Green Deal
Grüne Minister ziehen Bilanz
Neben einem Rundumschlag zu Landwirtschaft und Green Deal stellte die Online-Konferenz konkrete Lösungen vor

Die Europagruppe der Grünen bestärkte in einer Web-Konferenz am 6. Mai 2021 ihre Positionen zu aktuellen Themen, etwa zu GAP-Verhandlungen, nachhaltiger Landwirtschaft oder Lebensmittelkennzeichnungen. Unter dem Titel 'Vom Hof auf den Tisch: Grüne Wege für Ernährung und Landwirtschaft' referierten Henrike Hahn, MdEP, Sarah Wiener, MdEP, Eva Lettenbauer, MdL und Vorsitzende der Bayerischen Grünen sowie Karl Bär, Referent für Agrarpolitik am Umweltinstitut München. Dazu gaben sie Einblicke, was sich auf Europa- und Bundesebene bewegt beziehungsweise wie beide verflochten sind.
Henrike Hahn zitierte in ihrem Vortrag ein weiteres Mitglied des Europäischen Parlaments für die Grünen, Martin Häusling: Kein Bereich sei so reformwiderwillig wie der Agrarbereich. Dementsprechend waren derzeit laufende, zähe Verhandlungen das Hauptthema. bioPress berichtete bereits über sie, etwa über den Stand der GAP-Verhandlungen im Allgemeinen und Gentechnik im Besonderen.
Sarah Wiener handelt als Schattenberichterstatterin Kompromisse für ihre Fraktion aus. Momentan würde man sich treffen, um Meinungen herauszufiltern. Persönlich nannte sie drei Knackpunkte, die ihr wichtig sind.
- In der Landwirtschaft solle zwar entsprechend der GAP Pestizide, Mineraldünger und Antibiotika reduziert werden. Aber es gäbe bessere, ökologische Methoden, um die vielfältigen Probleme zu bekämpfen. Wiener nannte Bodenverlust, Artenschwund, das Verschwinden von Samen und Sorten sowie die unheilige Allianz von Gentechnik in Verbindung mit Fungiziden und Herbiziden. Immerhin: Hinsichtlich des Insektensterbens zeigte sie sich sichtlich erfreut über das bestätigte Verbot von Neonicotinoiden.
- Die konservativen Fraktionen im EU-Parlament würden das Problem schwerstverarbeiteter Lebensmittel ignorieren. Wiener sieht sie als verantwortlich für Krankheiten, die das Immun- und Hormonsystem sowie den Stoffwechsel betreffen.
- Die Kennzeichnung von Lebensmitteln mit dem Nutriscore sei im Ansatz gut. Doch könnte man sie durch noch ungesündere Zucker-, Salz- und Fett-Ersatzstoffe aushebeln. Wiener wünschte sich zudem eine zusätzliche Kennzeichnung wie in Brasilien, in der NOVA-Stufen von Eins bis Vier anzeigen, wie stark ein Produkt verarbeitet wurde.
Eva Lettenbauer gab die regionale Perspektive. Sie wies darauf hin, dass in Bayern von 2010 bis 2020 zirka 15.000 Landwirte aufgeben mussten. Sie seien beileibe keine Nebenerwerbsbauern, sondern hauptberufliche Landwirte gewesen. Um dies zu stoppen, müsste unter anderem die regionale Produktvielfalt unterstützt werden, etwa indem Kooperationen ihre Erzeugnisse direkt verarbeiten und vermarkten.
Im ökologischen Umbau sieht Lettenbauer eine Chance. Dagegen sei es keine Alternative, wenn Bauern absurd große Ställe bauen müssten, um sich auf dem Weltmarkt zu behaupten. Konkret will sie für Bayern:
- Der Grundwasserschutz müsse ausgebaut werden. Begrüßenswert seien die ausgebauten Gewässerrandstreifen, doch fordert sie noch mehr Schutz vor Überdüngung und damit einhergehend mehr Wasserschutzgebiete.
- Milchbauern sollten faire Preise erhalten, statt von Fördermitteln abhängig zu bleiben.
- Die Haltungsbedingungen von Nutztieren müssten verbessert werden.
- Der Flächenverbrauch müsse auf ein erträgliches Maß eingedämmt werden.
Karl Bär berichtet vorrangig über seinen Forschungsbereich Gentechnik und Pestizide. Wie erstere sich von Beschränkungen befreien wolle, zeige die Studie der EU-Kommission zu neuen Techniken wie CRISPR. Tatsächlich würden auch sie vollumfänglich unter die bisherigen Einschränkungen fallen, wie Bär anhand zweier Beispiele zeigte. Ein Patent für hornlos geborene Rinder scheiterte allein schon deshalb, weil sich die Gentechnik als fehlerbehaftet erwies. Zudem gäbe es bereits hornlose Rassen, womit das angestrebte Patent deren Enteignung gleichkäme. Bei einem Gen-Mais existierten ebenfalls schon Sorten, die die Herbizide überleben und/oder ihr eigenes Insektizid erzeugen. Bär verlangte daher seitens der EU:
- Die Kennzeichnungspflicht für alle gentechnisch veränderten Produkte müsse erhalten bleiben.
- Die Zulassungsverfahren müssten strenger gehandhabt werden.
- Die Importe genmanipulierter Futtermittel müssten verhindert werden. Da das EU-Parlament in dieser Frage uneins sei, mache die Kommission, was sie wolle, was gegen demokratische Spielregeln verstoße.
- Statt neue Probleme durch immer neue Technologien zu lösen (‚technofixes‘), müsse man stattdessen auf zweckmäßige Lösungen setzen, auch wenn sie kleiner ansetzten.
Abschließend durften die Minister Wünsche für die Zukunft nennen. Manche wiederholten ihre Forderungen. Heraus fiel der Wunsch, dass auch Hartz-IV-Empfänger sich Bio leisten könnten. Auch beim Discounter müsse es demzufolge mehrheitlich bezahlbare Bio-Waren in den Regalen geben.
Dirk Hartmann