Studium
Fit für die Ökobranche
Bachelor-Studiengang "Ökolandbau und Vermarktung"
Mit dem Bachelor-Studiengang "Ökolandbau und Vermarktung" bietet die Fachhochschule Eberswalde ein bundesweit einmaliges Ausbildungskonzept an. Aus der innovativen Nachwuchs-Schmiede für die Ökobranche haben inzwischen die ersten Absolventen den Sprung ins Berufsleben geschafft: Ein Studienmodell im Praxistest.
"Die Arbeit auf dem Ökohof ist für uns ideal, da wir hier als Familie zusammenleben und arbeiten können", sagt Mareike Haas. Die 28-Jährige ist seit Anfang des Jahres auf Gut Ogrosen als Käserin angestellt. Auf dem Biobetrieb in der Niederlausitz hat das Berliner Großstadtkind mit zweijähriger Tochter und Ehemann, einem selbstständigen Holztechniker, eine neue Heimat gefunden. Die ökologische Höfegemeinschaft auf dem Areal eines alten Guthofes besteht aus insgesamt vier selbstständigen landwirtschaftlichen Unternehmen. Neben dem Milchviehbetrieb mit 100 Milchkühen der Familie Lütke-Schwienhorst, in dem Mareike für die Käseproduktion verantwortlich ist, gehören noch ein Milchschafhof, ein Gemüsebaubetrieb sowie ein Ziegenhof zur Öko-Gemeinde.
Der Hof von Heiner und Toni Lütke-Schwienhorst war einer der ersten Biobetriebe in Brandenburg. Nach der Wende konnte man deren Zahl noch an den zehn Fingern abzählen. Mittlerweile sind es rund 800 Betriebe, die überwiegend den Großraum Berlin beliefern. Die Biobranche sichert in dem strukturschwachen Bundesland heute mehr als 6000 Arbeitsplätze.
Für Käserin Mareike ist Ogrosen ein "ganz besonders Dorf", da sich hier Landwirtschaft, Tourismus und Kunst verbinden. Mit den Ferienwohnungen, Ateliers, Künstlerworkshops und dem Hofladen präsentiert sich das Gut als lohnendes Ausflugsziel. Mareike
gehört zur ersten Generation der Bachelor-Ökolandwirte aus Eberswalde. Die junge Mutter hatte den besonderen Ökohof bereits für ihre Praxisphase im vierten Semester ausgesucht und konnte direkt nach ihrem Abschluss dort anfangen. Ihr heutiger Aufgabenbereich umfasst neben der Käseherstellung auch die Kostenkalkulation, die Produktentwicklung sowie das Marketing für die Hofkäserei.
"Der praxisnahe Ansatz der Fachhochschule hat meinen Weg in die Landwirtschaft gut vorbereitet. Das anwendungsorientierte Ausbildungkonzept ist eben etwas anders, als aus einen Buch rezitiert zu bekommen", erklärt Mareike. Besonders die Vorträge der gestandenen Praktiker haben bei ihr einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und bei der Verwirklichung des Lebenskonzeptes Ökohof geholfen.
30 bis 40 Käselaibe stellt die Ökolandwirtin derzeit in ihrer 30-Stunden-Woche auf Gut Ogrosen her. Die ehemalige "Stadtpflanze" aus Berlin-Charlottenburg fühlt sich wohl in ihrem ländlichen Aufgabenbereich und sieht noch reichlich Potenzial für zukünftige Marketingansätze. Parallel zu ihrem Beruf will sie sich zudem ab Herbst als landwirtschaftlich ökologische Milchverarbeiterin weiterqualifizieren.
Mit dem Wechsel vom badischen Land in die Großstadt Berlin hat Julia Dollinger genau den umgekehrten Weg gewählt. Das Leben in der Metropole bescherte der 27-Jährigen jedoch die Erkenntnis, dass sie der Landwirtschaft mehr verbunden ist, als sie dachte. "Der neue Studiengang in Eberswalde war für mich daher optimal. Ich konnte meinen Lebensmittelpunkt in der Stadt belassen und mich gleichzeitig intensiv mit dem Thema Landwirtschaft beschäftigen", erklärt Julia. Ihre geheime Leidenschaft gilt den Milchkühen. So konnte sie bereits während ihres Praxissemesters in der Schweiz bei einem Projekt zur Milchviehherdenbetreuung mitarbeiten. Als später die Gläserne Meierei der Fachhochschule eine Studie zur Eutergesundheit von Milchviehbetrieben vorschlug, knüpfte sie über die Studienarbeit den ersten Kontakt zu ihrem heutigen Arbeitgeber.
Mit 32 Mitarbeitern setzte die Gläserne Meierei im vergangenen Jahr rund 67 Millionen Euro um und befindet sich weiter auf Wachstumskurs. So wurde im April vor den Toren Berlins der Grundstein für den Bau einer "gläsernen" Biomolkerei in Münchhofe gelegt. In den Neubau mit transparentem Besuchergang, Hofladen und Besuchergarten werden insgesamt sechs Millionen Euro investiert.
Seit März ist Julia bei der Gläsernen Meierei für die Betreuung der rund 90 Biomilchlieferanten aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zuständig. Sie organisiert Fachseminare zur Fütterung der Milchkühe und Homöopathie und kümmert sich insbesondere um die Betriebe, die für den strengen US-amerikanischen Biostandard (NOP) produzieren. Mit dem NOP-Milchpulver beliefert die Meierei weiterverarbeitende Industriekunden in Deutschland und Europa, die daraus beispielsweise Schokolade für den Export in die USA herstellen. Für die NOP-Milch müssen die Landwirte auf den Einsatz von Antibiotika zur Behandlung von Euterentzündungen vollständig verzichten. Daher spielen prophylaktische Maßnahmen für die Eutergesundheit der Tiere eine wichtige Rolle in der Beratung.
"Das Studium in Eberswald war sehr hilfreich für meine berufliche Entscheidungsfindung", zieht Julia Bilanz. "Man erhält einfach einen sehr guten Einblick in den Unternehmensalltag und kann direkte Kontakte zur Ökobranche aufbauen. Gleichzeitig wird in diesem Studiengang sehr großen Wert auf die Vermittlung von Zusammenhängen gelegt. Die Lerninhalte fügen sich in der Praxis dann wie ein Puzzle zusammen."
Mit dem besonderen Studienaufbau genießt die Fachhochschule Eberswalde eine Alleinstellung im Markt. "Im Gegensatz zum herkömmlichen Landwirtschaftsstudium hören wir nicht bei der Produktion auf, sondern schließen die Weiterverarbeitung und die Vermarktung der Ökoprodukte mit ein" erläutert Prof. Dr. Anna Maria Häring den Studiengang, der speziell auf die Anforderungen von größeren Betriebseinheiten ausgerichtet wurde. "Der Bachelor für Ökolandbau und Vermarktung ist somit Landwirt, Ökologe, Geschäftsmann und Marketingexperte in einer Person", so Häring. Von der ersten Generation der Bachelor-Absolventen hat sich rund ein Drittel für die Weiterqualifizierung als Master entschieden. Ein weiteres Drittel befindet sich noch in der Orientierungsphase und sammelt beispielsweise Erfahrungen im Ausland. Das restliche Drittel hat bereits den Weg in die Ökobranche gefunden.
Neben landwirtschaftlichen Betrieben und Verarbeitungsunternehmen bietet auch der Biohandel gute Einstiegsmöglichkeiten für die Absolventen. Das Handelssegment befindet sich seit Jahren auf einem kontinuierlichen Wachstumskurs und ist ständig auf der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Auch in den neuen Bundesländern zieht die Nachfrage nach Biolebensmitteln inzwischen spürbar an und schafft neue Arbeitsplätze in der Branche. Davon konnte Johannes Könitzer nach Abschluss seines Studiums profitieren. Den gebürtigen Thüringer zog es zurück in die Heimat. Seit einigen Monaten ist der gelernte Kaufmann bei dem regionalen Großhändler Naturkost Erfurt mit seinen Kollegen dort für die Kundenbetreuung zuständig. Die Verbindung zwischen Landwirtschaft und Vermarktung hat den 28-Jährigen schon im Studium gereizt. In der neuen Aufgabe kann er sein Wissen nun optimal kombinieren. "Ich vertrete nun Produkte, hinter denen ich wirklich stehe", beschreibt Johannes seinen Wechsel in den Ökohandel, in dem er sich sehr wohl fühlt. Zukünftig will er sich noch stärker in Projekten zur Förderung strukturschwacher ländliche Regionen engagieren. Und vielleicht erfüllt sich ja irgendwann noch sein Traum, einen Biohof im Nebenerwerb zu betreiben.
Durch die Einblicke in die vielschichtigen Strukturen und volkswirtschaftlichen Abläufe der Ökobranche im Studium fühlt sich Johannes Könitzer für die Arbeit im Biohandel gut gerüstet. Ihm gefällt es, in dem Kreislauf vom Korn bis zum Kunden eingebunden zu sein.
Die starke Verknüpfung von Praxis und Campus ist eine Besonderheit des Studienmodells in Eberswalde. So wurde parallel zum neuen Studiengang ein Lehrmodell entwickelt, in dem Praktiker die Rolle von Ausbildungsdienstleistern übernehmen. Gelehrt wird nur das, was später wirklich gebraucht wird. Im Gegenzug erhalten die 18 Partnerbetriebe durch die Studenten eine direkte Unterstützung bei betriebsbezogenen Fragestellungen. Mit diesem Partnermodell wird auch im weiterführenden Masterstudiengang "Öko-Agrarmanagement" eine starke Praxisnähe gewährleistet. "Während andere Standorte eher forschungsorientiert arbeiten, sind wir sehr stark anwendungsorientiert ausgerichtet", erläutert Gerriet Trei, Koordinator des Masterstudienganges das Konzept. Die zukünftigen Führungskräfte für die ökologische Land- und Ernährungswirtschaft sollen damit gezielt für ihre Aufgaben in der Praxis qualifiziert werden. Einschreibungsvoraussetzungen für den Masterstudiengang ist ein Abschluss in Form von Bachelor, Diplom, Magister oder Staatsexamen aus den Bereichen Landwirtschaft und Ernährungswissenschaft sowie Betriebswirtschaft oder Landschaftsnutzung.
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität haben sich derzeit 14 Studenten für das weiterführende Masterstudium entschieden. Eine davon ist Claudia Leucht. Die diplomierte Ernährungswissenschaftlerin hat für den Master Öko-Agrarmanagement von Osnabrück nach Eberswalde gewechselt. "Die praktische Ausrichtung der Fachhochschule in Kombination mit dem theoretischen Hintergrund der Humboldt Uni ist ein einmaliger Ansatz, den ich sehr gelungen finde", sagt die Studentin im zweiten Semester. "Man kann einen Fuß in der Praxis haben und gleichzeitig studieren."
Claudias Interesse liegt dabei insbesondere auf den regionalen Kreisläufen der Nahrungsmittelproduktion. Regionale Konzepte als Problemlösung stellen für Klaudia einen sehr interessanten Forschungsansatz dar, mit dem sie sich in Eberswalde sehr gut aufgehoben fühlt. "Hier finde ich die richtigen Ansprechpartner", erklärt Claudia. Das positive Feedback der Ökobranche auf den neuen Studienabschluss bestätigt sie auf ihrem Weg. Der praxisorientierte Ansatz kommt aus ihrer Erfahrung bei den Öko-Unternehmen sehr gut an. Durch das Masterstudium sei sie für den Ökomarkt interessanter geworden, blickt Claudia optimistisch in die Zukunft: "Die Möglichkeiten sind da, man muss sie nur nutzen."
Studieren an der FH Eberswalde
Für den Bachelor-Studiengang Ökolandbau und Vermarktung kann man sich noch bis zum 15. Juli für das Wintersemester bewerben. Voraussetzung ist ein dreimonatiges Praktikum in der Landwirtschaft sowie die Zugangsvoraussetzungen durch Abitur, fachgebundene Hochschulreife oder Fachhochschulreife. Für den Master-Studiengang "Öko-Agrarmanagement" sind Bewerbungen jeweils vom 1. Juni bis 15. Juli für das Wintersemester sowie vom 1. Dezember bis 15. Januar für das Sommersemester möglich. Weitere Informationen unter www.fh-eberswalde.de
Birgit Will