Agrarpolitik
Umweltausschuss stimmt für strengere Pestizid-Regulierung
Umstrittener Indikator bleibt erhalten

Gestern hat der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (ENVI) über die Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden (SUR) abgestimmt. Der Berichtsentwurf der Grünen-Europaabgeordneten Sarah Wiener wurde dabei mit 47 Ja- zu 37-Nein-Stimmen angenommen. Die Bio-Branche begrüßt das Ergebnis als Fortschritt für die Pestizid-Reduzierung. Ein Manko bleibt für sie der Monitoring-Indikator HRI 1, der biologische Pflanzenschutzmittel in seiner Wertung benachteilige.
Am Dienstagabendabend organisierte die Grünen-Abgeordnete Jutta Paulus eine Online-Gesprächsrunde, um das Abstimmungsergebnis zu kommentieren. Sarah Wiener klärte dabei über die Hintergründe der geplanten Verordnung auf. „Die SUD gibt es schon seit zehn Jahren“, so die Österreicherin. Als ‚Richtlinie über die nachhaltige Nutzung von Pestiziden‘ umfasste sie jedoch keine verbindlichen Vorgaben und hätte so auch keinen Effekt gehabt. Das will die EU-Kommission nun mit der SUR-Verordnung, die verpflichtende Regeln für Mitgliedstaaten enthalten soll, ändern.
Angesichts des großen Protests gegen SUR von Seiten der Agrarlobby und rechten Parteien sowie den „Schauermärchen“, die Fachmagazine den Landwirten erzählten, freute sich Wiener über den jetzt erzielten Erfolg.
Verpflichtende Reduktionsziele und Aktionspläne für die Mitgliedstaaten
Gegenüber dem Kommissionsentwurf brachte der Umweltausschuss ein paar Änderungen an. So wurde das ursprünglich auf 50 Prozent festgelegte Ziel für die Reduzierung besonders gefährlicher Pestizide auf 65 Prozent angehoben. Außerdem soll für in der EU verbotene Pestizide bis 2025 ein Exportverbot geprüft werden.
Für alle Mitgliedstaaten sollen verpflichtende, nationale Reduktionsziele gelten, die sich am jeweiligen Pestizideinsatz in den vergangenen Jahren orientieren. Dazu müssen die Mitgliedstaaten in nationalen Aktionsplänen festlegen, wie sie die Reduktionen erreichen wollen.
Eine große Pestizid-Einschränkung soll es wie von der Kommission geplant in sensiblen Gebieten geben, die für Wiener einen „besonderen Schutz“ benötigen. Jedoch solle Landwirtschaft dort weiterhin möglich sein, wenn es notwendig ist. So sollen biologische Pflanzenschutzmittel zugelassen sein und die Mitgliedstaaten außerdem Ausnahmen für chemische Pestizide machen können, wenn es die Umstände erfordern. Das könnte etwa beim Weinbau in Natura-2000-Gebieten der Fall sein.
Als „großen Hinkefuß“ betrachtet Wiener den ‚Harmonised Risk Indicator 1‘ (HRI 1), der sich zur Überwachung der Reduktionsziele durchsetzte, obwohl er „dringend korrigiert werden“ müsse. Dadurch dass der Indikator den Schwerpunkt auf Masse statt Giftigkeit der verwendeten Pestizide lege, schneide etwa im Ökolandbau verwendetes Backpulver schlechter ab als ein gefährliches chemisches Pestizid.
„Um die Glaubwürdigkeit des SUR und der Politikgestaltung zu gewährleisten, fordern wir die Abgeordneten auf, den SUR mit einem zuverlässigen Indikator zu versehen“, kommentierte Eduardo Cuoco, Geschäftsführer des Bio-Dachverbands IFOAM Organics Europe, dieses Manko.
Die dunkle Seite des Getreides
Wie nötig eine Verringerung des Pestizideinsatzes ist, verdeutlichte Foodwatch-Geschäftsführer Jörg Rohwedder den Zuschauern des Online-Gesprächs. Im neuen Bericht ‚The Dark Side of Grain‘ hat die Verbraucherschutz-Organisation den intensiven Pestizideinsatz im Getreideanbau untersucht. Das ‚Integrated Pest Management‘ (IPM) in der EU, nach dem biologische Methoden nach Möglichkeit Vorrang vor chemischen haben sollen, habe bisher keinen erkennbaren Effekt gehabt. Nach Daten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) weisen 37 Prozent der untersuchten Getreide-Produkte Pestizid-Rückstände auf. Bei Weizenbrot und -brötchen sind es sogar 90 Prozent. Foodwatch sieht nicht nur die Politik, sondern auch den LEH in der Pflicht für pestizidfreies Getreide und hat daher eine Online-Petition gestartet, in der große Handelsketten wie Edeka, Rewe, Aldi und Lidl dazu aufgefordert werden, eine nachhaltige Beschaffungspolitik zu etablieren.
Glyphosat-Einspruch bleibt ohne Mehrheit
Parallel zur SUR-Abstimmung stand im Umweltausschuss auch ein Antrag gegen die Wiederzulassung von Glyphosat auf der Tagesordnung. Dieser Entschließungsantrag, der von Sozialdemokraten (S&D), Grünen/EFA sowie den Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL) eingebracht worden war, wurde jedoch mit 40 zu 38 Stimmen knapp abgelehnt. Das Europaparlament wird sich daher vorerst nicht in die Kontroverse um die Wiederzulassung einbringen.
Am 16. November werden die Mitgliedstaaten nach derzeitigem Stand im Berufungsgremium des Ständigen Ausschusses der EU-Kommission für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) erneut über die Zulassung von Glyphosat abstimmen.
Die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments über die SUR-Verordnung ist für den 22. November angesetzt. Der EU-Ministerrat wird voraussichtlich am 11. und 12. Dezember seine gemeinsame Haltung zum SUR-Vorschlag der Kommission beschließen. Im kommenden Jahr könnten dann die Trilog-Verhandlungen zwischen den drei Institutionen beginnen.
Lena Renner