Forschung
Von Erbsen-Dünger zu Wasserschutzbrot
FiBL präsentiert aktuelle Projekte einem internationalen Publikum

Bio-Daten ermitteln und auswerten, die Leistungen des Ökolandbaus untersuchen, Düngemethoden testen und regionale Wertschöpfungsketten unterstützen: Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) ist in zahlreichen Bereichen aktiv. Einen umfassenden Einblick erhielten Interessierte beim ersten digitalen Open FiBL Day am vergangenen Donnerstag, 27. Mai.
Zu Beginn der Veranstaltung stellten sich alle sechs beteiligten Institute vor: FiBL Deutschland, Schweiz, Österreich, Frankreich und Europa sowie das ungarische Forschungsinstitut ÖMKi, das 2011 mit Unterstützung des FiBL gegründet wurde. Über 300 Interessierte schalteten sich zu der morgendlichen Begrüßung zu und konnten sich anschließend auf über 40 Sessions verteilen, die über den ganzen Tag hinweg stattfanden.
Helga Willer vom FiBL Schweiz gab einen Einblick in eines der bekanntesten Forschungsfelder des FiBL: die weltweite Sammlung von Daten über den ökologischen Landbau. Seit 1999 sammelt das FiBL Schlüsseldaten über Ökoanbauflächen und die Entwicklung des Biomarktes und greift dabei mittlerweile auf über 200 Quellen zurück. Ein Problem sei dabei, dass viele Länder über keine eigenen Datensammelsysteme verfügen. „Das muss sich bessern!“, meinte Willer. Mit Hilfe von internationalen Zertifizierungsstellen kann dennoch ein umfassendes Bild gegeben werden, das auch über eine interaktive Online-Datenbank einsehbar ist.
Welche Möglichkeiten die Daten-Forschung zukünftig noch eröffnen könnte, zeigten verschiedene FiBL-Mitarbeiter in kurzen Pitches über Big Data-Projekte. Als revolutionär stellte Amritbir Riar die ‚Participatory on-farm research‘ (POR) vor. Jeder Landwirt könne verschiedene Samen-Sorten testen und über die Ergebnisse per Smartphone berichten. So soll weniger Abhängigkeit von Patenten und mehr Biodiversität erreicht werden. Wie man mittels Drohnen Unkrautherde lokalisieren kann, berichtete Maike Krauss. Florian Hediger zeigte wiederum, wie Zuchtdaten aus 30 Jahren Rückschlüsse über die Lebensdauer von Milchkühen zulassen.
Vom Rohstoff-Anbau zur Verarbeitung
Über die unterschiedliche Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit von konventionellem und biologischem Anbau wird vielfach diskutiert. In dem 2007 gestarteten Projekt ‚SysCom‘ untersucht FiBL Schweiz den Ökolandbau unter tropischen Bedingungen in Bolivien, Kenia und Indien und vergleicht seine Leistungen mit denen konventioneller Farmen. Auch wenn bei einem Teil der untersuchten Sorten – etwa Kartoffeln in Kenia oder Baumwolle in Indien – der Ökolandbau durchschnittlich zu niedrigeren Erträgen führte, gab es starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Farmen und einzelne Öko-Betriebe, die höhere Erträge als ihre konventionellen Pendants erwirtschafteten. „Es ist also entscheidend, die Anbaumethoden zu optimieren und Wissenslücken zu schließen“, erklärte Mitarbeiter David Bautze. Auch was die Profitabilität angeht, steht der Ökolandbau der konventionellen Landwirtschaft laut den Untersuchungen im Gesamten nicht nach.
Direkte Forschung auf dem Feld wird vom FiBL Schweiz ebenfalls betrieben. Mitarbeiter aus den Abteilungen für Boden-, Pflanzen- und Tierwissenschaften stellten unter dem Motto ‚Nährstoffkreisläufe schließen‘ ihre Forschungsergebnisse zur ökologischen Düngung und Fütterung vor. Erbsen konnten als aussichtsreiche Dünger im Apfelanbau identifiziert werden. Interessant für den Gemüsebau seien Schafwollpellets, die sehr wasserspeicherfähig sind und schwere Böden auflockern können. Als Fischfutter wurden Wasserlinsen empfohlen, die in ihrem Proteingehalt Soja weit überträfen und auch für die Gründüngung und als Bioethanol verwendbar seien.
Den Bogen von der Produktion zur Verarbeitung spannte Hanna Stolz, die das Projekt ‚ProOrg‘ vorstellte. Da es keine verbindlichen Standards zur Bio-Verarbeitung gibt, soll ein Praxisleitfaden Verarbeitern eine Entscheidungsgrundlage zur Bewertung von Verarbeitungsmethoden bieten. Nach einer Verbraucherbefragung verbinden Konsumenten mit Bio eine schonende Verarbeitung, bei der die Nährstoffe erhalten bleiben und die Produkte einer geringen Belastung ausgesetzt sind. Beim Beispiel Milch könnte dies etwa durch eine Hochdruckbehandlung erreicht werden, wie es sie bereits bei Bio-Orangensaft gibt. Hierdurch würde der Verlust von Vitaminen bei der Haltbarmachung verhindert und ein möglichst Rohmilch-ähnlicher Geschmack garantiert.
Gesellschaftliche Forschung: mehr Wissen und Vernetzung
Auch in der politischen Forschung ist das FiBL aktiv. Heidrun Moschitz (FiBL Schweiz) reflektierte kritisch über die Farm-to-Fork-Strategie, mit der die EU ihre Agrarfläche bis 2030 zu 25 Prozent auf Öko-Anbau umstellen will. „Ein ‚one size fits all‘ wird nicht funktionieren“, so ihre Einschätzung. Nicht alle Länder hätten gleich gute Institutionen und die gleiche Motivation. So seien Österreich und Estland schon nahe am Ziel, Irland dagegen noch weit davon entfernt. Für eine erfolgreiche Umstellung brauche es nicht nur technische Innovationen, sondern andere Einstellungen in der Gesellschaft – nicht nur in der landwirtschaftlichen Produktion, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Über Bildung und Beratung solle man neue Organisationsformen und mehr Zusammenschlüsse wie den Maschinenring ermöglichen.
Die Wichtigkeit von mehr Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette hob auch Susanne Kummer vom FiBL Österreich hervor. In einer Studie zur ‚Stärkung der biologischen Landwirtschaft in Österreich‘ wurde dafür etwa ein partizipatives Bio-Marktforum zur Vernetzung vorgeschlagen. Ebenfalls essentiell sei es, die Bio-Wissenssysteme zu stärken und den Absatz in der Außer-Haus-Verpflegung zu erhöhen – durch eine schrittweise Ausweitung der Bio-Quoten und rechtsverbindliche Zertifizierungen.
Umweltschutz durch regionale Wertschöpfungsketten
Kerstin Spory vom FiBL Deutschland stellte als Beispiel für regionales Engagement die ‚Initiative Grundwasserschutz durch Ökolandbau‘ vor. Die Landwirtschaft in Unterfranken ist durch geringe Niederschläge und durchlässige Böden geprägt, was eine hohe Nitratbelastung zur Folge hat. In vielen Brunnen wurden die Grenzwerte im Grundwasser überschritten. Mit der Initiative, deren Konzept das FiBL erarbeitet hat, wurde der Ökolandbau, der auf chemische Stickstoffdünger verzichtet, durch Vermarktungsförderung, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Mit Erfolg: Seit Beginn der Initiative im Jahr 2008 habe sich die Öko-Fläche fast verfünffacht.
Noch weiter vorangetrieben wird der Grundwasserschutz in Unterfranken durch das Projekt ‚Wasserschutzbrot‘, das 2014 gestartet wurde und von Nicole Nefzger koordiniert wird. Der Anbau von Qualitätsweizen sei für die Region besonders wichtig, erklärte Nefzger. Dessen Marktpreis werde vom Proteingehalt bestimmt, was zu einem hohen Einsatz von Stickstoff-Düngern führe. Nicht jedoch beim Wasserschutz-Weizen: Die herstellenden Landwirte verpflichten sich dazu, den Weizen höchstens zwei Mal zu düngen. In regionalen Mühlen wird er gemahlen und in Wasserschutz-Bäckereien verbacken und vermarktet. Knapp 100 Netzwerkpartner gebe es inzwischen – auch im restlichen Franken und in Niederbayern. Der Anteil an Restnitrat konnte mittlerweile laut Kontrollen tatsächlich um ein Drittel gesenkt werden.
Um regionale Produktion geht es auch beim Projekt ‚Taste Tank‘, das FiBL Deutschland fachlich begleitet. Sein Ziel war die Entwicklung einer neuen Produktlinie für den hessischen Spessart. In ‚Workshops mit Genuss‘ inklusive Verkostungen wurden Akteure aus Regionalmanagement, Erzeugung, Verarbeitung, Handel und Gastronomie sowie Endverbraucher zusammengebracht und haben schließlich ein regionales Müsli mit Früchten und Nüssen als neues Regionalprodukt des Spessarts auserkoren.
Den Abschluss des Tages bildete eine Panel-Diskussion, welche die zukünftige Rolle des FiBL bei einer nachhaltigen Agrarwende beleuchtete. Ika Darnhofer von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) wünschte sich dafür eine Forschung, die sich nicht nur an Zahlen orientiert, prozessorientierter denkt und sich näher am „echten Leben“ bewegt. Langfristige Kooperationen mit Landwirten seien der Schlüssel dazu.
Lena Renner