Recht
Die neue EU-Bio-Verordnung: Solide Weiterentwicklung für Öko-Landwirte und Verbraucher

Über drei Jahre haben EU-Kommission, das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten über neue Regeln für den Ökolandbau und den boomenden Bio-Lebensmittel-Markt in Europa verhandelt. Insbesondere im Handel und bei den Erzeugerverbänden wurde darüber intensiv diskutiert. Im November hat der ausgehandelte Kompromiss die entscheidenden Hürden in Rat und EU-Parlament genommen. Endlich kommen Neuerungen, die die Bio-Erzeugung in Europa und die Verbraucherinteressen stärkt.
Die Öko-Verordnung wurde am 20. November 2017 mit qualifizierter Mehrheit im Sonderausschuss Landwirtschaft der Mitgliedstaaten angenommen und ebenfalls mit qualifizierter Mehrheit am 22. November 2017 im Agrarausschuss des EU-Parlaments.
Insgesamt stimmten sechs Staaten gegen die Verordnung, drei enthielten sich. Außer Österreich, Finnland und Deutschland hatten alle anderen nicht zustimmenden EU-Staaten Sonder-Pestizid–Grenzwerte gefordert. Auch im Agrarausschuss des EU-Parlaments forderten elf der 44 Abgeordneten, die sich enthielten oder gegen die Verordnung stimmten, solche Sonder-Grenzwerte. In der neuen Öko-Verordnung ändern sich aber einige Aspekte zum Teil viel stärker als bei den Pestiziden!
Wichtige Änderungen zur bestehenden Öko-Gesetzgebung
Importe: Die mehr als 60 regionalen Importstandards werden an den EU-Standard angeglichen, was den Wettbewerbsdruck auf die heimische Produktion voraussichtlich verringert. Aus- nahmen dürfen nur noch für Produkte und Substanzen genehmigt werden, zum Beispiel aus klimatischen Gründen für einen Zeitraum von 2 Jahren. Die Möglichkeit der Verlängerung der jeweiligen Ausnahmeregelung besteht.
Gruppenzertifizierung: Kleine Betriebe können sich nun zu einer Gruppe zusammenschließen, um Zertifizierungskosten zu sparen. Bisweilen gelten Gruppenzertifizierungen nur in Drittstaaten.
Bio-Logo: Das EU-Bio-Logo darf endlich auch bei Veranstaltungen als Werbemittel genutzt werden, bislang war eine solche Bewerbung nicht legal.
Kontrolle: Durchgesetzt hat das Parlament, dass die jährliche Kontrolle erhalten bleibt. Auch künftig hat jeder Betrieb das Recht auf diese Kontrolle. Betriebe können aber, wenn in den letzten drei Jahren keine Unregelmäßigkeiten/Verstöße vorgefunden wurden, das Kontrollintervall auf 24 Monate ausweiten. Wird ein Betrieb von der Kommission als ein so genannter Risikobetrieb charakterisiert, kann dem Betrieb die Ausnahme von der jährlichen Kontrolle untersagt bleiben.
Tierhaltung: Gebangt hatten einige tierhaltende Betriebe was den Einsatz von konventionellen Eiweißfutter anbelangt. Künftig ist der Einsatz von bis zu fünf Prozent Eiweißfuttermittel aus konventioneller Produktion für Junggeflügel und Ferkel weitere fünf Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung im Jahre 2021 erlaubt. Die Kommission wird 2026 einen Bericht zur Sachlage vorlegen und hat die Möglichkeit, die Ausnahmeregelung weiter zu verlängern.
Neue verbindliche Vorgaben wird es nun auch für Kaninchen und Damwild geben. Beim Thema Tierschutz gingen die Ansprüche zwischen den Staaten zum Teil erheblich auseinander. Klar ist, dass die neue Öko-VO einiges verbessert. Sind die Tierschutzstandards eines Mitgliedstaates strenger, gelten die strengeren Standards. Generell wird das Schwanzkupieren bei Schweinen oder das Entfernen der Augen bei Shrimps verboten. Durch Einzelfallentscheidungen darf das Enthornen generell nur unter Betäubung oder unter Anwendung von Schmerzmitteln vorgenommen werden.
Pflanzliche Erzeugung
Die bodengebundene Produktion gilt auch in Gewächshäusern. Eine Ausnahmeregelung für ausgestaltete Beete (ca. 18 ha) in Skandinavien bleibt noch zehn Jahre bestehen. Stecklingsaufzucht, sowie die Vermehrung von Blumen und Gewürzen darf aber auch zukünftig beim Verkauf an den Endverbraucher in Containern oder Töpfen vorgenommen werden.
Bei der pflanzlichen Erzeugung dürfen nun künftig auch heterogenes Material sowie alte Landsorten vermehrt und genutzt werden. Das ist ein großer Erfolg, denn die Implementierung in der EU ist sehr verschieden und in Österreich recht vorbildlich ausgelegt, in Frankreich ist der Anbau absolut schwierig. Die Rechtsgrundlage wird nun wesentlich verbessert.
Sondergrenzwerte für Pestizide
Obschon die Frage der Grenzwerte für Pestizide sehr hitzig diskutiert wurde, ist die Regelung durch die neue Verordnung nicht sehr verschieden von der jetzigen Gesetzeslage. Für Betriebe in Deutschland bedeutet die neue Verordnung konkret mehr Klarheit, was das Handeln beim Vorhandensein von Pestiziden in Bio-Erzeugnissen anbelangt.
Bio-Betriebe müssen, wie schon jetzt üblich, Vorsorgemaßnahmen, vor allem bei der Lagerung und dem Transport, einhalten. Anders als bei der gültigen Bioverordnung wird klarer als bisher formuliert, dass die zu ergreifenden Vorsorgemaßnahmen verhältnismäßig sein sollen und unter dem Kontrollbereich der Biobetriebe liegen.
Um den „europäischen Frieden“ zu wahren, dürfen Mitgliedstaaten - z.B. Italien auch in Zukunft von ihren Betrieben die Einhaltung von Sonder-Grenzwerten verlangen, die strenger sind als die gültigen Grenzwerte für Pestizide in Lebensmitteln.
Neu ist die Vorgabe, dass die Behörde oder Kontrollstelle im Verdachtsfall zeitnah zu handeln haben.
Betriebe müssen nur dann aktiv auf die Behörden zugehen, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt. Das gleiche gilt für das Vorgehen der Behörden und Kontrollstellen. Soweit der Gesetzgeber eines Staates entscheidet, dass keine Sonder- Grenzwerte für unautorisierte Stoffe gelten, haben unvermeidliche Kontaminationen keine Auswirkungen, wenn verhältnismäßige Maßnahmen ergriffen wurden.
Die Vereinheitlichung der Analysetechnik in der EU sowie ein Bericht der Kommission 2025 soll mehr Transparenz über die Gesamtsituation in Europa bringen.
Eine künftige Auseinandersetzung mit der Frage der Eindämmung von Pestizidrückständen ist wichtig, um das Vertrauen der Verbraucher auch in Zukunft zu behalten. Ob die Kommission noch einmal einen Vorstoß zum Einführen von Grenzwerten wagt, steht auf einem anderen Blatt. Dass die Kommission auf die schon bestehenden Sonder-Grenzwerte des Handels verweisen kann ist ein Fakt. Sicherlich sollten sich der Sektor sowie die Fach-Politiker und Experten der Behörden weiter intensiv mit der Problematik beschäftigen und Minimierungsstrategien erarbeiten, auch im Sinne der Wahrung des Verbrauchervertrauens.
Martin Häusling