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Pestizide

Pestizidatlas 2022: Kein Weniger in Sicht

Neue Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft

Seit 1990 ist die Menge der weltweit eingesetzten Pestizide um 80 Prozent gestiegen, in Südamerika sogar um fast 150 Prozent. Das zeigt der Pestizidatlas, der heute in Berlin veröffentlicht wurde. Die Heinrich-Böll-Stiftung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), gemeinsame Herausgeber mit Le Monde Diplomatique, fordern von der neuen Bundesregierung, den Einsatz von Pestiziden konsequent zu reduzieren und den Export verbotener Pestizide zu unterbinden.

Auf 50 Seiten und in über 80 Grafiken liefern die 30 Autoren des Pestizidatlas‘ Fakten zur Entwicklung und den Konsequenzen des Pestizideinsatzes in Deutschland und weltweit. Gibt es in Europa für die letzten Jahrzehnte nur einen leichten Anstieg von drei Prozent zu verzeichnen, so zeigt sich global ein ganz anderes Bild: +143 Prozent in Südamerika, +86 Prozent in Ozeanien und +71 Prozent in Afrika. Besonders der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen, beispielsweise Soja als Futtermittel, habe in Ländern mit großer Artenvielfalt zu einer gravierenden Ausweitung des Einsatzes an Herbiziden geführt, so die Autoren. Auch in der Menge der ausgebrachten Pestizide gibt es deutliche Unterschiede: In Europa sind es unter zwei Kilogramm pro Hektar, in Asien über drei und in Südamerika sogar über fünf Kilogramm.

Biodiversitätsverlust und Vergiftungen

Der Einsatz von Pestiziden führt zu anhaltenden Belastungen von Mensch, Natur und Umwelt. An Luftmessstellen lassen sich Pestizide nachweisen, die bis zu 1.000 Kilometer weit entfernt ausgebracht wurden. Insbesondere Gewässer in der Nähe landwirtschaftlich genutzter Gebiete weisen hohe Pestizidbelastungen auf.

Eine fatale Wirkung hat der Einsatz von Pestiziden auf die biologische Vielfalt: Konventionell bewirtschaftete Äcker weisen nur drei Prozent der floristischen Artenvielfalt auf, die auf Äckern zu finden ist, die noch nie mit Pestiziden behandelt wurden. Auf biologisch bewirtschafteten Äckern liegt die Vielfalt mit 53 Prozent erheblich höher.

385 Millionen Menschen erkranken laut Atlas jährlich an Vergiftungen, weil sie mit Pestiziden in Kontakt gekommen sind. Besonders problematisch ist die Situation im globalen Süden, wo Arbeiter oftmals nicht ausreichend geschützt sind. Konservativen Berechnungen zufolge sei in Asien von jährlich rund 255 Millionen Vergiftungsunfällen auszugehen, in Afrika von 115 Millionen, in Lateinamerika von 12 Millionen und in Europa von rund 1,6 Millionen.

Verantwortung durch Export

In Deutschland werden zwischen 27.000 und 35.000 Tonnen Pestizidwirkstoffe pro Jahr verkauft. Dazu gehört Deutschland als Standort der Chemiekonzerne Bayer und BASF zu den wichtigsten Exporteuren von Pestiziden weltweit.

„Auch deutsche Firmen exportieren hochgefährliche Pestizide nach Afrika, Asien und Lateinamerika, die bei uns zum Schutze der Bevölkerung und der Umwelt verboten wurden“, kritisiert Doris Günther, Vorstand von PAN Germany. „Diesen unhaltbaren Zustand müssen die deutsche und europäische Politik beenden und konsequent den Export verbotener Pestizide gesetzlich untersagen.“

„Der Export von schädlichen, in Europa längst verbotenen Wirkstoffen und ihr Rückimport über belastete Lebens- und Futtermittel müssen enden“, erklären die Grünen-Abgeordneten Renate Künast und Karl Bär. Durch eine Flächenbindung der Tierhaltung reduziere Deutschland den Import von Futtermitteln, die wegen ihrer gentechnischen Veränderungen besonders stark gespritzt werden.

Jugend für Pestizidausstieg

Eine repräsentative Umfrage, die von der Universität Göttingen und Zühlsdorf & Partner für den Pestizidatlas durchgeführt wurde, zeigt der Bundesregierung einen klaren Handlungsauftrag der jüngeren Generationen. Mehr als 70 Prozent der befragten 16- bis 29-Jährigen fordern eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes in Deutschland. 63 Prozent befürworten sogar ein Pestizidverbot bis 2035, wenn die Bauern beim Umstieg auf eine umweltfreundliche Landwirtschaft unterstützt werden.

Den Pestizidatlas 2022 finden Sie hier zum kostenlosen Download.

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