Pestizidprozess
Teilerfolg im Pestizidprozess: Alle Anklagen wegen übler Nachrede vom Tisch
Vorwurf wegen Markenfälschung bleibt bestehen

Im Südtiroler Pestizidprozess hat am heutigen fünften Verhandlungstag in Bozen auch der letzte verbliebene Kläger seine Anzeige gegen Karl Bär zurückgezogen. Der Vorwurf wegen Markenfälschung gegen das Umweltinstitut München bleibt bestehen. Das abschließende Urteil in dem seit September 2020 andauernden Prozess wird nun am 6. Mai 2022 erwartet.
Für seine satirische Kritik am hohen Pestizideinsatz in den Apfelplantagen Südtirols wird seit über einem Jahr gegen Karl Bär prozessiert. Vom dortigen Landesrat Arnold Schuler sowie mehr als 1.370 Landwirten war der damalige Agrarreferent des Umweltinstituts München, der aktuell für sein Bundestagsmandat von der Mitarbeit freigestellt ist, wegen übler Nachrede und Markenfälschung angezeigt worden.
Heute hat der letzte Kläger, Dr. Tobias Gritsch, eingewilligt, seinen Strafantrag zurückzunehmen und die Auseinandersetzung um den Pestizideinsatz in Südtirol nicht mehr vor Gericht zu führen. Das Verfahren wegen übler Nachrede ist damit beendet.
Karl Bär zeigte sich erfreut, dass die Südtiroler Obstwirtschaft nun den Dialog suche, um eine konstruktive Diskussion außerhalb des Gerichtssaals zu ermöglichen. Für Bärs Rechtsanwalt Nicola Canestrini wäre eine vollständige Einstellung des Verfahrens „ein starkes Zeichen für die Meinungs- und Informationsfreiheit in ganz Europa.“
Der Prozess hatte im letzten Jahr eine europaweite Protestwelle ausgelöst und war von Dunja Mijatović, Menschenrechtskommissarin des Europarats, als SLAPP (strategic lawsuit against public participation) eingestuft worden – eine haltlose, strategische Klage von Regierungen oder Unternehmen, die zum Ziel hat, unliebsame Kritiker mundtot zu machen.
Laut Pressemeldung des Umweltinstituts München hat Tobias Gritsch heute ausgesagt, er habe sich durch Landesrat Arnold Schuler genötigt gesehen, den Strafantrag gegen Karl Bär und andere Pestizidkritiker zu unterzeichnen. Im weiteren Verlauf des Prozesses hätte Arnold Schuler ihn dann mehrfach bedrängt, den Strafantrag wieder zurückzuziehen.
„Der Vorwurf der Nötigung zu einer Verleumdungsklage wiegt sehr schwer“, so Canestrini. Sollte die Südtiroler Regierung ihre Bürger wirklich als „juristische Manövriermasse“ genutzt haben, um Kritik an ihrer Agrarpolitik zu unterbinden, handele es sich um einen handfesten Skandal. Jetzt müsse restlos aufgeklärt werden, ob tatsächlich Menschen zur Anklage genötigt wurden.
Anlass der Klagen gegen Karl Bär war eine Kampagne im Sommer 2017, mit der er auf den hohen Pestizideinsatz in der beliebten Urlaubsregion aufmerksam machte. Der Vorwurf der Markenfälschung wird von der Staatsanwaltschaft unabhängig von den Anzeigen verfolgt und spielte in den bisherigen Verhandlungsrunden eine untergeordnete Rolle. Er bezieht sich auf das ‚Pestizidtirol‘-Logo der provokativen Plakat-Kampagne, das an das Logo der Tourismus-Werbung Südtirols angelehnt war. Für das Umweltinstitut ist der Vorwurf haltlos, da es nicht kommerziell gehandelt habe und Strafbarkeit nach dem Markenstrafrecht ein Handeln im geschäftlichen Verkehr voraussetzt.