Pestizide
Umweltinstitut veröffentlicht Pestiziddaten aus Südtirol
Monatelanger Dauereinsatz und Mehrfachbelastung durch Pestizidcocktails

Im intensiven Apfelanbau kommen zum Teil in hoher Frequenz für Umwelt und Gesundheit problematische Pestizide zum Einsatz: Das belegen Pestiziddaten aus dem Jahr 2017 von 681 Apfelanbaubetrieben aus der Region Vinschgau in Südtirol, die das Umweltinstitut München ausgewertet hat. Zwischen Anfang März und Ende September gab es demnach keinen einzigen Tag, an dem im Vinschgau nicht gespritzt wurde.
Südtiroler Obstbauern hatten das Umweltinstitut München 2017 wegen übler Nachrede angezeigt. Im Laufe des letztlich erfolglosen Pestizidprozesses beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Bozen die Pestizideinsatzdaten als Beweismittel und das Umweltinstitut erhielt Akteneinsicht.
Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer des Umweltinstituts: „Ausgerechnet in der beliebten Tourismusregion Südtirol, wo der Apfelanbau als besonders ‚naturnah und nachhaltig‘ vermarktet wird, werden massiv Pestizide versprüht, die teilweise hochgiftig für Mensch und Umwelt sind.“
Südtirol ist Europas größtes zusammenhängendes Obstanbaugebiet. Auf rund 18.000 Hektar stehen dort Apfelplantagen, die im Jahr 2021 rund 935.000 Tonnen Ertrag lieferten. Die Daten aus dem Vinschgau geben einen brisanten Einblick in die landwirtschaftliche Praxis des intensiven Apfelanbaus. Eine vergleichbare, detaillierte Auswertung des tatsächlichen Pestizideinsatzes in einer Region ist laut Umweltinstitut bisher in Europa einzigartig.
„Das Totalherbizid Glyphosat, das die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ eingestuft hat, wurde am fünfthäufigsten in den Apfelplantagen gespritzt“, berichtet Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft am Umweltinstitut. „Zum Einsatz kam auch das inzwischen verbotene Chlorpyrifos-methyl, das die Gehirnentwicklung von ungeborenen Kindern schädigen kann.“
Auch für die Umwelt gefährliche Pestizide wurden häufig eingesetzt: Bei fast einem Viertel aller Pestizidbehandlungen wurden Wirkstoffe verwendet, die als besonders schädlich für Nützlinge wie beispielsweise Schlupfwespen gelten. Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Einsätze kamen zudem mehrere Mittel gleichzeitig auf die Plantagen. Dabei wurden am selben Tag bis zu neun verschiedene Mittel gespritzt.
Das Umweltinstitut fordert, die gefährlichsten Pestizide sowie den Herbizideinsatz auf den Südtiroler Obstplantagen sofort zu verbieten. Außerdem setzt sich die Umweltschutzorganisation für einen europaweiten schrittweisen Ausstieg aus dem Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide bis spätestens 2035 ein. Diese Forderung war auch Bestandteil der erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative ‚Save bees and farmers‘, zu deren Initiatoren das Umweltinstitut gehört.