Algen
Gemüse aus dem Meer
Bio-Algen das neue Superfood
Sie sind reich an Mineralstoffen und Spurenelementen wie Jod oder Selen sowie Ballaststoffen, aber arm an Kalorien. Sie stehen in großer Menge zur Verfügung und verbrauchen keine Ressourcen. Sie sorgen für faszinierende Geschmackserlebnisse und lassen sich ebenso einfach wie vielfältig in der Küche verwenden: Algen. Kein Wunder, dass die Pflanzen aus dem Meer als neues Superfood diskutiert werden.
Algen sprechen viele Zielgruppen an. Dazu gehören Veganer, Rohköstler oder Makrobiotiker und allgemein Gesundheitsorientierte, ebenso wie Feinschmecker, Experimentierfreudige und Menschen mit Faible für die schnelle Küche. Da Algen ganz ohne Dünger, Süßwasser und andere Ressourcen reichlich gedeihen, sind sie zugleich als nachhaltiges Lebensmittel der Zukunft einzuschätzen. Die Voraussetzung für einen dauerhaften Erfolg am Markt ist jedoch, dass die Qualität stimmt.
Während Algen als Lebensmittel im deutschsprachigen Raum derzeit noch eher eine Nische besetzen, gehören sie in den Küstenregionen von Japan, Korea und China traditionell zum Alltag. Für die Anrainerstaaten des Nordatlantiks ist der Einsatz von Algen gleichfalls schon lange vertraut. Änderung scheint nun auch in Deutschland in Sicht und das nicht nur in der Blogger-Szene. So machte auch der Gang über die Biofach-Messe zu diversen Algenprodukten das wachsende Interesse deutlich.
Von Natur aus nährstoffreich
Algen lassen sich einteilen in Mikro- und Makroalgen. Erstere, etwa Chlorella und Spirulina, wachsen als mikroskopisch kleine Einzeller überwiegend in Süßwasser.
Makroalgen bereichern dagegen vor allem Salzmeere, wobei ihre Größe von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Metern reicht. Klassifiziert in Braun-, Rot- und Grünalgen, schätzt man ihre Zahl auf 80.000 Arten. Nur wenige werden kommerziell genutzt. Nori, Kombu und Wakame zählen dabei zu den bekanntesten Speisealgen. Doch auch andere, wie Dulse, Arame, Meeresspaghetti oder Meeressalat, lassen sich auf vielfältige Weise verwenden.
Die angebotenen Algen und Algenprodukte stammen teils aus Wildsammlung, teils bereits aus Aquakultur. Beides kann - mit wenigen Ausnahmen - mittlerweile als Lebensmittel Bio-zertifiziert werden, neuerdings auch gezüchtete Mikroalgen. Die damit verbundenen Vorteile liegen auf der Hand: eine transparente Herkunft, ein minimales Risiko für Schwermetalle und andere Schadstoffe, kein Raubbau an wertvollen marinen Ökosystemen. Auf den dritten Punkt legen vor allem die Naturland-Richtlinien hohen Wert (siehe Kasten Seite 49).
Generell punkten Algen mit ihrer außergewöhnlichen
Nährstoffzusammensetzung. Einerseits sind sie annähernd fettfrei und kalorienarm, zum anderen enthalten sie ein Potpourri an wichtigen Spurenelementen und Mineralstoffen, darunter Eisen, Magnesium, Kalzium, Phosphor und Jod. Weitere Inhaltsstoffe sind je nach Art Vitamine (B und C), Ballaststoffe sowie Aminosäuren.
Der Jodgehalt macht Algen zu einer wichtigen natürlichen Quelle für das zum Aufbau der Schilddrüsenhormone benötigte Element. Anderseits wirkt zu viel Jod unter Umständen schädlich, weshalb die Anbieter bei reinen Algenprodukten stets den Gehalt angeben sollten und bei höheren Jodgehalten zusätzlich Empfehlungen für die Zubereitung und zur maximalen Verzehrsmenge.
Kulinarische Abwechslung
In der Küche lässt sich das Meeresgemüse äußerst vielfältig einsetzen – unabhängig von den aus Algen gewonnenen Binde- und Verdickungsmitteln Agar-Agar, Alginat und Carrageen.
Getrocknet, geröstet, gebraten oder frittiert, gekocht oder gedämpft und mariniert, verfeinern sie Speisen für die kalte und die warme Küche. Je nach Sorte schmecken sie dabei nach Gemüse, häufiger aber herzhaft-salzig (umami), marin, würzig, rauchig und/oder süßlich.
Die Auswahl umfasst vor allem:
- Monoalgen und Sushi-Nori
- Speisewürzen aus oder mit Algen
- Brühen und Trockensuppen
- Algen-Pasta aus oder mit Algen
- Snacks und Chips
- Feinkostprodukte sowie vegane Alternativen zu Fisch und Meeresfrüchten
Tipp: Sowohl etablierte Bio-Anbieter mit einem breiten, asiatisch geprägten Angebot wie Arche Naturküche, TerraSana oder Ruschin als auch auf Algen spezialisierte Start-Ups oder Produzenten selber stellen in der Regel gern umfassende Hintergrundinformationen zur Verfügung.
Ganze, getrocknete Algen
Getrocknete Mono-Algen werden überwiegend in bebilderten Klarsicht-Folienbeuteln à 15 bis 30 Gramm angeboten. Bereits im ungewässerten Zustand gibt sich so das bunte Spektrum an Formen und Farben zu erkennen. Zum einen sind die Produkte sehr ergiebig, zum anderen erfreulich lange haltbar. Ein weiterer Pluspunkt besteht darin, dass der Umami-Effekt vieler Algen einen sättigenden, würzigen Eigengeschmack bestimmter Speisen verstärkt und sich durch die Zugabe Salz einsparen lässt.
Arche Naturprodukte und Terrasana gehören zu den erfahrenen Anbietern mit einer besonders großen Auswahl auch an Monoprodukten. Arche führt sogar schon seit rund 30 Jahren Meeresalgen im Sortiment und zählt damit zu den europäischen Pionieren. Neben Endverbrauchern werden auch weiterverarbeitende Betriebe bedient.
Die in großen Stücken oder ganz getrockneten Blätter bezieht das Unternehmen zum größten Teil von ihrem langjährigen Partner Aqua B in der Bretagne. Viele Algen tragen das Bio-Siegel, einige Sorten sind zusätzlich exklusiv mit Naturland-Zertifikat zu erhalten. Man wolle Europa mit Meeresalgen von guter Qualität bekannt machen, heißt es bei TerraSana. Dabei stammen die zehn Meeresalgensorten aus der japanischen Ise-Shima-Bucht, einem Ort mit optimalem Klima und hoher Wassergüte.
Auch die Galizische Küste ist als prädestiniertes Algenressort bekannt. Am Rande eines Naturschutzgebiets werden dort die wildwachsenden Algen von Algamar geerntet. Die Auswahl der Spanier umfasst neben den Klassikern Nori, Wakame, Dulse und Meeresspaghetti die interessante Dreier-Mischung Algen für Salat.
Eine sofortige Trocknung unter 42 Grad Celsius sorge für den Erhalt der sensiblen Nährstoffe und des Aromas, betont Algamar. Rohkostqualität zeichnet auch die Algenrange von PureRaw aus, die als letztes Beispiel in diesem Zusammenhang genannt sei.
Nori, der Sushi- Klassiker
Nori-Algen dürften die in Deutschland bekanntesten Speisealgen sein, und zwar als zarte, mild-würzige Hülle von Sushi oder Reis-Röllchen. Die meisten stammen aus Japan, vereinzelt auch aus Korea. Arche gehört dabei zu den bisher wenigen Anbietern, die auch hier Bio-zeritifizierte Ware anbieten können.
Zur Herstellung der fertig zugeschnittenen Blätter werden die frischen Algen gewässert, zerkleinert, gepresst und getrocknet. In der Regel ergänzt eine leichte Röstung den Prozess, was für den typischen Duft sorgt. Vermehrt findet man nun außerdem ungeröstete Nori im Handel, mal gepresst und mal zu Flocken zerkleinert, mal rötlich, mal grün oder dunkel.
Von Speisegewürzen bis zu Instantsuppen
Durch die erwähnten mal salzigen, mal marinen oder würzigen Geschmacksnoten eignen sich Meeresalgen bestens für die Herstellung von Gourmetgewürzen mit und ohne Salz. Dementsprechend liegt hier auch ein Schwerpunkt des Marktangebots.
Beispielsweise bietet das junge Unternehmen Viva Maris unter ihrer LEH-Marke Maris und unter der Fachhandels-Marke Undines Gold gleich mehrere Feinschmeckermischungen im Glas an. Mit nordischem Zuckertang apart abgeschmeckt, stehen eine universelle Mischung, ein Pesto- und ein Grillgewürz zur Auswahl.
Ein Algensalz findet man auch bei Kulau, die ihr anfängliches Kokos-Sortiment seit einiger Zeit um innovative Algenprodukte ergänzen. Dabei handle es sich um Meersalz, welches durch die Zugabe der Alge auf natürliche Art und Weise jodiert werde, heißt es bei Kulau. Interessant ist schließlich noch die Kombination mit Sesam-Salz. So hat Algamar ein Gomasio mit Nori auf den Markt gebracht und ergänzt dieses durch eine universelle Instant-Gewürzmischung mit getrockneten Meeresspaghetti.
Natürlich bieten sich Algenflocken auch selber als Würzmittel an, wie sie zum Beispiel Arche, TerraSana und Rohkost-Spezialist lifefood im Programm haben. Paul O’Connor von This is Seaweed aus Irland ist ebenfalls überzeugt, dass Algen schon ohne weitere Zutaten ausreichend sensorische Abwechslung auf und in Speisen bringen. Auf der Biofach stellte er daher aromatische Kelp-, Dulse- und Alaria-Flocken in aparten, sauerstoffgeschützten Schraubdosen vor. Verbunden mit dem Motto: Eine Prise genügt.
Der Übergang zu Brühen ist naheliegend. Tatsächlich lassen sich mit Meeresalgen sehr gut Misos und andere (nicht nur) asiatische Suppen abschmecken. Arche etwa bietet schon länger neben der klassischen Misobrühe ein Instantpulver mit Wakame und Kombu an. Bei Kulau gehört die hefefreie Bio-Gemüsebouillon mit Wakame dagegen zu den Frühjahrsneuheiten.
Feinkostprodukte: Salate, Brotaufstriche und mehr
Genauso wie Algen also in Form von Instantprodukten für Convenience-Artikel prädestiniert sind, so findet man auch Feinkostprodukte. Viva Maris hat je zwei Sorten Senf (Chilli und Estragon) und Feinkostsaucen (Senf-Dill und Honig-Senf) mit Zuckertang. Porto Muiños Algae, ein weiterer Bio-Erzeuger aus Galizien, ergänzen ihre getrockneten Algen ebenfalls um Glaskonserven, zum Beispiel Algen-Tartar oder Algen-Basilikumpesto-Sauce.
Algamar wiederum, bietet unter anderem eine in Olivenöl-Würzlake eingelegte Mischung aus Meeresspaghetti und Shiitake, eine Tahin-Sesampaste mit Meeresspaghetti sowie eine Algenpastete auf Tofubasis als edlen Aufstrich für Sandwiches und anderes.
Ein vergleichbares Produkt gibt es neuerdings von Pan do Mar, wobei das Unternehmen ansonsten für nachhaltige Bio-Fischfeinkost bekannt ist. Im Unterschied zur Algamar Pastete bilden Nori und Dulse-Algen die Grundlage.
Frische Algen-Feinkost ist dagegen auf dem deutschen Markt selten. Isana hat das Thema aufgegriffen und zwei pikant abgeschmeckte Feinkostsalate mit Meeresspaghetti entwickelt. Extra ausgelobt wird die Naturland-Zertifizierung. Lord of Tofu als letztes Beispiel nutzt Nori-Algen um die Rezeptur in ihrer kühlpflichtigen veganen Meeresküche mit Soja-Lachsfilet, Thuna und mehr abzurunden.
Nudeln aus und mit Algen
Algennudeln verdienen eine extra Erwähnung, wobei es sich eigentlich um zwei Produktgruppen handelt. Dazu gehört auf der einen Seite die eingangs genannte Meeresspaghetti-Alge, die ihren Namen der langen dünnen Wuchsform verdankt. Mit ihrer dunklen Farbe und dem typischen Geschmack machen sie sowohl Nudelgerichte als auch Gemüsegerichte und anderes zu etwas Besonderem. Eine frische Alternative hat wieder Isana im Programm und zwar in Form von Seetang-Nudeln für Wok- und Pfannengerichte.
Zur zweiten Gruppe gehören normale Nudeln mit Algen als Teigzutat – mal als Hartweizenrauten mit Zuckertang (Viva Maris) und mal als Vollkorn- mit Meeresspaghetti und grünem Spirulinapulver (Algamar). Gleich drei Sorten finden sich dann in den Nudeln von Porto Muiños mit Wakame, Meeressalat und Nori.
Snacks und Chips
Abschließend seien Knabberartikel genannt. Bislang sind Algen, konkret Mikoalgen, vorwiegend in Süßwaren wie Riegel oder Schokolade zum Einsatz gekommen. Jetzt gibt es, zum Beispiel von Kulau, alternativ herzhafte Nori-Snacks und würzige Algen-Chips. Beide haben einen knusprigen Biss. Im Unterschied zu den festeren Algenchips, die ansonsten unterschiedliche Gemüse enthalten, schmelzen die dünnen Snacks regelrecht auf der Zunge. Beides bietet sich übrigens auch als originelles Topping für diverse Häppchen an.
Bettina Pabel
Algen mit Öko-Zertifikat
Strengere und konkretere Maßstäbe legen die Naturland-Algen-Richtlinien an. Beispielsweise müssen die Kultur- oder Erntestandorte eine Wasserqualität nach Klasse 1 oder 2 aufweisen, und eine Biomasseabschätzung hat jährlich zu erfolgen. Auch sind bei der Ernte selber bestimmte Vorgaben einzuhalten. Zu den Nachhaltigkeitskriterien gehört schließlich noch, dass zum Bestandsschutz einige wildwachsende Algenarten ausgeschlossen sind. Eine Teilumstellung ist verboten, und Sozialrichtlinien müssen ebenfalls beachtet werden.
Kleines Algen-ABC
Arame, pazifische Braunalge, schwarz, milder, unaufdringlicher Geschmack, muss kurz eingeweicht und gekocht werden, jodreich.
Dulse: Rotalge, wegen ihres Aussehens Lappentang genannt, wächst auf Steinen oder Muschelbänken in den kalten Gezeitenzonen von Atlantik und Pazifik, hat geröstet oder frittiert einen würzigen, entfernt an Speck erinnernden Geschmack, geschmacksverstärkend, zarter Biss. Vielseitige Verwendung.
Hijiki, Braunalge, in Japan seit Urzeiten genutzt, dickfleischig, schwarz, bissfest, schmeckt intensiv nach Meer, gut für herzhafte Gerichte, viel Alginsäure.
Kombu, Braunalge, auch Seekohl und Kelp genannt, große, lange Blätter, eignet sich als Lorbeerblatt zum Kochen, Sautieren oder Frittieren, hoher Jodgehalt, Glutaminsäure, guter Salzersatz.
Meersalat, Grünalge, wächst im Küstenzonen und Brackwasser, erinnert äußerlich an Spinat, milder, süßlicher Geschmack, in Frankreich zum Marinieren von Fisch oder als Umhüllung beim Dünsten sowie als Zutat in Salat, Suppe oder Gebäck verwendet.
Meeresspaghetti: Braunalge, lange dünne Wuchsform (Tagliatelle), wachsen u.a. vor den Atlantikküsten Nordfrankreichs, Irlands und höher, Geschmack wird oft als bohnenähnlich beschrieben.
Nori: Rotalge, auch Purpurtang genannt, Farbe variiert, oft aus Korea oder Japan, meist getrocknet als Flocken oder zu Blättern gepresst, für Sushi und allgemein zum Würzen von Fischgerichten, Nudeln, Salaten oder Eierspeisen.
Wakame, Braunalge, nach Nori wichtigste japanische Speisealge, aber auch in der Bretagne zu finden, gedeiht im strömungsreichen Wasser unterhalb der Gezeitengrenze, würzig-aromatisch.
Zuckertang: Braunalge, weltweit in klaren, kalten Gewässern vorkommend, enthält natürliches Glutamat und eignet sich gut als Würzmittel mit süßlicher Nuance. Auch frittiert als Snacks, in Quiches und Tartes, als Beilage zu Fisch.