Editorial
Editorial Ausgabe 74/Februar 2013, 1. Quartal
Liebe Leserin, lieber Leser!
Erfolgreiche Politik machen Die Grünen in Niedersachsen gegen Massentierhaltung und mit bewusster Ernährung. Damit wirken sie glaubwürdig und sie gewinnen Wahlen. Gewinnmaximierung oder Bedarfsgerechtigkeit - betreiben wir Landwirtschaft oder Ökolandbau, diese Frage steht auf der Tagesordnung.
An Lebensmitteln interessiert die Verbraucher, was drin ist und neuerdings immer mehr auch woher sie kommen. Bio-Produkte kamen ursprünglich vom Bauern nebenan. Chemiefreie natürliche Qualität und von hier war eins. Das stimmte so lange, bis aus dem Bio-Angebots- ein Nachfragemarkt wurde. Dann reichten die Mengen von nebenan nicht mehr aus.
Die Bauern trauen sich ohne ausreichende Unterstützung nicht, auf eigenes Risiko umzustellen. Das, obwohl Bio-Produkte in der Periode der ersten Grünen Landbauministerin den Durchbruch geschafft und eine Erfolgsgeschichte geschrieben haben. Das Wort Bio-Erfolgsgeschichte kommt aktuell sogar der CSU- Landwirtschaftsministerin Aigner über die Lippen, wenn auch nur im Nebensatz.
Der ganze Absatz ist nichts anderem als herkömmlichen Agrarerzeugnissen mit all seinen Belastungen gewidmet. Allerdings tritt jetzt die Regionalität ins Rampenlicht, in dessen Mitte Politiker sich gerne sonnen. Ein riesiges Tohuwabohu wird getrieben um die Region. Man ist sich nicht ganz einig, wo sie anfängt und wo sie aufhört, wichtig ist nur, dass sich Region super gut verkaufen lässt!
Schon 2001 stellten sich ruhig überlegende Köpfe die Frage, warum sollte das Rind aus der Nachbarschaft Sicherheit vor BSE bieten? Kam doch die Kontamination vom weltweit driftenden denaturierten Futter.
Daran hat sich bis heute wenig geändert. Die konventionelle Landwirtschaft von nebenan ist die gleiche geblieben. Wenn suggeriert wird, dass Lebensmittel aus der Region streng kontrolliert würden und der Kennzeichnung klare Kriterien zugrunde lägen, bedeutet das rein gar nichts! Die Frage, was schafft Sicherheit, bleibt unbeantwortet! Freiwillig ist die Kennzeichnung als regionales Produkt zudem. Das so lange, wie die EU keine einheitliche Regelung trifft. Da sei man dran! Mal sehen.
Kollateral am sogenannten Regionalfenster ist, dass endlich über den Schwarzwälder Schinken berichtet wird. Das Volk nimmt erstaunt zur Kenntnis, dass die Schweine dafür aus der gesamten EU zusammengekarrt und im Schwarzwald nur geräuchert werden. Zum Aufschneiden und Verpacken gehen sie schon wieder auf weitere Rundreisen. Das ist dann ein Produkt mit Urprungsbezeichnung!
Bio-Produkte fahren derweil fort mit Ihrer Erfolgsgeschichte. Allen Skandalen zum Trotz bleibt der Glaube unerschüttert. Das liegt nicht an Frömmigkeit. Es fehlt an echten Alternativen.
In Berlin auf der Grünen Woche hat der Spitzenverband der Ökologischen Lebenmittelwirtschaft BÖLW die Ernährungswende ausgerufen. Das Ziel ist 100 Prozent Bio. Derweil setzt die Gesamtwirtschaft, wie einer Mode folgend, auf Nachhaltigkeit als Zukunftsmaxime. Warum meinen die Manager, dass sie sich heute mehr an den Bedürfnissen orientieren müssen? Dabei tun sie es dennoch nur dort, wo ihr eigener Erfolg profitiert.
Auf das veränderte Verbraucher-Bewusstsein reagiert die Lebensmittelwirtschaft mit Zuwendung. Die ist allerdings selten aufrichtig gemeint, sondern dem Marketing geschuldet. Offensichtlich ist Nachhaltigkeit nur dort ein Thema, wo es die Anderen bezahlen und so lange, wie der Gewinn weiter in immer die selbe Richtung fließt. Und die heißt Zentrale. Egal welche.
Ähnliche Obsessionen zeigt auch die klassische Biobranche. Wenn sie sich gegenüber dem Rest des Lebensmittelhandels weiter abschottet und die Hersteller sich dem Mainstream verweigern, verfehlen sie das selbst gesteckte Ziel. Entwicklungen mitmachen bringt weiter. Sonst droht der Stillstand.
Bio in der Messelandschaft dekliniert sich vollständig neu. Die Bio-Weltleitmesse erlebt eine Umverteilung: 426 Bio-Anbieter auf der Fruit Logistica, vier Regionalmessen ziehen Aussteller ab und auch das Internationale Geschäft läuft vermehrt auf den internationalen Lebensmittelmessen wie der Anuga. Eins bleibt beständig: Bio wird Jahr für Jahr mehr.
Erich Margrander
Herausgeber