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Gesunde Ernährung: Über drei Milliarden Menschen haben keinen Zugang

Neue Studie zeigt gravierende Armutslücke

Gesunde Ernährung: Über drei Milliarden Menschen haben keinen Zugang © Pohl / Misereor

Das Hilfswerk Misereor und Wissenschaftler der Universität Göttingen haben heute in einer Pressekonferenz eine neue Studie zur ‚Armutslücke gesunder Ernährung‘ vorgestellt. Mehr als drei Milliarden Menschen – über 40 Prozent der Weltbevölkerung – können sich demnach keine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Nährstoffzufuhr leisten. Drei Billionen US-Dollar wären nötig, um das weltweite Defizit auszugleichen.

„Gesunde Ernährung ist ein Grundbedürfnis – und bedeutet mehr als bloße Kalorienbefriedigung“, stellte Jonas Stehl, Entwicklungsökonom an der Universität Göttingen, klar. Ein Mangel an Mikro- und Makronährstoffen habe oft ernährungsbedingte Krankheiten zur Folge, mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Betroffenen. Aus diesem Grund haben Misereor und die Göttinger Wissenschaftler in ihrer Studie die Armutsgrenze neu definiert und die zur ausreichenden Ernährung benötigten Ausgaben höher verortet, als es bisher üblich war.

Mithilfe von Daten der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO wurde ein Korb mit den günstigsten Lebensmitteln zusammengestellt, welche die Voraussetzung für eine gesunde Ernährung erfüllen. Die Ausgaben hierfür ergeben mit den Kosten für andere notwendige Güter die obere Armutsgrenze. Zur Berechnung der Armutslücke haben die Autoren anschließend auf Einkommensdaten der Weltbank zurückgegriffen.

„Besonders groß ist die Armutslücke in den Weltregionen Sub-Sahara Afrika und Südasien“, sagte Sebastian Vollmer, Professor für Entwicklungsökonomie an der Uni Göttingen. „Allein Sub-Sahara Afrika macht 40 Prozent der globalen Armutslücke aus, Südasien 35 Prozent.“ In der Sub-Sahara hätten eine knappe Milliarde, in Südasien etwas mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu gesunder Ernährung. Die Betroffenen in diesen Regionen seien außerdem besonders weit davon entfernt, sich eine ausgewogene Lebensmittelversorgung leisten zu können.

Im Ländervergleich bestehen die größten Armutslücken in den bevölkerungsreichen Ländern Indien (730 Milliarden US-Dollar), Nigeria (336 Milliarden) und Indonesien (257 Milliarden). Die Belastung pro Person ist in Madagaskar am höchsten, wo durchschnittlich 73 Prozent des notwendigen Einkommens für eine gesunde Ernährung fehlen. Das ist mehr als die nationale Wirtschaftsleistung – also für den Staat alleine nicht stemmbar.

Weltweit sieht das Problem allerdings weniger unlösbar aus. Wie Lutz Depenbusch, Ernährungsexperte bei Misereor, erklärte, entsprechen die drei Billionen global fehlenden US-Dollar nur 2,2 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung (135 Billionen Dollar). Eine Besteuerung der Vermögen von Millionären und Milliardären von 1,2 Prozent würde reichen, um 78 Prozent der Armutslücke zu tilgen.

„Es ist ein moralisches Versagen, wenn die Weltgemeinschaft den wachsenden Reichtum nicht stärker dafür einsetzt, das grundlegende Recht auf eine gesunde Ernährung aller Menschen zu sichern“, so Depenbusch. Aus Sicht von Misereor müssen beim Kampf gegen die Armutslücke zwei Schritte im Fokus stehen: die gerechtere Verteilung der Einkommen und die Ausrichtung der Ernährungssysteme auf die Bedürfnisse aller Menschen.

Die Studie ‚Die Armutslücke gesunder Ernährung‘ wurde von Misereor im ‚Jahresheft Welternährung‘ zusammengefasst. In der Publikation, die anlässlich des Erntedankfestes am kommenden Sonntag veröffentlicht wurde, werden aktuelle Herausforderungen bei der Hungerbekämpfung skizziert und Vorschläge gemacht, wie das UN-Nachhaltigkeitsziel‚Null Hunger‘ noch bis 2030 erreicht werden kann.

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