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Bio-Tomaten – frisch aus dem Gewächshaus

Die Bio-Fruchtgemüse-Produzenten liefern heimische Qualitätsware

Bio-Tomaten – frisch aus dem Gewächshaus © Lesker
Der moderne Gewächshausbetrieb vom Bio.Fru.Pro.-Mitglied BioLesker in Nordrhein-Westfalen

Regionales Bio-Gemüse steht bei Verbrauchern schon lange hoch im Kurs: aber bis zu welchem Preis? Immer öfter gibt der Handel den billigen Alternativen aus Spanien den Vorzug und verschärft so die Wettbewerbslage. Um vernetzt ein Gegengewicht zu schaffen, hat sich 2022 der Verein Bio-Fruchtgemüse-Produzenten (Bio.Fru.Pro.) gegründet. 14 Bio-Gewächshausbetriebe von Süd- bis Norddeutschland sind in der Interessengemeinschaft versammelt: um mit einer Stimme zu kommunizieren, Wissen zu bündeln und den Marktanteil bio-regionaler Ware zu erhöhen.

Die Gemüsebaubetriebe sitzen in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Auch die Vermarktungsstruktur ist bunt gemischt: Manche beliefern nur den Fachhandel, manche nur den LEH und manche sind in beiden Kanälen aktiv. Zusammen sind sie nach eigenen Angaben für gut die Hälfte der in Deutschland erzeugten Bio-Tomaten, -Gurken und -Paprika verantwortlich. Wobei das noch eine vorsichtige Schätzung sei – „vielleicht ist es auch mehr“, meint Michael Schudde, Bioland-Gartenbauberater und Geschäftsführer Süd von Bio.Fru.Pro.

Bei den Mitgliedern handelt es sich ausschließlich um große Gewächshausbetriebe ab einem Hektar aufwärts, die nach den Kriterien eines Bio-Anbauverbands zertifiziert sind. „Vor etwas über zehn Jahren gab es so große Bio-Gewächshäuser noch gar nicht“, so Schudde. Inzwischen hätten sich im Bio-Gemüsemarkt zum Teil schon große Strukturen etabliert. Das sei auch notwendig, um bei den „eher harten“ Handelspraktiken der Marktplayer zu bestehen. Eine „heile Bio-Welt“ habe mit den Spielregeln dort nicht mehr viel zu tun.

Dabei stünden die jetzt im Verein versammelten Betriebe eigentlich gegenseitig nicht in Konkurrenz zueinander. Das Problem sei die Importware, die zu deutlich billigeren Preisen angeboten werden kann und daher vom Handel den Vorzug bekommt. „Gerade im Fachhandel findet man im Sommer noch viel öfter spanische Bio-Tomaten als im LEH“, bedauert Schudde.

Die schwere Marktsituation hat die Gründer dazu bewogen, sich zusammenzutun. „Ursprünglich wollten wir uns vor allem über den Anbau austauschen“, erklärt Patrick Schwienheer, Geschäftsführer eines Biolandhofs in NRW und stellvertretender Vorsitzender von Bio.Fru.Pro. Die Idee war, sich zu vernetzen und das gemeinsame Fachwissen zu bündeln. Dann habe man gemerkt, dass man in Sachen Anbau eigentlich schon gut aufgestellt sei, während es im Bereich der Vermarktung noch Luft nach oben gab.

So hat der Verein nun zum Ziel, ein Gegenwicht zu schaffen, um nicht in konventionellen Strukturen unterzugehen, auf Augenhöhe mit Handelspartnern zu sprechen und auf Einkäufer Einfluss nehmen zu können. „Wir haben die Hoffnung, dass wir uns dadurch nicht ‚verkaufen‘ müssen“, so Schudde. Der regionale Fruchtgemüseanbau soll gestärkt und der Marktanteil bio-regionaler Ware erhöht werden.

Im Wettbewerb mit Billig-Bio

„Der Importanteil von Bio-Gemüse ist unnötig hoch – doppelt so hoch wie im konventionellen Bereich!“, bemängelt der Geschäftsführer. Rund 80 Prozent würden aktuell aus dem Ausland bezogen – der Großteil davon im Winter, aber auch im Sommer werde noch viel importiert.

Niedrige Transportkosten und viel höhere Produktionskosten in Deutschland – „allein die Folientunnel kosten in Deutschland locker zehn Mal so viel!“, so Schwienheer – führten dazu, dass spanische Tomaten durchschnittlich um 30 bis 50 Prozent billiger angeboten werden können. Und durch die Aufschläge des Handels wird auch das bio-regionale Gemüse im Endpreis nochmal um 50 bis 100 Prozent teurer.

„Das ist immer noch ein grundsätzliches Problem von nachhaltiger Ware“, stellt Jan Niessen fest, der als Professor für Strategische Marktbearbeitung in der Ökobranche an der Technischen Hochschule Nürnberg lehrt und im Beirat von Bio.Fru.Pro. sitzt. „Für Bio aus der Region nimmt der Handel den höchsten Aufschlag.“ Nur mit der Begründung des leicht erhöhten Risikos für höhere Abschriften lasse sich diese Praxis nicht rechtfertigen, durch die am Ende der Erfolg von höherwertiger Ware verhindert werde. „Eigentlich müsste es umgekehrt sein – aber da sind wir noch nicht.“

Direktlieferung: logistisch unrentabel

Eine Erzeugergemeinschaft ist der Verein nicht: Aktuell ist für die Vermarktung noch jeder Betrieb alleine verantwortlich. Die Mitglieder handeln einander aber zu und unterstützen sich gegenseitig mit Ware, um lieferfähig zu bleiben. „Wir sind gerade dabei, das weiter zu verbessern“, so Schudde.

Die Idee, umliegende Märkte direkt mit bio-regionaler Frische zu versorgen, ist laut den Betrieben schwer umsetzbar. „Vor zehn Jahren haben wir fünf, sechs Rewe-Filialen direkt beliefert“, erzählt Anton Naderer, Naturland-Gemüsebauer aus Oberbayern und Schatzmeister von Bio.Fru.Pro. Das habe damals aber absolut nicht funktioniert: Die Gemüseauslagen seien extrem schlecht gepflegt worden, der Kunde habe die Ware nicht gekauft und am Ende musste der Gemü- sebaubetrieb draufzahlen.

„Direktbelieferung macht heute kaum noch einer, es rentiert sich in der Regel logistisch nicht“, erklärt Schudde. Damit es Sinn ergibt, müsse man quasi selbst Großhändler spielen und mit vollem LKW Gastronomie und Märkte abfahren. „Wenn jeder Landwirt selbst in die Läden fährt, wäre die CO2-Bilanz ja auch immens“, fügt Naderer hinzu.

Der Trend zur Regionalität ist für Niessen auch kritisch zu betrachten. „Im konventionellen Bereich ist ‚regional‘ eine billige Ausrede für Nachhaltigkeit“, stellt er fest. „Wenn ich die Bienen in meiner eigenen Region durch Insektizide töte, ist das ja nicht nachhaltiger.“ In konventionellen Großstrukturen bedeute ein Regional-Label auch nicht viel höhere Kosten. Bei kleinen Erzeugern und Strukturen sei ein Label hingegen verzichtbar: „Die stehen selbst für Regionalität!“

Der Marktexperte plädiert für einen nüchternen Blick auf den Status Quo. „Der LEH hat seine Logistik so optimiert, dass es preislich unmöglich ist, Lücken zu füllen“, stellt er fest. Eine dezentralere Handelsstruktur könne sich in Deutschland momentan offensichtlich wirtschaftlich nicht durchsetzen. Kraftstoff sei günstig genug, um für den Bio-Einkauf in die Stadt zu fahren, die Versorgung vor Ort nicht zwingend erforderlich und unrentabel. „Große Strukturen funktionieren.“

Insgesamt beobachtet Niessen seit Corona, dass alternative Strukturen „hart geschliffen“ worden sind. Kleine Bio- und Unverpackt-Läden können sich nicht mehr halten und müssen schließen. Durch den Bio-Boom während der Pandemie sei die Erzeugung aufgestockt worden – mit der Folge, dass der Handel im Zuge der aktuellen Bio-Stagnation und Preissensibilität der Verbraucher „richtig schön die Preise drücken“ könne. Das Elend des zu großen Angebots, das konventionelle Lebensmittel-Hersteller schon seit Jahrzehnten kennen, sei jetzt auch im Bio-Bereich angekommen – mitsamt dem einhergehenden Preiswettbewerb.

In den Einzelhandel: mit den richtigen Partnern

Eine prinzipielle Scheu vor der Belieferung von Discountern haben die Mitglieder des Vereins nicht. „Für 100 Prozent Bio müssen wir erstmal dahin, wo die Leute sind – also rein in den Lidl“, meint Schudde.

Die neue Preissensibilität der Konsumenten seit der Inflation macht vielen Betrieben allerdings zu schaffen. „Unser Geschäft fällt und steht mit den Kunden“, erklärt Naderer. Und die wöllten momentan vor allem möglichst günstige Lebensmittel – nicht unbedingt bio-regional. Manche Bio-Supermärkte hätten jetzt wieder auf 100 Prozent Auslandsgemüse umgestellt, weil sie sonst bankrottgegangen wären.

Patrick Schwienheer schaut trotzdem optimistisch in die Zukunft. „Wir waren früher alle eher klein“, erzählt er. Sein eigener Betrieb, Paddy’s Biolandhof aus NRW, ist mit 0,6 Hektar gestartet und inzwischen bei einer Gewächshausfläche von drei Hektar angekommen. 90 Prozent der dort geernteten Ware geht jetzt an den Bio-Großhändler Weiling. „Der hat für uns genau die passende Größe.“ Zwar könne er spanische Tomaten nicht komplett auslisten – „dafür reicht die Produktion in Deutschland noch lange nicht aus – auch im Sommer nicht“, aber er versuche auch nicht, durch die Konkurrenz die Preise zu drücken und überlasse den Kunden die Entscheidung, welche Ware sie vorziehen: und das sei für viele am Ende immer noch die bio-regionale anstatt der spanischen zum halben Preis. „Es ist wirklich eine faire Partnerschaft auf Augenhöhe“, lobt der Landwirt.

Auch mit Lidl und Rewe kann man nach seiner Ansicht noch relativ gut ins Geschäft kommen. Ein Sorgenkind scheint demgegenüber die Edeka. „Kaum einer von uns verkauft noch an sie“, so Schwienheer. „Die setzen lieber auf Billig-Bio aus Spanien.“

Vernetzt zu mehr Sichtbarkeit

Mit den Fortschritten seit der Gründung ist der Verein zufrieden. Man habe schon mehr Sichtbarkeit  erreicht und die Marktkenntnis der Mitglieder habe sich verbessert – eine notwendige Voraussetzung, um auf Augenhöhe mit Einkäufern sprechen zu können.

In der Kommunikation mit dem Handel gehe es schrittweise voran. „Wir haben jetzt ein Gesprächsangebot zur Zukunft des Biofachhandels von denn’s bekommen“, berichtet Schudde. Zuvor seien die Fruchtgemüse-Produzenten von Fachhandelsvertretern wie dem Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) ignoriert worden. „Aber nun scheint sich was zu tun.“

Was den LEH angeht, so habe man über die Kooperationen der Anbauverbände bereits gute Kontakte. „Den Draht, den wir gerne hätten, haben wir allerdings noch nicht gefunden.“

Den eingeschlagenen Weg will Bio.Fru.Pro in Zukunft weiter gehen, das eigene Fachwissen erweitern, sich intern noch mehr vernetzen und gleichzeitig in die Kommunikation nach außen investieren – etwa auch über soziale Medien. Für die Aufnahme neuer Betriebe ist der Verein offen. Einzige Voraussetzung ist die Mitgliedschaft in einem Bio-Anbauverband.

Die gemeinsame Vermarktung ist für Niessen ein nächster möglicher Schritt. Dann könne man zum Beispiel auch mit Übermengen besser umgehen und Tomaten zu Passata einkochen, wie es die Genossenschaft der Insel Reichenau bereits praktiziert. „Wir sind noch nicht so weit, wie wir wollen, aber steter Tropfen höhlt den Stein…“

Lena Renner

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