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Darf man Fisch noch essen?

ASC und MSC fragen Wissenschaftler und Konsumenten

Darf man Fisch noch essen?

Überfischt, verschmutzt, versauert – der Zustand von Meeren, Seen und Flüssen ist besorgniserregend. Die Zertifizierungsorganisationen ASC und MSC haben Wissenschaftler und Konsumenten nach ihrer Einschätzung zur Überfischung, der Möglichkeit eines nachhaltigen Fischkonsums und der Rolle von Siegeln befragt. Dabei zeigten sich die Verbraucher insgesamt skeptischer als die befragten Experten.

Vier von fünf Konsumenten sorgen sich laut der Befragung um den Zustand der weltweiten Gewässer. 43 Prozent sind sich nicht sicher, ob man Fisch überhaupt noch essen sollte, oder halten es für nötig, auf den Konsum komplett zu verzichten. Bei den Jüngeren (zwischen 18 und 29 Jahren) sind es sogar 57 Prozent. Knapp ein Drittel zweifelte an der prinzipiellen Möglichkeit einer nachhaltigen Fischerei oder Aquakultur.

Dagegen sind sich alle Wissenschaftler, die von ASC und MSC befragt wurden, einig, dass man aus Nachhaltigkeitsbedenken nicht vollständig auf Fisch verzichten muss. 89 Prozent denken, dass sowohl Fischerei als auch Aquakultur nachhaltig sein können. Wichtig sei es aber, auf die Herkunft von Fisch und Meeresfrüchten zu achten und beides nicht täglich zu konsumieren, sondern als Delikatesse zu betrachten.

Dr. Christopher Zimmermann vom Thünen-Institut für Ostseefischerei weist darauf hin, dass die 100 Millionen Tonnen Ertrag bei einem Nutzungsverzicht auf Fisch an Land produziert werden müssten. „Allein die Nährstoffe aus dieser Tierproduktion würden die Meere erheblich mehr belasten als eine nachhaltige Fischerei dies tut", so seine Einschätzung.

Drei Viertel der Wissenschaftler sind der Meinung, dass Wildfisch mit Blick auf die gesamte Ökobilanz ein ökologisch sinnvolles Nahrungsmittel ist. Bei Zuchtfisch vertreten 64 Prozent diese Ansicht. „Ressourcenbedarf und Emissionen von Substanzen, Gasen und Energie sind bei der Aufzucht und dem Fang von Fischen sehr gering im Vergleich zu anderen Systemen der Erzeugung tierischer Proteine", sagt Dr. Uwe Brämick vom Institut für Binnenfischerei e.V. Die Verbraucher sind abermals skeptischer und halten Zuchtfisch für ökologisch sinnvoller als Wildfisch (57 zu 43 Prozent).

Das mag auch darin begründet liegen, dass einige das Ausmaß der Überfischung als höher einschätzen, als es tatsächlich ist. Nach Angaben der UN-Ernährungsorganisation FAO sind aktuell 34,2 Prozent aller Fischbestände überfischt. Über ein Drittel der Verbraucher geht aber von über 60 oder sogar über 80 Prozent aus. Weitere 40 Prozent konnten die Frage nach der Überfischung nicht beantworten.

Trotz der generellen Bedenken halten über 80 Prozent der Konsumenten Nachhaltigkeitssiegel für sinnvoll und achten beim Einkauf auf MSC- und ASC-Siegel, ähnlich viele wie bei den Experten. Etwa 70 Prozent der Befragten denken, dass das MSC-Siegel einen wichtigen Beitrag beim Thema Meeresschutz und Überfischung leistet.

Die Konsumentenbefragung wurde im Juli/August 2021 als repräsentative Online-Befragung von 1.000 Personen über 18 Jahren in Deutschland im Auftrag von ASC und MSC vom Meinungsforschungsinstitut Insa-Consulere durchgeführt. Die Wissenschaftler wurden von ASC und MSC selbst im Rahmen einer qualitativen Survey Monkey Befragung interviewt. Zu den befragten Personen gehören 28 Vertreter von über 20 Institutionen und Universitäten, darunter das Thünen-Institut, die Universitäten Hamburg und Rostock, das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung, die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU).

 

Hintergrund zu ASC und MSC

Der Aquaculture Stewardship Council (ASC) will einen globalen Standard für verantwortungsvolle Fischzucht setzen. Kriterien für sein Siegel sind der Nachweis einer geringen Sterblichkeitsrate, die Herkunft des Fischfutters aus nicht überfischten Beständen und ein kontrollierter Antibiotika-Einsatz. Das MSC-Siegel des Marine Stewardship Councils, mit dem ausschließlich Wildfisch zertifiziert wird, schreibt vor, dass bei der Fischerei Artenvielfalt und Funktionsfähigkeit der betroffenen Ökosysteme erhalten bleiben und Überfischung vermieden wird.

Umweltorganisationen wie Greenpeace und WWF sehen die Siegel als Mindeststandard und sowohl bei den Zertifizierungsrichtlinien als auch in der Transparenz Reformbedarf. Kritisiert wird unter anderem die Erlaubnis von gentechnisch verändertem Soja als Futtermittel beim ASC und zu wenig Schutz vor Beifang beim MSC.

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