Agrarpolitik
Gentechnik im Ökolandbau?
EU-Berichterstatterin schlägt vor, das Verbot für Neue Gentechnik der Kategorie 1 aufzuheben
Aktuell wird der Gesetzentwurf der EU-Kommission, der eine Deregulierung Neuer Gentechnik vorsieht, im EU-Parlament beraten. Ein neuer Vorschlag von Jessica Polfjärd, der zuständigen Berichterstatterin im ENVI-Ausschuss (Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) des Parlaments, beinhaltet nun sogar, das Verbot Neuer Gentechnik (NGT) der Kategorie 1 im Ökolandbau aufzuheben. Außerdem werden Vorgaben zur Saatgutkennzeichnung gestrichen, die zur Transparenz auf Züchtungsebene beitragen würden. Die Bio-Branche protestiert.
Unter NGT der Kategorie 1 fallen nach dem Entwurf der EU-Kommission Gentechnikpflanzen, die sie als ‚gleichwertig‘ zu konventionellen Pflanzen betrachtet und die Genmanipulationen an bis zu 20 Stellen im Genom enthalten. Für diese Pflanzen soll keine Risikoprüfung oder Kennzeichnung mehr erforderlich sein. Der Parlamentsentwurf sieht nun sogar vor, dass die bisher noch geplante Kennzeichnung auf Saatgutebene wegfällt (Artikel 10). Außerdem soll das Verbot von NGT 1 im Ökolandbau nicht mehr gelten (Artikel 5(2)). Bei der Definition einer NGT-Pflanze wurde das ‚gentechnisch verändert‘ gestrichen, da es impliziere, dass die DNA eines fremden Organismus an der Veränderung beteiligt sei.
„Dieser Entwurf missachtet den klaren Standpunkt der Bio-Bewegung und eines ganzen Wirtschaftssektors“, kritisiert Jan Plagge, Präsident von Bioland und IFOAM Organics Europe. „Das Verbot aller Arten von Gentechnik im Ökolandbau, einschließlich neuer Gentechnik der Pflanzen aus Kategorie 1, muss erhalten bleiben!“
„Das Vertrauen der Verbraucher in die Integrität der ökologischen Lieferkette aufrechtzuerhalten, ist entscheidend für den Erfolg des ökologischen Landbaus“, fügt Eduardo Cuoco, Direktor von IFOAM Organics Europe, hinzu. Neben eines Verbots aller NGT im Ökolandbau brauche es eine klare Kennzeichnung aller Produkte, um sicherzustellen, dass Landwirte und Unternehmen, die keine NGTs verwenden wollen, dafür nicht mit zusätzlichen finanziellen und rechtlichen Belastungen konfrontiert werden.
„Im Europaparlament und im Bundesrat wird aktuell über nichts weniger als die Freiheit von Bürgerinnen und Bürgern, Bauernhöfen und Unternehmen verhandelt, künftig selbst über ihr Essen oder ihre Produktion entscheiden zu können“, kommentiert Tina Andres, Vorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). „Die EU-Kommission und die EP-Berichterstatterin rollten der Konzern-Lobby den roten Teppich aus – obwohl deren absurde Heilsversprechen bisher überhaupt nicht belegt sind.“
Die schwedische Abgeordnete Jessica Polfjärd ist federführend bei den aktuellen Beratungen im Europaparlament und gehört zur Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch die Abgeordneten der CDU zählen.
Parallel berät in Deutschland auch der Bundesrat über den Gesetzentwurf. Die finale Abstimmung der Länderkammer steht für heute auf der Tagesordnung.