EU-Recht
Neuartige Gentechniken trotz EU-Urteil jahrelang unreguliert
Klöckner schiebt Umsetzung des EuGH-Urteils zur Gentechnik auf die lange Bank
Zwei Jahre und nichts ist passiert: Bereits am 25. Juli 2018 stellte der Europäische Gerichtshofs (EuGH), das höchste Gericht der EU, klar, dass neuartige wie herkömmliche Gentechnik reguliert werden muss. Der BÖLW weist zum wiederkehrenden Jahrestag des Gerichtsurteils auf die gesellschaftlichen und politischen Folge dieses ‚Aussitzens‘ vonseiten der Bundesregierung hin.
Laut geltendem EU-Recht ist für Gentech-Organismen eine Risikoprüfung vorgeschrieben, nach dem EuGH-Urteil von 2018 auch für solche, die auf neuen Gentechniken wie CRISPR-Cas beruhen. Bis heute hat sich hier nichts getan.
Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), in seinem Kommentar: „Gentechnik bleibt Gentechnik. Und was Gentechnik ist, muss auch dementsprechend reguliert werden. Dieses Urteil fällte der EuGH bereits 2018. Fraglich ist, warum Julia Klöckner die Umsetzung des Urteils weiter auf die lange Bank schiebt. Schließlich ist die Ernährungsministerin dafür verantwortlich, dass neue Gentechniken nach dem geltenden Europäischen Gentechnikrecht reguliert werden. Das schließt unter anderem die Sicherheitsprüfung und Kennzeichnung von Crispr und Co. ein.
Durch ihr Nichtstun gefährdet Julia Klöckner Wirtschaft und Bürger. Genmanipulierte Pflanzen könnten Europas Landwirtinnen, Lebensmittelhersteller oder Kundinnen einfach untergejubelt werden, wenn zum Beispiel Saatgut aus Ländern außerhalb Europas importiert wird. Das zerstört das Vertrauen in die Bundesregierung. Sitzt Klöckner die Umsetzung des Urteils weiter aus, sind auch politische Ziele Deutschlands in Gefahr, wie etwa 20 Prozent Bio bis 2030 oder keine Patente auf Nutzpflanzen und -Tiere.“
Keine der neuen Gentechniken könne ohne wirksame und unabhängige Prüfung der Ergebnisse als harmlos angesehen werden. Es müsse zwingend durch eine Risikoprüfung geklärt werden, wie die Genmanipulation auf den Organismus oder die Umwelt wirke, genau wie dies das aktuelle Gentechnikrecht auch garantiere.
Der BÖLW stellt heraus, dass – entgegen anderslautenden Behauptungen - die Produkte der neuen Gentechniken nach erfolgter Zulassung selbstverständlich in Verkehr gebracht werden könnten. Und es könne daran, unter Beachtung der EU-rechtlichen Bestimmungen, geforscht werden.
Felix Prinz zu Löwenstein weist aber auch darauf hin, dass Gentechnik keine Lösung für die aktuellen Herausforderungen wie Klima-Krise, Hunger oder Artenschwund darstelle. Bis heute sei es weder durch alte, noch mit der neuen Art der Genmanipulation gelungen, etwa Resistenzen gegen wirtschaftlich bedeutende Pilzkrankheiten im Getreide, höhere Erträge oder die Resilienz gegen Extremwetterlagen zu erreichen. Gleichzeitig schaffe Züchtung ohne Gentechnik und damit ohne Risiken, Nebenwirkungen und Patente schon seit fast 200 Jahren erfolgreiche ertragreiche und angepasste Sorten.