Start / Ausgaben / bioPress 93 - Oktober 2017 / Editorial Ausgabe 93/Oktober 2017, 4. Quartal

Editorial

Editorial Ausgabe 93/Oktober 2017, 4. Quartal

Liebe Leserin, lieber Leser!

Wer kann die Welt retten? Die Agrochemie oder der Ökolandbau? Während sich die Mächtigen der Agrochemie immer wieder neue Strategien ausdenken und die Lebensmittel-Manager die neuesten Trends kreieren, mit denen sie die Vorzüge von Bio-Lebensmitteln nachahmen und dabei konterkarieren, festigen sich revolutionäre Ansichten.

Nach der UNO und einigen progressiven Landwirtschaftsministerien erkennt jetzt auch der Entwicklungshilfeminister und ehemalige Staatssekretär im Landwirtschaftministerium Dr. Gerd Müller die ökologische und sozial orientierte Landwirtschaft als Schlüssel zur Bekämpfung von globalen Umweltproblemen, Hunger und Armut, wie er sich bei der Verleihung des One World Award beim Lebensmittelhersteller Rapunzel bekannt hat.
Die Dynamik erfasst jetzt also auch die Entwicklungshilfe. Die Situation der Kleinbauern soll mithilfe der Ökolandwirtschaft verbessert werden. Ein guter Weg, wenn er nicht nur als Planspiel endet. Wer noch Zweifel hat oder glaubt, seine alte Machtbasis aufrecht erhalten zu können, endet in Kraftlosigkeit. Wer zu spät kommt...

Erstaunte Menschen fragen sich angesichts des Politwahlkampfes, warum denn keiner die verheerenden Zustände rund um die Ernährungswirtschaft aufgreift. Rente, Mobilität, Daten-Autobahnen, Angst vor Arbeitslosigkeit und Pflege scheinen wichtiger und kursieren durch die Politarenen. Wo bleiben die Reaktionen auf die allenthalben wiederkehrenden Lebensmittelskandale und die heiß gefährlichen Vergiftungen von Lebensmitteln und Umwelt?
Und warum greift denn nur eine winzige kleine Partei das zentrale Problem rund um die Gesundheit von heute, hier und jetzt auf?
Ist es die pure Angst vor der Machtlosigkeit, die geradezu lähmt? Will keiner etwas wissen von den Antibiotika und anderen Pharmaerzeugnissen in der Umwelt, die unser Leben weit mehr bedrohen, als die Abgase, die zehntausende Menschen krank machen?
Es ist so einfach zu sagen: Schaut her, uns geht es doch gut. Wir werden immer älter.

Ein Märchenzustand, an dem riesige Gewinne hängen. Mit gefälschten Lebensmitteln werden Vermögen aufgetürmt. Wer diese Spielchen stört, steht schnell im Abseits.Und wer will denn schon Methusalem werden? Das sei doch nur Dahindämmern!

Es stimmt, das Altsein macht nur wenigen wirklich Spaß. Die meisten hängen an den Rezeptblöcken der Weißkittel, die mit immer neuen Nuancen von Diagnosen die Märkte der Pharmaindustrie erweitern. Alt werden geht anders!

Der Strom der Zeit dreht sich verstärkt um Esskultur, um das Bewusstsein über die Zusammenhänge, schon bei den ganz Jungen. Es entwickeln sich neue, zeitgemäße Ansprüche. Nicht immer mehr, sofort hier und jetzt. Vielmehr gut überlegt, mehr Qualität ist gefragt.

Da kursieren Gedanken über die Nachhaltigkeit und Vielfalt, Nutzen und Wertigkeit, Selbstbestimmung und Zukunft, Entwicklung und Wohlbefinden. Nicht mehr nur leben oder überleben, arbeiten und Geld scheffeln oder wenigstens für die Rente vorsorgen! Außerhalb dieses Korsetts gibt es weit mehr. Es werden die Fragen gestellt nach: Was erhält mich gesund, was macht mich kreativ, woher kommt meine Energie und Kraft, meine eigene Dynamik? Und die wichtigste Frage: Was ist die Wahrheit?

Da wird die Luft dünn. Natur? Ja klar, sie ist wahrhaftig. Und wird dennoch mit Füßen getreten! Ernährung? Ja, sie zeigt, du bist was du isst. Bildung? Ein wenig, sie kann weiterhelfen. Arbeit - Nichtstun? Wer die Wahl hat...
Am Anfang, also gleich nach dem Paradies - das war wohl die Zeit der Jäger und Sammler -, kamen die Bauern. Dann die Kaufleute, also jene, die sich der Verteilung annahmen. Und wer war und ist dabei erfolgreich? Der Bauer, der mit der Natur ist. Ihm gehört das Füllhorn. Der Kaufmann, der am besten verteilt. Von ihm erwarten die bewussten und zahlungskräftigen Kunden heute, dass er ihnen gesunde, ernergiegeladene Lebensmittel anbietet.

Was denn sonst?! Es geht also nicht um die Optimierung seines eigenen Geldbeutels. Der soll nicht zu kurz kommen. Vielmehr bedarf es eines kenntnisreichen Einfühlungsvermögens. Weit mehr als die Kenntnis von Schnelldrehern oder die Zahlen von gestern als Prognosen für morgen.
Zentralen mit Filialen basieren auf billiger Masse. Was fehlt ist Orientierung auf Qualität, Lokalität, Regionalität, Lebensnähe und Flexibilität. Selbstständige Kaufleute können mehr! Das zeigen ihre Ergebnisse. Sie können das Verlangen nach Gesundheit, Kraft und Energie im Essen bedienen. Sie können über die Masse hinaus denken und mit der Bio-Nachfrage die Welt ein Stück anders, sie besser machen.

Erich Margrander
Herausgeber

[ Artikel drucken ]


Das könnte Sie auch interessieren