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Bier

Natürlich reines Bio-Bier

Das deutsche Bier-Reinheitsgebot schließt Hilfs- und Zusatzstoffe nicht aus!

Ein weit verbreiteter Mythos ist, dass Bier auf Grund des Reinheitsgebots von sich aus ein Naturprodukt ohne Zusätze ist. Betrachtet man die allgemeine traditionelle Herstellung, mag das auch stimmen. Doch im Zeitalter der Pestizide und gewinnorientierter Landwirtschaft kann man davon bei der konventionellen Bierherstellung nicht mehr sprechen. Die Bio-Brauer müssen ohne Pestizide, Hilfs- und Zusatzstoffe auskommen. Das Angebot an Biobieren ist trotz der erschwerten Bedingungen vielfältig . Viele kleine Hersteller beleben den Markt mit ausgefallenen Biersorten.

Die riesigen Mengen konventioneller Biere werden länger haltbar gemacht mit Hilfsstoffen, die neben Hopfen, Malz und Wasser verwendet werden. Aber es fängt schon auf dem Feld an. Konventioneller Hopfen gedeiht in der Monokultur. Dabei wird der Pestizideinsatz nur noch beim Baumwollanbau übertroffen. Damit der Hopfen nicht zu schnell verdirbt, wird er mit Schwefel versetzt.

Erlaubt ist in der konventionellen Branche auch das Verwenden von Hopfenextrakt. Der wird mithilfe von chemischen Lösemitteln aus dem Hopfen gewonnen. Bio-Brauereien hingegen dürfen nur ungeschwefelten Bio-Hopfen verwenden, in Form von Pulvern, Pellets oder als Naturhopfendolden wie es Neumarkter Lammsbräu für seine Biersorten verwendet.

Außerdem sind bei den Konventionellen Lagerschutzmittel für Gerste erlaubt. Bei Bio darf nur ein Hilfsstoff eingesetzt werden.Dabei handelt es sich um das traditionelle Verfahren der Enthärtung des Wassers mit Kalkmilch.

Alkoholfrei aber wie?

Immer beliebter wird alkoholfreies Bier. Längst ist die Zielgruppe nicht mehr nur der Autofahrer. Auch aufgeklärte Konsumenten und Sportler wollen auf den gesundheitlichen Mehrwert von Bier nicht verzichten.

Nach dem Sport kann ein isotonisches Bier den Wasser- und Mineralstoffverlust im Körper ausgleichen. Außerdem füllt es die Glukosespeicher wieder auf und liefert Magnesium, Kalium und Vitamine der Gruppe B.

Die Herausforderung für den Brauer ist, dass es ihm gelingen muss, trotz Unterbinden der Bildung oder Entziehen des Alkohols, ein vollmundiges alkoholfreies Bier herzustellen. Damit das gelingt, hat jede Brauerei ihr ganz spezielles Verfahren.

Allgemein lässt sich zwischen zwei Verfahren unterscheiden: das Entziehen von Alkohol nach der normalen Bierherstellung oder das frühzeitige Stoppen der Bildung von Alkohol.

Das Letztere wird erzielt durch das Stoppen der Gärung. Bei diesem Verfahren wird das Bier bei niedrigeren Temperaturen mit Hefe versetzt. Dadurch wird der Gärungsprozess verlangsamt. Bei Erreichen des Grenzwertes von 0,5 Volumenprozenten Alkohol wird die Gärung durch einen Kälteschock abgebrochen.

Damit das alkoholfreie Bier keinen Brotgeschmack erhält, muss die Konzentration der Stammwürze niedrig gehalten werden. Bei der normalen Gärungszeit würde die Hefe die Würzecarbonyle, die für den Brotgeschmack verantwortlich sind, in Alkohol umwandeln.

Neumarkter Lammsbräu und die Brauerei Liebharts stellen auf diese Weise seine alkoholfreien Biere her. Auch die Brauerei Pinkus nutzt das Verfahren für ihr alkoholfreies Weizen.

Neben der gestoppten Gärung ist das Verfahren der Vakuumrektifikation eins der meistgenutzten. Hierbei wird das Bier in mehreren Schritten entalkoholisiert.

Zur Erhaltung der Aromastoffe wird das Kohlenstoffdioxid aus dem Bier extrahiert und später mit entgastem Wasser gereinigt. So gehen die Aromastoffe in das Wasser über.

Nach der Entgasung erfolgt eine Erwärmung auf die nötige Temperatur. Danach fließt das Bier in der Kolonne nach unten entgegen aufsteigendem Dampf. Dadurch verdampft der Alkohol der sich konzentriert und später wieder in den flüssigen Aggregatzustand überführt werden kann.

Nach diesem Vorgang wird das Bier heruntergekühlt und mit dem aromatisierten Wasser versetzt. Mit diesem Prozess wird der größte Teil der Aromastoffe bewahrt.

Die Verfahren werden auch miteinander kombiniert und an die spezifischen Brauereien und Biersorten angepasst, damit ein alkoholfreies Bier mit vollem Geschmack entsteht.

Ausgefallene Sorten bieten Vielfalt

Biermischgetränke sind im konventionellen Bereich schon lange ein Renner, gerade bei Jugendlichen. Mittlerweile kommen auch immer mehr Bio-Hersteller mit Biermischungen auf den Markt. Zielgruppe ist hier der bewusste Genießer.

Vorwiegend vertreten ist das Radler. Dabei wird das Bier mit Zitronenlimonade gemischt. Die Zitrone wird zugegeben als Konzentrat, Aro-ma oder Saft. Ein Radler mit Bio-Zitronensaft stellt Nixe Deutschland aus Hamburg her.

Das Verhältnis von Limonade und Bier variiert von Hersteller zu Hersteller. Mit 50 Prozent Bier und Limonade aus Zitronenaroma stellt die Brauerei Franz Xaver Glossner sein Bier her.

Eine außergewöhnliche Mischung bietet Rother Bräu mit seinem Öko Bier und Apfel an. Dieses besteht zu 65 Prozent aus Bier und 35 Prozent Apfelsaft aus der Rhön.

Bio-Brauer sind innovativ...

Bio-Biere bieten einen Markt für Spezialitäten. Neben den üblichen Sorten Pils, Weizen und Weißbier werden auch Imperial Stout, Indian Pale Ale bis hin zu glutenfreien Kreationen angeboten.

Das Imperial Stout wurde im 18. Jahrhundert in England für die russische Zarin Katharina die Große kreiert. Zur Herstellung verwendet man einen hohen Anteil an Röstmalzen, wodurch die schwarze Farbe, die Kaffee- und Schokoladennote entstehen. Durch eine Reifungszeit bis zu drei Monaten weist ein Imperial Stout einen Alkoholgehalt auf von sieben bis zehn Volumenprozent.

Die Brauerei Gusswerk aus Österreich stellt ein Imperial Stout unter dem Namen Schwarze Kuh her, der angelehnt ist an die Pinzgauer Bio-Rinder, die den Treber gefüttert bekommen.

Eine weitere Erfindung aus England ist das India Pale Ale (IPA). Entwickelt wurde es, um die Überfahrten nach Indien zu den britischen Kolonien zu überstehen. Gewährleistet wird die längere Haltbarkeit durch einen höheren Alkoholgehalt und durch die Verwendung von viel Hopfen. Dadurch entsteht eine stärkere Hopfennote im Geschmack.

Aufgegriffen hat die Brauerei Riedenburger diese Biersorte mit ihrem Dolden Sud IPA und ihrer neuesten Kreation Dolden Dark. Las Coronas bietet ein Bier im Stil des britischen Pale Ale an, versetzt mit Aloe Vera.

...und glutenfrei

Immer wichtiger bei Bier ist die Sparte der glutenfreien Sorten. Bei der Herstellung können zwei Wege eingeschlagen werden: 1. die Verwendung von glutenfreien Rohstoffen und 2. das Entziehen des Glutens nach der Herstellung.

Bei der Verwendung von Buchweizen ist das Bier zu 100 Prozent glutenfrei. Buchweizen fällt nicht unter die Getreidesorten, sondern gehört zu den Knöterichgewächsen, weist aber ähnliche Eigenschaften auf. Mit seinen Bestandteilen Rutin und den Aminosäuren Lysin und Tryptophan gilt es als Heil- und Arzneipflanze.

Ein weiterer möglicher Rohstoff ist die Hirse. Diese nutzt die Brauerei Riedenburger und Schnitzer Bräu. Letztere bietet neben dem normalen Hirse-Bier auch ein Hirse-Radler an.

Mit dem Residenz Bio-Ingwer hat die Privatbrauerei Liebharts ein glutenfreies fermentiertes Ingwergetränk hergestellt unter dem Einsatz von Hopfen und Bierhefe. Außerdem bietet die Brauerei ein helles und ein dunkles Reis-Bier an.

Das Verwenden von alternativen Rohstoffen kann einen ungewöhnlichen Geschmack hervorrufen, der beim nachträglichen Entfernen des Glutens verhindert wird.

Anwendung findet diese Methode bei der Brauerei Neumarkter Lammsbräu. Mit ihr werden ein alkoholhaltiges und ein alkoholfreies Bier ohne Gluten hergestellt.

Hersteller Mongozo nutzt ebenfalls dieses Verfahren für sein Premium Pils glutenfrei. Er bietet auch ein Weißbier glutenfrei an.

Neue Kreationen sind die Zukunft

„Bio-Biere sind nach wie vor eine kleine Nische im Biermarkt. Wir erwarten, dass der Markt für Biobiere in den nächsten Jahren kontinuierlich wachsen wird und auch konventionelle Getränkemärkte und Lebensmitteleinzelhändler Bio-Biere in ihr Sortiment aufnehmen werden. In diesem Zuge wird auch das Angebot an Bio-Bieren wachsen und weitere Marken sich  im Markt etablieren“, erklärt Gottfried Härle, Geschäftsführer der Brauerei Clemens Härle.

Der Markt in Deutschland für Bio-Bier hat großes Potenzial zum Wachsen. Immer mehr Kunden trinken Bio-Bier für einen gesunden Genuss. Gerade Spezialitäten und ein ausgefallener und vollmundiger Geschmack werden von den Bio-Konsumenten gefordert und von den Bio-Herstellern angeboten.

Neben den großen Herstellern wie Neumarkter Lammsbräu oder Störtebeker kommen immer mehr kleinere Brauereien auf den Markt mit Spezialitäten. Auch regionale Bierbrauer erweitern heute gerne ihr Sortiment durch ein Bioangebot, das die Supermarkt-Regale bereichert. Die Zukunft des Biermarktes liegt in der Vielfältigkeit der Geschmacksrichtungen

Leonie Sommer

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