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Pestizidprozess

Sieg für die Meinungsfreiheit: Umweltinstitut München freigesprochen

Vorwurf der Markenfälschung vom Tisch

Sieg für die Meinungsfreiheit: Umweltinstitut München freigesprochen © Umweltinstitut München / Jörg Farys
Mit dem Ex-Angeklagten Karl Bär (mi.) feiert das Umweltinstitut München das Ende des Südtiroler Pestizidprozesses.

Nach über zwei Jahren Ermittlung und 20 Monaten Prozess endete am vergangenen Freitag eine der aufsehenerregendsten Klagen gegen eine Umweltorganisation in Europa. Waren bereits im Januar alle Anzeigen gegen den Pestizidkritiker Karl Bär zurückgezogen worden, beantragte die Bozener Staatsanwaltschaft nun eine Änderung der Anklage, durch die auch der verbliebene Vorwurf der Markenfälschung hinfällig wurde, der hätte verhandelt werden sollen.

Karl Bär war 2017 als Mitarbeiter des Umweltinstituts München wegen seiner Kritik am hohen Pestizideinsatz in den Apfelplantagen Südtirols vom dortigen Landesrat sowie von mehr als 1.370 Landwirten wegen übler Nachrede und Markenfälschung angezeigt worden. In einer provokativen Plakat-Kampagne hatte das Umweltinstitut die beliebte Urlaubsregion als ‚Pestizidtirol‘ verfremdet.

Nach europaweiten öffentlichen Protesten zogen bis zum Januar alle Kläger ihre Anzeigen gegen den inzwischen als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählten Agrarwissenschaftler zurück, der Vorwurf der Markenfälschung blieb jedoch als sogenanntes ‚Offizialdelikt‘ unabhängig von den Klagen bestehen.

Am letzten Prozesstag am vergangenen Freitag beantragte die Staatsanwältin eine Änderung der Anklage, was zu einem sofortigen Freispruch Bärs führte. Der Richter begründete dies mit der Unzulässigkeit des Verfahrens.

„Wo kein Kläger, da kein Richter: Die Rücknahme aller 1.376 Anzeigen hat gezeigt, dass öffentlicher Druck das beste Mittel gegen strategische Klagen ist, so lange es noch keinen gesetzlichen Schutz davor gibt“, erklärt Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer des Umweltinstitut München. „Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die uns in diesem Prozess mit Tatkraft, Solidarität und Geld unterstützt haben.“

Der Prozess hatte im letzten Jahr eine europaweite Protestwelle ausgelöst und war von Dunja Mijatović, Menschenrechtskommissarin des Europarats, als SLAPP (strategic lawsuit against public participation) eingestuft worden – eine haltlose, strategische Klage von Regierungen oder Unternehmen, die zum Ziel hat, unliebsame Kritiker mundtot zu machen.

Ende April hat die EU-Kommission auf den Druck aus der Zivilgesellschaft und einen Initiativbericht des Europäischen Parlaments reagiert und den lange erwarteten Gesetzesvorschlag für eine europaweite Richtlinie gegen SLAPP-Klagen veröffentlicht.

Das Umweltinstitut will die Diskussion um Pestizide nun außerhalb des Gerichts fortführen. Es wertet derzeit die Betriebshefte von rund 1.200 der Obstbauern aus, die ursprünglich Anzeige gegen Karl Bär erstattet hatten. Die Ergebnisse der Auswertung dieser Daten sollen auf einer öffentlichen Veranstaltung mit Vertretern der Obstwirtschaft in Südtirol diskutiert werden.

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