Editorial
Editorial Ausgabe 56/ August 2008
Liebe Leserin, lieber Leser!
Bio wächst unaufhaltsam. Warum? Das fragen sich immer noch Viele. Dabei wird jedoch einfach der zweite vor dem ersten Schritt gemacht. Wenn Bio nachgefragt wird, reagiert ein guter Kaufmann und stellt die Produkte in die Regale. Die Nachfrage hat sich bereits so weit entwickelt, dass die Vorstufe nicht mehr hinterher kommt, aber die Kaufleute auf die Biovermarktung nicht mehr verzichten wollen oder können.
Die Handelszentralen sind von der Bionachfrage überfordert. Zentralen fällt es in der Regel schwer, Randelemente zu bedienen. Da herrscht die Mentalität, die Kaufleute sollen sich an das Angebot anpassen. Das wirkt sogar bis hin zum Kunden. Oft reagieren Mitarbeiter im Einzelhandel nach diesem Motto: nimm, was dir angeboten wird, oder...
Der Teufel steckt im System.Zentralgesteuerte Beschaffung kann vielleicht 14.000 oder 16.000 Artikel für alle Partner zur Auswahl bereit halten. Die zehn bis 20 Prozent mit überdurchschnittlichem Warenangebot und entsprechendem Umsatz und Erfolg müssen einen Großteil ihrer Angebote selbst organisieren. Das ist bei Bio nicht anders. Hier kommt jedoch hinzu, dass niemand bereit steht, um das Vakuum zu füllen. Das ändert sich jetzt. Immer mehr Bioalternativen sind für die herkömmlichen Absatzwege zu haben.
Die statistischen Zahlen zeigen, dass die bisherigen Wachstumsraten hauptsächlich durch Verbreiterung der Basisangebote erzielt wurden. Immer mehr Outlets führen Bio im Sortiment. Jetzt kommen die agilen Kaufleute mit Flächen für bis zu 45.000 Artikel: Sie kennen das Beschaffungsproblem bereits vom herkömmlichen Sortiment. Sie stellen sich beim Bio-Vollsortimenten auf bis zu 4.500 Produkte ein, die alle Bio-Wünsche erfüllen.
Hier erfolgt der erste Schritt zu Renate Künasts 20 Prozent Vision. Vielleicht zählen 6.500 Outlets zu jenen, die ein Bio-Vollsortiment integrieren können. Wahrscheinlich gibt es noch etliche mehr. Ohne eine große Anzahl von Lebensmittelkaufleuten, die ihren Kunden ein Bio-Vollsortiment anbieten, wird die Landwirtschaft nicht die neuerdings eingeforderte Nachhaltigkeit umsetzen. Denn die kann nur ökologischer Landbau leisten! Nachhaltigkeit beginnt beim Lebensraum für den Wurm im Acker und und reicht bis zur Gesundheit und Leistungsfähigkeit durch natürliches Essen.
Die Folge der Bio-Schwemme im LEH mit nur Basisangebot ist, dass dem Fachhandel neue Kundschaft zugetrieben wird. Jene, die Bio kennen und schätzen gelernt haben und mehr davon wollen. Erweitert der LEH sein Angebot auf Bio-Vollsortimente, stockt die Wanderung. Der nächste zu erwartende Schritt ist dann die Entwicklung der Supermärkte zum Wettbewerber des Bio-Fachhandels und der Bio-Supermärkte. Die Bio-Supermarktbetreiber und die Bioladner brauchen dann starke Nerven und neue Ideen. Allein mit Abgrenzung geht es dann nicht mehr.
Aktuell geht die Kaufbereitschaft für Premium-Artikel im Bio-Supermarkt zurück oder das Wachstum stagniert. Im Supermarkt wird Bio gerne auch in Anlehnung an den Fachhandel im Hochpreissegment vertrieben. Schließlich wird dort eine gute Wertschöpfung erzielt. Was fehlt, ist eine professionelle Preisführung und bezahlbare Bioprodukte, die jene Mitte der Gesellschaft erreicht, zu der mehr als die Hälfte der Verbraucher zählen (drunter weniger als 40 Prozent Diskount und drüber rund fünf Prozent Feinkost).
Der Spagat zwischen bezahlbaren Mengen und Produktsicherheit führt immer wieder zu Verunsicherung. Doch allein Spanien mit aktuell mehr Bioanbaufläche als in Deutschland und so gut wie keiner Vermarktung im Land und Italien mit schon traditionell größerer Biofläche (1.1 Millionen Hektar) und nur wenig inländischer Vermarktung, können große Mengen in gesicherter Bioqualität liefern. Dabei sind sie nicht die einzigen Produzenten, die Deutschland mit Bio-Rohstoffen beliefern. Die Versorgung steht also.
Zwischenzeitlich hat der Handel viele Anbieter gelistet. Zum Teil erdrücken sie die Kaufleute mit Streckenlieferungen. Neue Lieferantenstrukturen müssen die Bioware zu größeren Liefereinheiten bündeln und die Beschaffung erleichtern. Auch die Kenntnisse im LEH über die Bio-Sortimente nehmen zu.
Vor fünf Jahren wurde auf dem 1. Bio Handels-Forum die Rewe-Füllhorn-Eigenmarke noch als Bio-Vollsortiment bezeichnet. Jetzt im September auf dem 3. Bio Handels-Forum wird das keinem mehr einfallen. Themen sind in diesem Jahr, wie erfolgreich mit 2.500 und mehr Bio-Artikeln im Sortiment Umsatz generiert und um Kunden geworben wird. Antworten auf die Fragen: Was anders ist an Bio und warum sich die Erfolgsgeschichte immer weiter vorwärts bewegt, halten rund 30 Experten auf dem Top-Bio-Event in Köln bereit, zu dem rund 500 Teilnehmer erwartet werden.
Erich Margrander
Herausgeber