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Warentests und Lebensmittelverschwendung

Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) zeigt den Zusammenhang

Warentests und Lebensmittelverschwendung © stock.adobe.com_Khaligo

Produkttests stoßen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern auf großes Interesse, liefern sie doch vermeintlich schnelle, glaubwürdige, unabhängige Informationen über Lebensmittel. Dies zeigt schon die Zahl an TV-Magazinen oder Abonnements entsprechender Social Media-Kanäle. Medial vermittelte Lebensmittelskandale und skandalisierende Überschriften zu Testergebnissen, die mit den tatsächlichen Ergebnissen häufig nicht erklärt werden können, fördern aber nicht Klarheit und Sicherheit. Sie führen zu einer Verunsicherung in Hinblick auf Lebensmittelsicherheit und -qualität. Eine Verunsicherung, die unnötig ist und die massiv zum Problem der Lebensmittelverschwendung beiträgt.

10,9 Millionen Tonnen Lebensmittel landen laut Statistischem Bundesamt jährlich auf dem Müll, davon 22 Prozent aus Verarbeitung und Handel und 59 Prozent aus privaten Haushalten. Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) und der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) benennen in einer gemeinsamen Mitteilung das Wertebewusstsein gegenüber Lebensmitteln als Stellschraube. Klar ist: Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich Orientierungshilfe für den täglichen Einkauf von Lebensmitteln, am besten aus vertrauenswürdiger Quelle. Ebenso geht es den Herstellerinnen und Herstellern von Lebensmitteln: Auch sie wünschen sich unabhängige, faire und objektive Tests. Aus Sicht von AöL und VGMS gibt es in der Testberichterstattung und Testdurchführung jedoch einige Haken, die zu einer Abwertung von sicheren und allen gesetzlichen Standards entsprechenden Lebensmittel führen. „So landen schlimmstenfalls einwandfreie Lebensmittel im Müll, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher sie fälschlicherweise als unsicher einschätzen“, so die beiden Verbände. Es besteht großes Potential für Weiterentwicklung. Um dieser im Sinne der Lebensmittelversorgung massiv schädlichen Entwicklung entgegenzutreten, besteht dringender Handlungsbedarf.

Wo hakt es und welche Lösungen schlagen wir vor?

  1. In der Regel entsprechen alle von Testredaktionen geprüften Lebensmittel den gesetzlichen Vorgaben. Sie sind sicher. Um ein Ranking zu erstellen, greifen viele Redaktionen auf eigene Bewertungskriterien zurück. Die sogenannten Sekundärstandards werden individuell festgelegt und liegen weit unter den gesetzlichen Vorgaben. Die gesetzliche Lage schafft bei Berücksichtigung des Vorsorge- prinzips ein hohes Maß an Sicherheit und bietet allen Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft einen transparenten und verlässlichen Rahmen für ihre Arbeit. Sekundärstandards stellen dieses etablierte und sichere Vorgehen in Frage. Zum Teil werden Sekundärstandards angelegt, die so absurd niedrig sind, dass sie gar nicht erfüllbar sind. All dies ist Verbraucherinnen und Verbrauchern häufig nicht klar.
    Daher: Die gesetzlich festgelegten Höchst- oder Richtwerte sollten herangezogen werden, um Lebensmittel zu beurteilen. Setzen die Testredaktionen weitere individuelle Bewertungsmaßstäbe an, müssen sie dies deutlich im redaktionellen Teil beschreiben. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten erfahren, auf welcher wissenschaftlichen Basis die Sekundärstandards entwickelt wurden, welche Abstufungen es gibt und wie diese zu interpretieren sind.
  2. Testergebnisse von Lebensmitteln in Warentests sind immer Momentaufnahmen, haben aber weitreichende Folgen. Die Untersuchung einer einzelnen Stichprobe entscheidet über die Note. Lebensmittel als Naturprodukte unterliegen aber unvermeidbaren natürlichen Schwankungen. Selbst innerhalb der gleichen Charge kann es zu unterschiedlichen Messergebnissen kommen. Wer aus dem Messergebnis einer einzelnen Stichprobe allgemeingültige Ableitungen macht, verkennt, wie komplex Lebensmittel sind.
    Daher: Für Testuntersuchungen sollten immer mehrere Chargen mit deutlich unterschiedlichem Produktionsdatum untersucht werden.     
    Ist dies nicht möglich, sollten Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informiert werden, dass das Testergebnis eine Momentaufnahme ist. Die Veröffentlichung der untersuchten Chargennummer und des Mindesthaltbarkeitsdatums könnte Lebensmittelverschwendung entschieden entgegentreten.
  3. Grundsätzlich sollten nur vergleichbare Produkte verglichen werden. Mögliche Gehalte an unerwünschten Stoffen lassen sich nur für sehr ähnliche Rezepturen vergleichen, was häufig unbeachtet bleibt. Daher: Es sollte Aufgabe und Pflicht der Verbrauchermagazine sein, ein passendes Set an zu untersuchenden Produkten zu ermitteln, so dass die Komplexität der Lebensmittelherstellung reduziert und mögliche Abweichungen des Kontaminantengehalts durch unterschiedliche Rezepturen oder Rohstoffe erklärt werden.  
  4. Subjektivität spielt vor allem bei Tests wie Blindverkostungen durch Laien und Straßenumfragen eine große Rolle. Solche Aktionen haben mit sensorischen Untersuchungen wenig zu tun. Auch Sensorik-Untersuchungen in Testmagazinen sind oft mit zu wenigen Testpersonen ausgestattet. Informationen zu deren fachlicher Eignung sind nur teilweise, meist gar nicht verfügbar.
    Daher: Werden sensorische Bewertungen im Testergebnis berücksichtigt, müssen sie von einem ausreichend großen, sensorisch geschulten Fachpublikum stammen. Nur eindeutige sensorische Fehlnoten sollten eine Auswirkung auf das Gesamtergebnis haben. Sollte eine fehlerhafte Sensorik bei Tests festgestellt werden, sind Nachprüfungen an weiteren Produkten notwendig.
  5. Oft werden Produkte, die alle gesetzlichen Vorgaben einhalten und sichere Lebensmittel sind, von den Testmagazinen als ‚mangelhaft‘ oder ‚ungenügend‘ bewertet, obwohl bestimmte Kontaminanten nur in Spuren gefunden werden.
    Daher: Die stark stofforientierten, auf Risiken fokussierten Betrachtungsweisen bergen das Risiko, die spezifischen Qualitäten einzelner Lebensmittel aus dem Blick zu verlieren. Eine Güterabwägung, die alle Auswirkungen und Faktoren der Lebensmittelqualität mit einbezieht, wäre zielführend.
  6. Für Laien ist es unmöglich, toxikologische Werte ohne Hintergrundwissen richtig einzuordnen. Die Testmagazine stehen somit in der Verantwortung, transparent aufzuklären. Denn was passiert mit Produkten, die in den Warentests schlecht abschneiden? Im schlimmsten Fall werden sie im Lebensmitteleinzelhandel ausgelistet oder von Verbraucherinnen und Verbrauchern entsorgt, weil sie diese, ohne eine Einordnung zu bekommen, als nicht sicher einstufen.
    Daher: Bei allen Tests muss deutlich herausgestellt werden, dass von Lebensmitteln, die alle gesetzlichen Vorgaben einhalten, keine Gesundheitsgefahr ausgeht und sie bedenkenlos verzehrt werden können.

Verantwortung statt Verunsicherung

Lebensmitteltests und -rankings tragen so, wie sie heute vielfach durchgeführt werden, zur Verunsicherung der Menschen und zu sinkendem Verbrauchervertrauen bei. Sie fördern Lebensmittelverschwendung. Die Testredaktionen sollten mehr Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln übernehmen. Dabei kann die Sicherheit von Lebensmitteln nicht zur Disposition stehen. Die Nutzung von willkürlich festgelegten Sekundärstandards und die Fixierung auf die Abwesenheit von jeglichen Fremdstoffen führen aber weit über das Ziel hinaus.

Anne Baumann, Lisa Mann

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