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Editorial

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!

Die Basis für die Bio-Vermarktung wird unaufhaltsam breiter. Der Fachhandel macht aktuell tolle Umsatzsprünge. Zeigt uns das, dass die Vermarktungs-Philosophie des Fachhandels stimmt und alle im Bioladen einkaufen wollen? Oder ändert sich das Käuferverhalten und die Verbraucher haben Schwellenängste abgebaut und nehmen längere Wege auf sich, weil sie Bio-Vollsortimente im Angebot erwarten?

Ein weiterer Blick über unsere Grenzen hinaus zeigt, dass Bio nicht Deutsch und kein Trend ist. Wenn man hinschaut, wer sich offen zu Bio bekennt, dann sind das nicht mehr nur die Hippies der 60er und 70er Jahre. Und auch nicht mehr nur Esoteriker und Gesundheitsfanatiker. Bio ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Zustimmung kommt aus verantwortungsbewusstem Verhalten. Wer es sich leisten kann, der wählt die Variante an Lebensmitteln, die anstatt Belastung eher die Kräfte der Natur in Aussicht stellt.

Angekommen ist die Erkenntnis, welche negativen Folgen die Bodenbearbeitung mit den Methoden der Agro­chemie haben. Unerträgliche Massentierhaltung wird nicht mehr ignoriert, spätestens wenn das Fleisch auf den Teller kommt. Es ist schon ein Unterschied, ob Arbeit unter sklaven- oder lebenswürdigen Bedingungen geleistet wird. Wieso muss darüber überhaupt gestritten werden? Wie lange soll aus Profitgier das Denken noch ausgeschaltet bleiben?

Hier genau ist die Grenzziehung: Wer nach Innen horcht, kann nicht ignorieren, welchen Wert Lebensmittel für das Konzentrations- und Leistungsvermögen, die Gesundheit und das menschliche Wohlergehen haben. Sicher, nach dem Krieg gab es Hunger und die Bevölkerung war weniger krank, wird behauptet. Auf Dauer schadet jede Mangelernährung. All die unnatürlichen Zusätze vom Acker bis zur Soße reichert der Körper an, bis er nicht mehr kann. Die Folgen hat dann die Gesellschaft zu tragen. Was heute billig zu haben ist, kommt uns morgen teuer zu stehen.

Noch vor zehn Jahren antworteten die Lebensmittelkaufleute, dass sie in ihren Regalen anbieten, was die Kunden kaufen wollen. Da sei der Preis das wichtigste Argument. Das ist nachvollziehbar. Und dennoch hat die Marktentwicklung gezeigt, dass es Querdenker gibt, die trotz höherer Kosten für die Lebensmittel einen anderen, selbstverantwortlichen Weg gesucht haben. Und die werden immer mehr.

Kaufleute wären keine Kaufleute, wenn sie diese Entwicklung nicht spüren und in ihre Geschäftsmodelle integrieren würden. Unterdrückung hat kurze Beine. Das wird auch im Ernährungsverhalten deutlich. Alle können sich Bio nicht leisten? Das hatte bereits Gerhard Schröder der Renate Künast bei ihrer Ernennung öffentlich vorgehalten, er hoffe, dass Bio nicht nur für die Reichen da sei.

Ein wenig mit Recht, wenn man auf die Preise schaut. Nicht, dass Bio billig sein soll. Bezahlbar muss jedoch gerade  Naturkost sein, damit sie sich durchsetzen kann. Wem nützt es, wenn immer mehr Attribute in die Bioangebote hinein gepackt werden: GMO- und Chemie-Freiheit, regional und fair, Genuss und Premium. Wie weit kann, darf das gehen?

Muss Bio ausschließlich im Bioladen glaubwürdig sein, oder ist Bio auch echt im Supermarkt? Geht Bio nur in Kleinstrukturen und muss es aus der Region kommen? Oder akzeptieren wir die Balance zwischen all den guten Eigenschaften. Achten wir auf den Biobauer in Südamerika, der Bananen erzeugt und hoffentlich auch seinen Anteil am Mehrwert erhält. Und denken wir an die Exporte, die deutsche Bio-Produzenten mit großem Erfolg in alle Welt schi­­cken, jedoch aus Opportunität dem Supermarkt um die Ecke vorenthalten.

Unter vielen schiefen Pfeilern stehen dann auch noch die Probleme von gewachsenen Strukturen in der Vermarktung, die überbrückt werden müssen, soll Bio in allen Vertriebswegen erfolgreich die Verbraucher erobern.

Erich Margrander
Herausgeber

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