Gentechnik
Dämme gegen Gentechnik bröckeln
Studie der EU-Kommission will bisherige Gesetze aufweichen. Jan Plagge (Bioland) argumentiert dagegen

Was tun, wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) neue Techniken wie die Genschere als Gentechnik deklariert hat, und damit einer Risikoprüfung unterzieht? Man erstellt eine neue Studie, die sie als unverzichtbar darstellt. Die EU-Kommission präsentierte diese Position am 29. April 2021. In die Riege der Kritiker reiht sich auch Bioland-Präsident Jan Plagge ein. Seiner Meinung nach untergrabe die Studie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2018 und erlaube eine Deregulierung neuer Gentechniken.
Zusammengefasst sagt die Studie: Mag sein, dass etwa CRISPR/Cas Gentechnik ist. Aber da wir die Verfahren benötigen, hebeln wir das EuGH-Gesetz aus. Oder wie die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides sagte: „Die Studie, die wir heute veröffentlichen, gelangt zu dem Schluss, dass neuartige genomische Verfahren die Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Erzeugung im Einklang mit den Zielen unserer Strategie 'Vom Hof auf den Tisch' fördern können." Dementsprechend entgegnete auch die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) der Kritik von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD): "Wer aber Ernten stabil halten will, wer den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stark zurückfahren möchte, und wer wiederum Klimastabilität von Pflanzen ohne mehr Verbrauch von Ressourcen wie Wasser erwartet, der kann diese Techniken nicht einfach abtun."
Kurz: Es geht um Wettbewerbsfähigkeit, wofür auch der Klimawandel und der europäische Grüne Deal argumentativ herhalten müssen. Dem widerspricht Jan Plagge: „Auch neue Gentechnik ist Gentechnik und muss als solche entsprechend reguliert werden. Verfahren wie CRISPR/Cas mögen vielfältig einsetzbar sein, sie sind aber zugleich hochriskant für den jeweiligen Organismus und die Umwelt. Klar ist auch: Verbraucherinnen und Verbraucher wollen selbst darüber entscheiden, ob das Essen auf ihrem Teller mit Gentechnik produziert wurde – eine klare Kennzeichnung ist dafür unerlässlich.
[...] Dass die EU-Kommission mit ihrer heute veröffentlichte Studie dieses Urteil untergräbt und einer Deregulierung neuer Gentechniken damit Tür und Tor öffnet, ist nicht nur äußerst bedauerlich, es ist vor allem höchst gefährlich für unsere Lebensgrundlagen, die Stabilität der Ökosysteme, die Gesundheit und nicht zuletzt für die Zukunft einer ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft. Bio-Bauern, -Hersteller und Händler von Bio-Lebensmitteln müssen wissen, an welcher Stelle der Lebensmittelkette gentechnisch veränderte Organismen eingesetzt wurden. Sie brauchen Kennzeichnung und Wahlfreiheit, um den Verbraucher*innen auch weiterhin Lebensmittel ohne Gentechnik anbieten zu können. Zudem müssen wirtschaftliche Verluste durch entsprechende Kontaminationen von denen getragen werden, die sie verursachen.“
Auf lange Sicht geht es darum, den derzeit geltende Rechtsrahmen für genveränderte Organismen aus dem Jahr 2001 zu kippen. Die Studie war ein Schritt, nun folgen Diskussionen mit EU-Ministern und Mitgliedern des Europäischen Parlaments.