Fischerei
Heringsbestand gefährdet
MSC kritisiert Überfischung und politisches Missmanagement im Nordostatlantik

Um 44 Prozent, mehr als 300.000 Tonnen, müssten die atlanto-skandischen Heringsfänge 2024 gesenkt werden, um der Empfehlung des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) nachzukommen. Dieser hat am vergangenen Freitag ein neues Gutachten veröffentlicht und darin die zulässige Gesamtfangmenge deutlich herabgesetzt. Selbst wenn die Fangnationen sich daran halten, werde der atlanto-skandische Hering jedoch bis zum Jahr 2025 eine kritische Schwelle unterschreiten, unter der die langfristige Nachhaltigkeit des Bestands bedroht ist.
Der Marine Stewardship Council (MSC) hat die Zertifizierung des gesamten atlanto-skandischen Herings bereits im Jahr 2020 ausgesetzt. Nach einer aktuellen MSC-Analyse haben die Heringsfänge die vom ICES empfohlene Menge in den letzten Jahren regelmäßig signifikant überschritten und liegen aktuell um mehr als ein Drittel über der wissenschaftlichen Empfehlung. Seit 2008 sei die Größe des Bestands von 7 Millionen auf 3,7 Millionen Tonnen geschrumpft.
Erin Priddle, Nordeuropa-Chefin des MSC: „Angesichts dieser Entwicklung und der alarmierenden jüngsten Prognose sollte jedem klar sein, dass Bestände vom Zusammenbruch bedroht sind, wenn sie Jahr für Jahr überfischt werden. Wir brauchen nur auf die jüngere Geschichte zurückzublicken, als Überfischung und Missmanagement in den 1960er Jahren zum Zusammenbruch des atlanto-skandischen Herings geführt haben.“ Damals wurden sämtliche Fischereiaktivitäten für fünf Jahre ausgesetzt, damit der Bestand sich wieder erholen konnte. Viele Fischereien und Verarbeitungsbetriebe mussten Konkurs anmelden und Tausende von Arbeitsplätzen gingen verloren.
Schuld an der besorgniserregenden Entwicklung ist für den MSC die Unfähigkeit der Fischereinationen am Nordostatlantik, sich auf eine Fangquotenaufteilung zu einigen, die den wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht. Hering, aber auch Makrele und Blauer Wittling würden seit Jahren überfischt, weil jedes Land seine eigenen – in Summe zu hohen – Quoten festlege. „Es wäre ein Armutszeugnis für die beteiligten Regierungen, wenn es ihnen nicht gelänge, sich auf eine nachhaltige Bewirtschaftung zu einigen“, kommentiert Priddle.
Ein kürzlich veröffentlichter MSC-Bericht mit dem Titel ‚Fischerei im Nordostatlantik – Herausforderungen für das Management von gebietsübergreifenden Fischbeständen‘ beschreibt verschiedene Instrumentarien und Taktiken, die dabei helfen sollen, Lösungen für das länderübergreifende Management der nordostatlantischen Fischbestände zu finden.