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Bio ohne Anbau
Wild gesammelte Rohstoffe gibt es auch in Bio-Qualität

Pilze, Kräuter, Blüten, Beeren, Nüsse, Wurzeln oder Samen: In vielen Bio-Produkten wie Tees, Gewürzen oder Fruchtzubereitungen befinden sich auch Rohstoffe aus Wildsammlung. Was müssen Sammler tun, um ihre Ware als Bio kennzeichnen zu dürfen? Wo befinden sich weltweit die wichtigsten Bio-Sammelgebiete? Und welche Zusatzlabel weisen auf eine ökologisch und sozial verträgliche Sammlung hin?
Als Wildpflanzen gelten Pflanzen, für deren Wachstum keine Anbaumaßnahmen ergriffen worden sind. Nach Naturland-Definition müssen die Pflanzen zudem an ihrem Standort natürlich vorkommen.
In Deutschland ist ‚professionelles‘ Sammeln sehr selten und spielt global betrachtet kaum eine Rolle. Marktrelevante Mengen werden vor allem in Südosteuropa gesammelt: in Albanien, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina oder im Kosovo. In der Balkanregion hat die Wildsammlung eine jahrhundertelange Tradition und stellt in strukturschwachen Regionen eine wichtige Einkommensquelle dar. Auch die Ukraine und Estland beherbergen wichtige Bio-Wildsammlungsgebiete.
Beeren aus Finnland, Nüsse aus Mexiko
Laut einer Erhebung des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) lagen 2020 38 Prozent der biologischen Wildsammlungs- und Bienenzuchtgebiete in Europa, gefolgt von Afrika mit 36 Prozent der Fläche. In Asien befinden sich 14 Prozent, in Lateinamerika zwölf Prozent und in Nordamerika nur ein Prozent der weltweiten Bio-Sammlung.
Die ausgedehntesten Wildsammlungsflächen liegen mit weitem Abstand in Nordeuropa: 5,5 Millionen Hektar kann Finnland für sich beanspruchen – hauptsächlich werden hier Beeren gesammelt. Auf Platz 2 folgt Namibia mit 2,6 Millionen Hektar, vor Mexiko (hauptsächlich Nüsse) und Mosambik (ausschließlich Baobab) mit 1,9 und 1,8 Millionen Hektar. Wichtige Sammelgebiete sind auch Indien und China mit jeweils 1,7 Millionen Hektar.
Bezogen auf die Rohstoffgruppe nehmen weltweit Heil- und Aromapflanzen die größte Fläche ein, gefolgt von Hagebutten, Nüssen, Früchten, Beeren und Algen. Für die meisten Bio-Wildsammlungsgebiete stehen allerdings noch keine genauen Daten zur Verfügung.
In Deutschland sind es meist Förster, Gärtner oder Landwirte, für die das Sammeln eine Nebenerwerbstätigkeit darstellt. Sie müssen sich an die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes halten. Streng geschützte Arten sind in der Regel tabu, ebenso Naturschutzgebiete. Auch außerhalb davon brauchen gewerbliche Sammler eine Genehmigung, die bei der zuständigen Behörde für Naturschutz und Landschaftspflege beantragt werden muss und für ein genau gekennzeichnetes Gebiet erteilt wird.
Kontrolliert biologische Sammlung
Für Öko-Wildsammler gilt darüber hinaus die EU-Öko-Verordnung. Sie schreibt etwa vor, dass die Flächen vor dem Sammeln mindestens drei Jahre lang nicht mit Pestiziden oder synthetischen Düngemitteln behandelt worden sind. Zudem darf das Sammeln die ökologische Stabilität und den Artenerhalt im Sammelgebiet nicht bedrohen.
Einige Bio-Anbauverbände haben in ihren Richtlinien zusätzliche Anforderungen formuliert. So müssen die Sammelgebiete für ein Naturland- oder Bioland-Zertifikat über Kataster- oder Flurpläne eindeutig definiert werden. Um Raubbau zu verhindern, sind Naturländler dazu verpflichtet, vor Saisonbeginn eine maximale Erntemenge festzulegen. Sie müssen regelmäßig Rückstandsanalysen vornehmen und auf dem Endprodukt auf die Herkunft aus Wildsammlung hinweisen, sodass Konsumenten es klar von den Produkten aus ökologischem Anbau unterscheiden können. (Ausnahme: Liegt der Anteil aus Wildsammlung bei einem Produkt unter 25 Prozent, muss nicht darauf hingewiesen werden.)
Bei Demeter werden Rohstoffe aus Wildsammlung nicht als Demeter-Zutaten berechnet und dürfen nur zu maximal fünf Prozent in einem Produkt vorhanden sein.
Fairer Handel – auch für Sammler
Ein anderes Label, das teils auf Produkten mit gesammelten Inhaltsstoffen zu finden ist, nennt sich FairWild-Standard. Der FairWild-Standard wurde 2008 von der FairWild-Stiftung ins Leben gerufen – als Reaktion auf die ständig steigende Nachfrage nach Inhaltsstoffen aus Wildpflanzen, die mit der Gefährdung von Ökosystemen sowie schlechten Arbeitsbedingungen für die Sammler einherging. Der Standard will unter anderem garantieren, dass die Ressourcen von Wildpflanzen ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt erhalten bleiben. Die Verwendung von schädlichen chemischen Zusätzen ist daher ähnlich eingeschränkt wie beim Bio-Zertifikat. Das Label fördert faire vertragliche Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Sammlern und steht für faire Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten.
Der Internationale Standard für die nachhaltige Wildsammlung von Heilpflanzen (ISSC-MAP), der ein Jahr zuvor unter anderem vom WWF eingeführt wurde, ist 2008 mit dem FairWild-Standard fusioniert. Beispielprodukte für die besondere Fairtrade-Zertifizierung sind verschiedene Kräuter und Tees des Bio-Herstellers Pukka, die damit gelabelt sind. Insgesamt hat FairWild mittlerweile über 35 Unternehmenspartner.
Lena Renner