Edeka

Selly gab Schub

Edeka-Kaufmann Wehrmann in Ostwestfalen entwickelt Bio-Ehrgeiz

Der Bio-Handelswettbewerb 2006 war der Auslöser für das verstärkte Bio-Engagement des Edeka-Kaufmanns Heinrich-Peter Wehrmann. Damals gewann das E-Center in Osnabrück eine goldene Selly. Das weckte den Ehrgeiz bei Edeka-Kaufmann Heinrich-Peter Wehrmann. Ein neues Konzept wurde ausgearbeitet und die Position des Bio-Beauftragten geschaffen. Wehrmann betreibt in Ostwestfalen im Kreis Herford fünf Märkte. In Spenge, Enger, Herford, Kirchlengern und Hiddenhausen führt der selbstständige Einzelhändler E-Center und E-Neukauf Märkte. Eine vierstellige Zahl an Bio-Produkten aus allen Warengruppen bietet Wehrmann seinen Kunden an.


Marktleiterin Gertrud Gänsel (re.)
 

 


Haben Freude an biologischen Produkten: Bio_Beauftragter Jakob Mekma (li.), Kaufmann Peter Wehrmann (Mitte), Ernährungsberaterin Birgit Redecker(re.)
 

Am Rande der 15.000 Einwohner zählenden Stadt Spenge  betreibt Heinrich-Peter Wehrmann, einer der 4.000 selbstständigen Edeka-Händler, ein modernes E-Center. Der Eingang ist schrankenlos. Im großzügigen Vorkassenbereich weist eine Deckenfahne auf Bio hin. An einem Schauaufbau verstärkt eine Tafel die Botschaft: Hier gibt es Bio. Das E-Center ist licht und freundlich mit viel Platz in den Gängen.

„Mir wurde der Beruf des Einzelhändlers in die Wiege gelegt“, erzählt Wehrmann. Schon Großvater und Vater betrieben Lebensmittelgeschäfte. 1987 startete er in dritter Generation als selbständiger Einzelhändler. „Ich habe das Glück gehabt, dass der damalige Markt zu klein war, und die Edeka investierte“, berichtet Wehrmann. So hatte er einen großen Supermarkt. Mit der Zeit kamen vier weitere dazu.

Bio-Anstöße von außen

Zu jedem Artikel eine Bio-Alternative zu bieten, ist das Ziel von Edeka-Wehrmann: „Der Kunde findet bei uns nicht alles, aber vieles in Bio“. In Zahlen gesprochen sind das rund 1.500 Artikel. Bio wird bei dem selbstständigen Einzelhändler schon lange geführt, wurde aber auf kleiner Flamme gekocht. „2001 sind wir neugierig geworden, als wir tegut besucht haben. Die Familie Gutberlet hat da eine ganze Menge bewegt. Die goldene Selly 2006 für das E-Center in Osnabrück hat uns dann richtig Schwung geben. Danach haben wir unser Engagement für Bio verstärkt.Seitdem sind wir bewusst dabei“, blickt Wehrmann zurück. Mit dem damaligen Geschäftsleiter Michael Bönnemann, genannt Bio-Bönni, hat die Edeka Minden eine Sprung nach vorne gemacht in Sachen Bio. 2007 gab die Bio-Offensive der Edeka weiteren Rückenwind.

Im E-Center Spenge wird Bio in Zuordnung und im Block auf einem großzügigen Bio-Marktplatz präsentiert. Davor ist eine Aktionsfläche, die auch für Bio-Information genutzt wird. 1.500 der 30.000 Artikel auf der Großfläche sind in Bio-Qualität. Das entspricht einem Anteil von rund fünf Prozent. Die Zahl der Produkte ist nicht beeindruckend. Wehrmann hat Kollegen mit mehr als 3.000 Bio-Produkten. „Die Anzahl allein ist nicht entscheidend“, wendet der Kaufmann ein. Mit Dubletten und Tripletten lässt sich die Artikelzahl steigern, aber nicht unbedingt der Umsatz.

In der Bio-Beschaffung verlässt sich der Selbstständige  nicht allein auf die Zentrale in Minden, sondern setzt regionale Akzente und beschafft selbst Spezial-Produkte durch  Einkauf direkt beim Erzeuger oder von System­lieferanten wie der BioVlog.  

Der Nur-Bio-Kunde ist  im Supermarkt selten anzutreffen. Hier ist der Auch-Bio-Käufer zu finden. „Es ist ein kleiner Kreis, der alles in Bio kauft“, weiß Bio-Beauftragter Jakob Mekma. Und dieser fühlt sich eher im Fachhandel aufgehoben als auf der Großfläche.

Die Edeka hatte 2007 in Berlin ein Bio-Supermarkt-Projekt geplant. Das wurde aber  eingestellt. „Reine Bio-Kunden gibt es bei uns ganz wenig“, ergänzt Wehrmann.
„Viele kaufen gemischt. Mütter kaufen für ihre Kinder Bio-O+G. Bio-Milch wird durch die politische Diskussion gekauft, um etwas für die Bauern zu tun. Das sehe ich ganz oft“, berichtet Ernährungsberaterin Birgit Redecker aus ihrer täglichen Praxis auf der Fläche. Sie selbst kauft Nudeln und Eier ausschließlich aus biologischer Erzeugung. Viel Käse, Milch, Obst und Gemüse aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) und wenig Fleisch.

Das Sortiment wurde mit Hilfe zusätzlicher Lieferanten ausgebaut, mit dem Ziel in allen Warengruppen Bio-Artikel anzubieten. Von der Bio-Zentrale wird ein großer Teil des Trockensortiments von Backzutaten bis Reiswaffeln abgedeckt. Die Rapunzel-Tochter Bio-Gourmet liefert Feinkost wie Pesto, Senf und Mayonaisse. Von Rinatura kommt ein biologisches Vollwert-Sortiment. Die Gepa bedient die Warengruppen Heißgetränke und Süßigkeiten mit biologischen Fairtrade-Produkten. Bionysis sorgt für biologischen Wein in den Wehrmann-Märkten. Die BioVLog versorgt den Markt mit Spezialitäten wie asiatische Produkte der Marke Royal Elephants, Dauergebäck von Praum und dem Kindersortiment von Vitagermine.
„Ein Bio-Trockensortiment kann jeder aufbauen. Das i-Tüpfelchen ist die Frische“, betont der Bio-Beauftragte. Zu Weihnachten gibt es biologisch gehaltene Enten und Gänse. Bio-Eier von Naturland-Bauer Johannes Radewyk  werden regional exklusiv bei Wehrmann verkauft. Der Hoflieferant steht für höchste Frische. Er bringt schon mal in einem Käfig Hahn und Huhn mit und erklärt staunenden Stadtkindern die biologische Landwirtschaft.  In der Pfanne wird Rührei gebraten zum Verkosten. Von dem Naturland-Hof kommen auch Wassergeflügel und Puten.


 

Regionalität ist Wehrmann wichtig

Die Bäckerei Nolte aus dem benachbarten Bünde bringt täglich frische Bio-Backwaren für die Selbstbedienung. Das Sortiment von Brot bis Paniermehl hat eine Kopfplatzierung. Bio-Björnsted-Scho­kolade kommt direkt von der Schokoladenfabrik Weinrich in der Kreisstadt Herford. Bio-Honig eines regionalen Imkers steht ebenfalls  in den Regalen. „Regionalität ist uns wichtig. Das schätzt der Kunde. Die lokalen Hersteller haben einen Namen und sind hier eine Marke“, berichtet Wehrmann. Die Verbindung von regional und Bio addiert zwei Nutzen.
Eine überdurchschnittliche Kaufkraft ist an den Standorten rund um Herford vorhanden. Eine der Voraussetzungen, um Bio erfolgreich zu vermarkten. „Pasta, Öle und Wein steht in der Gunst ganz oben“, weiß Marktleiterin Gertrud Gänsel.

Natürlich wird für das Bio-Sortiment auch die Werbetrommel gerührt. Bio wird den Kunden mit  Aktionen näher gebracht. Allerdings nicht mit Preisaktionen. „Das passt nicht zu Bio“, bemerkt Marktleiterin Gänsel. Verkostungen sind das probate Mittel. Stille Verkostungen lehnt Gertrud Gänsel allderdings ab. Eine Bio-Woche oder ein Bio-Frühstück bringen den Kunden Bio näher. Sie zahlen einen festen Betrag und können sich biologischen Kaffee, Tee, Säfte, Obst, Milch, Joghurt, Käse, Wurst, Müsli, Honig, Marmelade, Brot, Brötchen usw. schmecken lassen. Eine große Tafel appetitlich dekoriert macht Lust auf Bio.

Im Handzettel fehlte Bio allerdings am Ende der Urlaubszeit. Da propagierte die Zentrale den Preiseinstieg. Wehrmann selbst plädiert für eine Bio-Seite im Handzettel.
Bio ist erklärungsbedürftig. Deshalb braucht es kompetente Mitarbeiter. Ernährungsberaterin Birgit Redecker, die von der Edeka geschult ist, und Bio-Beauftragter Jakob Mekma kümmern sich um das Thema. Feinkost-Metzgereien wie Rack&Rüther schulen das Thekenpersonal im Verkauf von Bio-Wurst. Auch Rila mit der Bio-Marke Rinatura bildet Verkäufer weiter.
Unternehmensberater Christoph Soika hat bei Wehrmann geschult. Aber der Kaufmann weiß auch, dass die meisten der 400 Mitarbeiter die Kunden in Sachen Bio nicht beraten können. Da muss der Kunde schon suchen und finden. Das dauert noch einige Winter, bis das in den Köpfen der gesamten Mannschaft ist.

LEH-gerechtes Bio-Angebot

Im E-Center Spenge ist Bio im Sortiment und in einer großzügigen Bio-Abteilung platziert. Fülle und Vielfalt ist vorhanden. Das Familienunternehmen hat ein LEH-gerechtes Bio-Angebot aufgebaut. Das grüne Sortiment mit 30 bis 50 Bio-Artikeln, je nach Saison, bietet neben dem Standard die eine oder andere Spezialität wie etwa Süßkartoffeln. Feinkost und Convenience in Bio-Qualität genießen ebenfalls hohen Stellenwert. Die neue Bio-Zentrale Marke, zu der Produkte wie die Senfsaucen Dill, Honig und Orange gehören, hat Wehrmann eingeführt. Die Pasta-Saucen von Saphir sind da. Hörrlein biologische Salatdressings gibt es. Bio-Dosensuppen von Bitamo und die italienischen Teigwaren von D’Angelo aus dem Saarland werden anspruchsvoll präsentiert.

Die Wagner Bio-Gewürze sind mittlerweile obligatorisch. Die Süßwaren-Abteilung ist mit einem Dutzend Bio-Schokoladen gut bestückt. Getreideprodukte sind eine bedeutende Gruppe bei den Bio-Lebensmittel. Von Kölln, Seitenbacher, Gut&Gerne, Rinatura bis Bio Wertkost ist alles versammelt auf der Fläche. In den TK-Truhen gibt es neben dem Gemüse von Bio-Wertkost, Schwarmstedter Bio-Kartoffelpuffer und Wagner Pizza.

Im Kühlregal stehen die üblichen Bio-Produkte der weißen und gelben Linie. Darüber hinaus hat Wehrmann bereits Aktionen mit den frischen Bio-Suppen aus der Region von Roggenkamp gefahren. Dauerhaft hat es die moderne Convenience aus Westfalen noch nicht ins Sortiment geschafft im Unterschied zum angelsächsischen Markt. Dort ist das eine etablierte Produktgruppe.

Bei den Getränken bietet das E-Center seinen Kunden neben Obst- und Gemüsesäften auch Erfrischungsgetränke wie die Adelholzener Fruchtschorlen an. Mit Flensburger Bügelflaschen im Sechserpack ist auch ein Bio-Bier erhältlich und mit Bio-Kräuterlikör gibt es sogar Hochprozentiges.

In der Fischtheke werden Bio-Produkte der deutschen See gut in Szene gesetzt: Garnelen, Pangasius, Lachs und Wolfbarsch sind schon eine ganze Menge in der deutschen Supermarkt-Landschaft. An der Theke werden ein Dutzend Bio-Käse angeboten Andechser und Rotkäppchen sind zum Beispiel dabei. Mit einem Plakat wird das kleine Sortiment beworben: „Bio-Käse ein Geschenk der Natur, behütet von den Menschen“. Kaufmann Wehrmann ist überzeugt davon, dass sich Bio bei ihm in den nächsten Jahren stetig weiter entwickeln wird.

Anton Großkinsky

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