Agrarpolitik
Neue Gentechnik: Initiatoren übergeben Offenen Brief der Lebensmittelwirtschaft an Özdemir
Polnische Ratspräsidentschaft will zügige Einigung erwirken

Im September 2024 wurde der offene Brief ‚Lebensmittelwirtschaft für Wahlfreiheit‘ (Food Industry for Freedom of Choice) an die EU-Landwirtschaftsminister versandt. 367 Unternehmen aus 16 EU-Mitgliedstaaten sprechen sich damit für eine umfassende Kennzeichnungspflicht für Neue Gentechnik aus. Angesichts einer möglichen baldigen Einigung im EU-Agrarministerrat haben die Initiatoren das Schreiben heute offiziell an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir übergeben.
Unternehmen, die Neue Gentechnik auf den europäischen Markt bringen, müssen Nachweismethoden und eine Dokumentation der genetischen Veränderung zur Verfügung stellen, fordern die Unterzeichner des offenen Briefs. Alle EU-Mitgliedstaaten müssten dazu verpflichtet werden, ausführliche und verbindliche Koexistenzmaßnahmen zu ergreifen. Es soll Haftungsregeln gemäß dem Verursacherpinzip geben sowie einen Entschädigungsfonds für unvermeidbare Kontaminationen. Eine umfassende Kennzeichnungspflicht (wie sie vom Parlament gefordert wurde) soll die Wahlfreiheit für Konsumenten sicherstellen.
Zu den Unterzeichnern gehören neben zahlreichen Vertretern der Bio-Branche unter anderen auch die Einzelhändler tegut und Rewe-Gruppe sowie aus Österreich die Supermarktkette Spar. Initiiert wurde der Brief von den deutschen Unternehmen Alb-Gold, Alnatura, dm, Andechser Molkerei und Frosta. Unterstützt wurden sie von den Verbänden Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL), Bioland, Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) sowie European Non-GMO Industry Association (ENGA).
Anlass für den Zeitpunkt der Übergabe ist die Befürchtung einer baldigen Einigung im EU-Agrarministerrat auf den Vorschlag der amtierenden polnischen Ratspräsidentschaft zur Deregulierung Neuer Gentechnik, der Anfang Januar vorgelegt wurde. Zentrale Fragen wie Kennzeichnung, Risikoprüfung, Haftung und Koexistenz blieben darin ungelöst, kritisiert die Gentechnikfrei-Branche. Polen will den Vorschlag jedoch zügig durchbringen und macht entsprechend Druck.
„Es wäre fatal, wenn dieser unausgegorene Vorschlag überstürzt schon am 14. März 2025 weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem technischen Vertreter-Ausschuss in Brüssel als Position des Ministerrates für die folgenden Trilog-Verhandlungen festgelegt würde“, schreiben die Initiatoren. Sie appellieren deshalb an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, seinen Einfluss dafür geltend zu machen, die fehlenden Punkte zu ergänzen, bevor der Ministerrat dem Vorschlag zustimmt.
„Es ist ein gutes und wichtiges Zeichen, dass sich so viele Unternehmen aktiv dafür einsetzen, Verbraucherinnen und Verbrauchern auch in Zukunft eine bewusste Entscheidung für Produkte ohne Gentechnik zu ermöglichen“, kommentiert Özdemir. „Auf EU-Ebene ist es bislang nicht gelungen, zum Umgang mit NGT einen akzeptablen Interessenausgleich zwischen Verbraucherseite, Landwirtschaft sowie Verarbeitung und Handel herzustellen. Auch der jüngste Vorstoß der polnischen Ratspräsidentschaft enthält keine ausreichenden Verbesserungen zu den zentralen Themen Koexistenz, Transparenz, Wahlfreiheit und der Patentierbarkeit.“ Im weiteren Verfahren wolle sich der Minister für eine Klärung der offenen Fragen und die nötigen Nachbesserungen einsetzen.