Agrarpolitik
Von der Leyen will Pestizid-Verordnung zurückziehen
„Schwarzer Tag für Gesundheit und Biodiversität“
Angesichts der andauernden Bauernproteste hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute angekündigt, die Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden (SUR) zurückzuziehen. Im vergangenen November hatte das Europäische Parlament den Gesetzesentwurf, der eine Pestizidreduktion um 50 Prozent bis 2030 vorgesehen hätte, abgelehnt. Umweltschützer sprechen von einem „schwarzen Tag für Gesundheit und Biodiversität“.
„Der SUR-Vorschlag ist zum Symbol der Polarisierung geworden“, begründete von der Leyen die Entscheidung. Nach der Ablehnung im Parlament habe es auch im EU-Rat keine Bewegung mehr gegeben. Tatsächlich hatten die EU-Agrarminister im Rat weiterhin versucht, den Kommissionsvorschlag abzuändern, um einen Kompromiss zu erzielen. Die neue belgische Ratspräsidentschaft hatte zuletzt vorgeschlagen, zumindest Teile der Verordnung zu retten – insbesondere diejenigen, die sich auf biologische Schädlingsbekämpfung als Alternative zu chemischen Pestiziden beziehen.
Auch der Vorsitzende des Umweltausschusses des EU-Parlaments, Pascal Chanfin, erklärte, der Text hätte in dieser Richtung überarbeitet werden sollen, um etwa die Genehmigungsverfahren für biologische Schädlingsbekämpfungsmittel zu beschleunigen. Die Rücknahme sei eine „verpasste Chance“.
Derweil sprechen das Pestizid Aktions-Netzwerk PAN Europe und die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 von einem „schwarzen Tag für Gesundheit und Biodiversität“. Die Polarisierung sei das Ergebnis einer jahrelangen Desinformationskampagne der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Agrarlobby.
„Inmitten von Klima- und Biodiversitätskrise begräbt die EU-Kommission ihr wichtiges und ambitioniertes Vorhaben einer verbindlichen Pestizidreduktion – das ist die falsche Antwort auf die drängenden Herausforderungen der Landwirtschaft!“, so Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei Global 2000.
„Tausende von Wissenschaftlern und Millionen von Bürgern haben die EU-Politiker aufgefordert, dringend zu handeln“, betont Martin Dermine, Geschäftsführer von PAN Europe und Vertreter der europäischen Bürgerinitiative Save Bees and Farmers. „Nichts zu tun ist keine Option. Nicht auf die Forderungen der Bürger einzugehen, widerspricht der Demokratie und begünstigt nur die Agrarindustrie.“
Bevor die Rücknahme des Gesetzesvorschlags offiziell ist, muss sie noch vom Kollegium der Kommissare ratifiziert werden, was voraussichtlich in den kommenden Wochen geschehen wird. Von der Leyen versicherte derweil, die Frage der Pestizidregulierung werde auf der Tagesordnung bleiben und könne jetzt Gegenstand eines „neuen, viel ausgereifteren Vorschlags“ sein. Vor den Europawahlen im Juni ist damit allerdings nicht zu rechnen.