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Pflanzlich gegen CO2

31. Symposium Feines Essen und Trinken

Pflanzlich gegen CO2 © Quelle: Peter Eilers
Erstmalig fand die Fachtagung des Symposiums dieses Jahr auf einer Bühne inmitten des Marktplatzes statt. So waren die Referenten zwar mitten im Geschehen, mussten bisweilen allerdings auch gegen einen hohen Lärmpegel ansprechen.

Ernährung – Verantwortung – Nachhaltigkeit: Unter diesem Motto versammelten sich am 15. und 16. Juni Vertreter aus Ernährungsindustrie, Handel und Wissenschaft zum Symposium Feines Essen und Trinken in der Zenith Halle in München. Inmitten der 80 Aussteller von Mestemacher bis followfood befand sich die Marktplatzbühne, auf der sich die Referenten zur Ernährung der Zukunft austauschten.

Verschiedene Thesen zur Ernährungswende stellte Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel und Studiengangsleiter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW Heilbronn), auf. „Nachhaltigkeit ist komplex – aber Entscheidungen müssen trotzdem getroffen werden“, sagte er. Immerhin sei die Ernährung für rund 25 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.

Gewinn sei zwar nötig, um ökologische Dinge zu tun, die Geld kosten – durch die Wirtschaft der letzten Jahre sei allerdings keine gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt entstanden. Die an der Wiederwahl interessierte Regierung habe trotz dieses potenziellen Marktversagens nicht eingegriffen. Dabei seien Verbote nicht per se schlecht, sondern im Einzelfall durchaus notwendig. Auch der Preis sei ein sinnvoller Hebel, um Kaufverhalten zu verändern – Stichwort Mehrwertsteuer.

Kooperation statt Einzelkampf

Den einzelnen Nachhaltigkeitsinitiativen des Handels steht Rüschen eher skeptisch gegenüber. So erinnerte er an die Lidl-Bananen, deren Fairtrade-Umstellung daran scheiterte, dass die Produkte zu wenig gekauft wurden. „Auch der Ausstieg Rewes aus den Handzetteln wird nicht klappen“, prognostizierte er. Seit diesem Juli verzichtet der Einzelhändler auf Papier-Prospekte.

Statt isoliert zu agieren, sollten Handel und Hersteller nachhaltige Initiativen kooperativ umsetzen, so Rüschens Empfehlung. Sogar Preisabsprachen zwischen den Händlern sollten unter Aufsicht möglich sein, meinte er. „Das System ist nicht veränderungsresistent!“

Während Klimaneutralität ein wohl unerreichbares Ziel sei, stelle CO2 die wichtigste Währung dar, dessen Reduzierung Vorrang vor anderen Zielen haben sollte. Dabei spiele der CO2-Fußabdruck aktuell die geringste Rolle bei der Kaufentscheidung von Lebensmitteln, weil seine Größe so schwer einzuschätzen sei. Das müsse sich ändern.

„Durch den Begriff Klimaneutralität ist viel kaputtgegangen“, meinte auch der Lidl-Einkaufschef Christoph Graf. Produktinformationen müssten dem Verbraucher eine Hilfestellung bieten und dürften nicht verwirren. In Skandinavien gebe es bereits ein CO2-Label auf den Produkten. So etwas müsste einheitlich etabliert werden, damit es etwas bewirkt.

„Der Anteil der Ernährungsbranche am Klimawandel ist erschreckend hoch“, sagte Jörg Reuter, Geschäftsführer des Food Campus Berlin, in seinem Vortrag. Auch mit Blick auf Biodiversitätsverluste, Grundwasserverbrauch und Nährstoffkreisläufe bedrohe sie die planetaren Grenzen. „Eigentlich müssten wir alle aufhören, Fleisch zu essen“, folgerte er – oder zumindest den Konsum tierischer Produkte stark reduzieren, wie es auch die Planetary Health Diet fordert. Rindfleisch aus Grasfütterung sei fast klimaneutral. Den billigsten Teil der Fleischproduktion gelte es dagegen zu ersetzen. Dabei werde neben pflanzenbasierten und fermentierten Proteinen auch Reaktorfleisch eine Rolle spielen, zeigt sich Reuter überzeugt.

Robert Kecskes von der GfK nahm die Ernährungsweise der jungen Generation unter die Lupe. Besonders beliebt bei Jüngeren seien etwa die Marken fritz kola, Oatly oder Ben & Jerry’s. Ihnen allen gemeinsam: Sie hätten mit Bereicherung und nicht mit Verzicht zu tun, kommunizierten Werte und vermittelten eine Zukunftsvision. Und: Es sind nicht die Günstigsten. Das passe zum Einkaufsverhalten der Jungen, die sich zwar prinzipiell – aufgrund des geringen Einkommens – eher preisorientiert verhielten, gleichzeitig aber eine hohe Zahlungsbereitschaft für bestimmte Qualitätsmerkmale wie Bio oder Fairtrade zeigten. Die Marken passten auch zur Lebenseinstellung der jungen Generation: gleichzeitig das Leben in vollen Zügen genießen und an morgen denken.

Für die Generation Z, die Kecskes aufgrund ihres Aufwachsens mit Smartphones als ‚iBrains‘ betitelt, bedeute das zum Beispiel, sich nach der Planetary Health Diet zu ernähren. 24 Prozent der iBrains ernährten sich bereits vegetarisch und 14 Prozent sogar vegan. „Die Welt wird pflanzlicher und der pflanzliche Trend wird von der jungen Generation getragen“, so Kecskes.

Dabei seien die Reformhaus-Welten für die Jungen eher langweilig und zu sehr vom Problemlösungsblick der Älteren geprägt. Um sie zu erreichen, könnten Hersteller der perspektivlosen Generation dagegen eine Zukunftsvision geben und gleichzeitig mit Lebensfreude und Spannung überzeugen. Wenn auch am Ende das Problem des knappen Geldbeutels bleibt: Am meisten greifen die Jungen zu Handelsmarken – zwar Bio, aber möglichst billig.

Nicht nur junge Konsumenten ernähren sich immer öfter pflanzlich. „50 Prozent der Menschen sind heute Flexitarier“, berichtete Caroline Heil, Vorstand der ‚The New Meat Company‘. Das sei eine große Chance für die Landwirtschaft, die Fleisch aus der Produktion nehmen und die Biodiversität fördern könne. Aber auch in der Tierhaltung gebe es viel Verbesserungspotenzial: So lasse sich die Methanproduktion der Kuh durch das richtige Futtermittel fast auf null bringen.

Auch Lidl-Einkaufschef Graf sieht bei Flexitariern das größte Potenzial für die Ernährungswende. „Der Wandel ist nicht mehr aufzuhalten – jetzt müssen wir nur alle mitnehmen“, meinte er. Hätten vegane Produkte früher keine gute Qualität gehabt, schmeckten sie heute hervorragend. Eine große Herausforderung bestehe weiterhin darin, einen ausreichenden Proteingehalt hinzukriegen und nicht zu viele Zusatzstoffe zu verwenden.

„Start-ups schaffen bereits einen Fleischersatz mit ganz wenigen Zusatzstoffen“, entgegnete daraufhin Martin Wild – CEO und Mitgründer des Start-ups Organic Garden, das mit eigenen Farmen und ‚Eateries‘, die bio-vegane Bowls und Hot-Dogs anbieten, das Konzept von ‚farm to fork‘ leben will. Erbse sei im Moment „superangesagt“, ebenso wie Ackerbohne. Soja habe dagegen bei vielen Konsumenten wegen schlechten ersten Begegnungen mit Tofu einen eher schlechten Ruf.

„Wir arbeiten viel mit Seitan“, fügte Heil hinzu. Es gebe viele tolle Proteinprodukte, die dabei nicht unbedingt nach Fleisch schmecken müssten. Mit Rezepten und Zubereitungsempfehlungen liefere ihr Unternehmen den Konsumenten eine Hilfestellung beim Umgang mit noch unbekannten Artikeln. Einen Schutz vor zu vielen Zusatzstoffen stelle das Bio-Zertifikat dar, das den Verbrauchern als Qualitätsmerkmal eine einfache Orientierung bieten könne.

Courage im Handel gefragt

„Die Kaufentscheidung wird am Regal getroffen“, sagte Heil und verwies auf die Verantwortung der Händler, die Nachfrage durch die richtige Sortimentsauswahl und Produktplatzierung zu beeinflussen. Auch wenn Konsumenten im Zuge der Inflation zu billigeren Produkten griffen, dürfe sich der Handel nicht so leicht aus der Schlinge ziehen und Qualitätsprodukte einfach wieder aus dem Sortiment nehmen. „Wir brauchen couragierte Händler!“, rief sie auf.

Um der Abwehrhaltung mancher Vertreter der Fleischfraktion zu begegnen, sei Probierenlassen der beste Weg, so Wild. „Wir müssen die Menschen für eine gesunde, neue Ernährung begeistern“, meinte er. Am besten fange man damit bei den Kindern an: Da sei die Überzeugungsarbeit noch deutlich einfacher.

Lena Renner

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