahrtausende alt. Da braucht es nur ein wenig Einsicht und Umdenken, nicht unbedingt Klimarettung unter dem Deckmantel der Zukunftsfähigkeit. Und ja, die Kapitalinteressen bleiben dabei außen vor.