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Gebündelte Kompetenz für Lebensmittelqualität

AöL gibt umweltorientierten Herstellern eine politische Stimme

93 Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft sind der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) mit Sitz im fränkischen Bad Brückenau angeschlossen. Mit ihren 2,7 Milliarden Euro Umsatz repräsentiert sie ein Drittel des deutschen Bio-Marktes. Seit 2003 ist Dr. Alexander Beck geschäftsführender Vorstand der AöL. Ihr Ziel: Die politischen Interessen ihrer Mitglieder in Deutschland und Europa zu bündeln und den Austausch untereinander zu fördern.

„Wir sind ein klassischer Fachverband für Hersteller“, sagt Beck. Die AöL verstehe sich als Arbeitsgemeinschaft. „Wir wollen einen offen Raum für Zusammenarbeit und Meinungsbildung bieten, ohne den Unternehmen Vorgaben zu machen. Hersteller tauschen sich über ihre Anliegen aus, sprechen zum Beispiel über ihre Erfahrungen mit Kooperationspartnern oder darüber, welche Signale an landwirtschaftliche Partner gesendet werden müssen.“

Die AöL bildet sich aus Unternehmen, die Bio-Lebensmittel mit einem gesamtbetrieblichen Umweltanspruch herstellen. Um aufgenommen zu werden, müsse ein Lebensmittelhersteller insgesamt ökologisch orientiert sein. Bio-, umwelt- und nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen gehören für Beck zusammen. „Die Mitglieder sollen in dem gestärkt werden, was sie verbindet und voneinander lernen, ohne Konkurrenzdenken.“ Dazu zähle zum Beispiel auch ein gemeinsames Nachdenken über Markenstrategien für die unterschiedlichen Unternehmen.

Meinungsaustausch als Grundlage politischen Handelns

„Wir bieten den Herstellern eine Plattform, auf der sie themenspezifisch diskutieren können. Etwa in verschiedenen Arbeitskreisen und Diskussionsrunden. Zudem greifen wir gesamtgesellschaftliche Fragestellungen auf, unter anderem zur Geldpolitik oder Entwicklung der Unternehmen“, erklärt er.

Die Kernelemente würden dann in Arbeitsaufträge umgewandelt. Als Mitglied in nationalen und internationalen Dachorganisationen der ökologischen Ernährungswirtschaft werde eine Vertretung der Mitgliederinteressen auf internationaler Ebene gewährleistet.

Partner der AöL sind der Bund der ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), die International federation of organic agriculture movements (IFOAM EU Group), die European Technology Platform for Organic Food and Farming (TP Organics) und der Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI).

Seit ihrer Gründung macht sich die AöL stark für die Weiterentwicklung des europäischen Rechts, insbesondere des Bio-Rechts, unter Qualitäts-, Transparenz- und Umweltgesichtspunkten. Darüber hinaus will sie auch das Wertebewusstsein und die Prozessqualität für Bio-Lebensmittel fördern.

Qualitätsfrage als Existenzfrage

„Die Qualitätsfrage ist eine Existenzfrage. Wir müssen die Bio-Rohware zu einem qualitativ hochwertigen Produkt verarbeiten, das sich vom Konventionellen abhebt“, sagt Beck. Denn die Mainstream-Industrie minimiere und standardisiere Rohstoffkosten und entkopple die Rohwarenqualität durch sogenanntes Food Design vollständig vom Endprodukt.

Sie verfolge den Ansatz, dass die Natur im Grunde etwas Feindliches sei. Durch den Einsatz zusätzlicher Inhaltsstoffe sollten ihre Produkte optimiert werden und sich positiv auf die individuelle Gesundheit auswirken.
„Das ist nach wie vor Mainstream in der konventionellen Food-Industrie, aber auch in der Ernährungswissenschaft und Lebensmitteltechnologie, obwohl die Verbraucher in den letzten Jahrzehnten gezeigt haben, dass sie ökologische Lebensmittel bevorzugen und als innovativ verstehen“, sagt Beck.

Identität der Marken

Ein weiteres Problem sei der Identitätsverlust eines Produkts durch die steigende Produktion von Fremdmarken. Verarbeitung und Vertrieb würden immer häufiger voneinander getrennt und stellten zunehmend zwei verschiedene Aufgaben unterschiedlicher Akteure dar.

Beck: „Ein mittelständisches Unternehmen, das seine eigene Marke am Markt platziert, also seine Identität transportiert, hat es schwer. Denn wir haben es immer öfter mit Markenzauber zu tun, ohne systematischen Zusammenhang zur Verarbeiter- und Erzeugerkompetenz.

Es geht nur noch um ein definiertes Produkt, das immer gleich ist. Angaben zum Hersteller – das Identitätsprägende – sucht man vergeblich. Mehr Transparenz hinsichtlich der Herkunft ist notwendig, um Vertrauen herzustellen.“

Die wichtigste Aufgabe eines Lebensmittelherstellers sei die eines Übersetzers, weil er zwischen Landwirtschaft und Handel stehe. Er müsse ein Produkt genuss- und marktfähig machen, die richtigen Rohwaren einkaufen und dem Handel erklären, wofür sein Produkt steht und warum es die Kunden begeistern wird. „Neumarkter Lammsbräu und wenigen anderen gelingt das im Fachhandel. Im LEH kann das nur Hipp. Die Marke steht für Verlässlichkeit und Bio-Qualität und findet sich überall im Regal.“

Wertebewusstsein

Zuversichtlich stimmen Beck der Trend zur Genügsamkeit und ein neues Wertebewusstsein in der Gesellschaft. Immer mehr junge Leute verzichteten auf eigene Autos, betrieben Urban Gardening und beschäftigten sich mit gesunder Ernährung. „Wenn sich unsere Gesellschaft auf das Wesentliche beschränkt und der Konsumschlacht entsagt, werden die tatsächlich primären Dinge wie Essen wieder in Wert gesetzt. Das ist für unsere Branche eine gute Botschaft.“

Entscheidend für den Bio-Markt sei es, den Anschluss zu diesen „neuen, hoffnungsstiftenden Bewegungen“ zu finden. Beck: „Offenheit zu zeigen und nicht zu erstarren ist eine der ganz großen Herausforderungen der Bio-Branche. Um von vier auf 100 Prozent Bio zu kommen, brauchen wir eine Transformation und keinen Verdrängungswettbewerb.“

Ein neues Wertebewusstsein führe auch zu der Chance, dass Branchen neu entstehen. Mittlerweile gebe es zum Beispiel wieder tausende handwerkliche Milch-Verarbeiter. Auch die Zahl der Kleinbrauereien steige. Die durch sie entstehende Identität und Transparenz könnten und wollten die großen Player im Markt nicht bieten.

Sina Hindersmann

Die Anfänge der AöL

1993 gründeten Claus Hipp (Hipp), Ludwig Stocker (Hofpfisterei) und Dr. Franz Ehrnsperger (Neumarkter Lammsbräu) die ‚Arbeitsgemeinschaft ökologischer Lebensmittel-Hersteller‘. In den folgenden Jahren erweiterte sich der Freundeskreis um die Unternehmen Salus, Meyermühle, Tegut, Andechser Molkerei und Hermannsdorfer Landwerkstätten.

Gemeinsam bildeten sie eine Kerngruppe umweltorientierter Unternehmen. Der Verein ‚Assoziation ökologischer Lebensmittel-Hersteller‘ wurde 2002 ins Leben gerufen. Im selben Jahr gründete die AöL mit anderen Verbänden den BÖLW. Da die Zahl der AöL-Mitglieder bereits am Anfang dynamisch weiter stieg, wurde 2003 eine Geschäftsstelle eingerichtet.

Die Arbeitskreise der AöL

Um die Kompetenz ihrer Mitglieder für die Gemeinschaft verfügbar zu machen, werden in der AöL aktuell acht verschiedene Arbeitskreise (AK) bearbeitet. Beck und seine Mitarbeiter koordinieren die Ausschüsse und moderieren den Prozess.

Im AK Nachhaltigkeit tauschen sich die Nachhaltigkeitsbeauftragten über betrieblichen Umweltschutz und Arbeitssicherheit, Biodiversität, Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagementsysteme sowie Erfahrungen mit Gemeinwohlbilanzen aus.

Der AK Recht und Richtlinien diskutiert über Gesetzesentwürfe zur Verarbeitung ökologischer Lebensmittel und entwirft Stellungnahmen. Der

AK Rohstoffsicherung beschäftigt sich zum Beispiel mit der Sicherheit in der Beschaffung, Rohstoffqualität und Gentechnik, während sich der

AK Markt und Verbraucher mit Verbraucherzentralen austauscht und Kommunikationsthemen in den Fokus rückt.

Der AK Fleischer beschäftigt sich mit der Verarbeitungsqualität und Fleischmarktentwicklung. Der AK Brot/Backwaren und Getreideerzeugnisse diskutiert über Brotqualität, Verarbeitung, Technologie und Ernährung.

Beim AK Qualität und Verarbeitung stehen Ernährung und das Verständnis von Qualität im Vordergrund.

Neu hinzugekommen ist im April der AK Junge AöL, in dem sich Mitglieder unter 40 Jahren über Visionen und Zukunftsstrategien, Öffentlichkeitsarbeit und neue Chancen im Social Web austauschen.
 

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