Hersteller
Rohmilchkäse mit Charakter
Affineur Walo über Herkunft, Handwerk und Zukunft

Walo von Mühlenen ist Affineur in fünfter Generation und führt einen der ältesten Käseveredelungsbetriebe der Schweiz. Aus silofreier Weidemilch entstehen seine vielfältigen Rohmilchkäsesorten – fernab industrieller Vereinheitlichung, mit individuellem Charakter. Statt auf Massenproduktion setzt der Unternehmer auf Handwerk, Tierwohl, faire Löhne für die Landwirte und ein authentisches Produkt für die Konsumenten.
„Ein echter Rohmilchkäse ist ein Naturprodukt im besten Sinne“, sagt Walo von Mühlenen. „Er ist kein standardisiertes Produkt, sondern ein Abbild seiner Umgebung.“ Die Milch schmecke nach den Gräsern, Kräutern und Blumen, die die Kühe fressen – und diese Pflanzen variieren mit Region, Jahreszeit und Höhenlage. Auf 1.500 Meter Höhe wächst etwas anderes als im Talboden, in den Alpen blüht anderes als im Mittelland.
Rohmilch sei sensibel. Sie werde von der Fütterung, dem Klima und dem Rhythmus der Tiere beeinflusst. Deshalb sei im Umgang damit besondere Sorgfalt nötig. „Aber sie gibt auch viel zurück: Tiefe, Nuancen, Charakter“, so der Käse-Affineur. „Das macht sie unverwechselbar. Und genau deshalb ist Herkunft kein netter Zusatz – sie ist der Kern.“
Blumenwiesen statt Silomais
Die Familie von Mühlenen arbeitet bereits seit Generationen mit Rohmilch. Konkret bedeutet das: keine Silage, keine künstlichen Zusätze und keine anonymisierte Milch aus Sammelbehältern. Die Kühe fressen, was auf der Weide wächst – im Sommer auch auf der Alp. „Das schmeckt man!“, betont von Mühlenen. Die geschmackliche Vielfalt ist für ihn erwünscht und ein Qualitätsmerkmal. „Kein Alpkäse ist identisch mit dem vom Vorjahr. Wir arbeiten mit der Natur, nicht gegen sie.“
Weidemilch, respektvolle Tierhaltung und die Reifung in Naturkellern seien die Basis von allen Marken des Unternehmens: ob ‚Blumenwiesenkäse‘, ‚Affineur Walo‘ oder ‚Antoine – der Käsekünstler‘. Letztere geht auf eine historische Persönlichkeit zurück: den Käsemeister Antoine, der im 17. Jahrhundert als einer der ersten seine Reifemethoden dokumentierte. 400 Jahre später hat die Familie von Walo von Mühlenen seine Rezepte aufgegriffen und leicht angepasst, wobei der ursprüngliche Charakter bewahrt werden soll.
Eine Frage der Haltung
Mit Blick auf die Tierhaltung hebt von Mühlenen die besonders hohen Standards in der Schweiz hervor. Sie sind in vielen Bereichen strenger und detaillierter als die Mindeststandards der EU-Richtlinien: etwa in Bezug auf die Höchstbestände von Tierzahlen, Stallvorgaben, die Länge von Tiertransporten, Gentechnik im Futter, Hormonzusätze oder den Antibiotikaeinsatz. Auch die Rohmilchherstellung unterliege höchsten Hygieneanforderungen. Die Partnerhöfe von Walo von Mühlenen nehmen zusätzlich fast alle an freiwilligen Programmen wie BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltung) oder RAUS (regelmäßiger Auslauf im Freien) teil.
Damit unterscheide sich die Herstellung grundlegend von anderen Ländern wie etwa der Käsenation Holland, wo die industrielle Produktion weit verbreitet ist. Viele Betriebe dort arbeiten mit importierter Milch, Gentechnik ist erlaubt, die Höfe sind deutlich größer und Zusatzstoffe häufiger zugelassen. Das Resultat sei häufig eine Vereinheitlichung der Produkte, zulasten von Geschmacksvielfalt und Tierwohl.
Transparenz kommt an
Von Mühlenen betont daher die Bedeutung von klaren Herkunftsangaben und Rückverfolgbarkeit. Er kenne alle Lieferbetriebe persönlich, besuche regelmäßig deren Höfe und kontrolliere die Bedingungen vor Ort. Während viele Produkte im Einzelhandel mit alpenländischer Symbolik werben, ohne diese Herkunft tatsächlich zu garantieren, will der Käse-Affineur für überprüfbare Authentizität stehen.
Das werde auch im Handel geschätzt: Die Käsesorten des Unternehmens finden sich heute nicht nur bei ausgesuchten Edeka- und Rewe-Fachhändlern, sondern auch bei Galeria. „Das zeigt: Handwerk hat seinen Platz – auch jenseits der Feinkosttheke“, meint von Mühlenen.
Käse als kulturelles Erbe – und Zukunftsmodell
Handwerklich hergestellter Rohmilchkäse ist kostenintensiv. „Jeder Schritt – vom Melken über das Dicklegen bis zur Affinage – braucht Zeit, Erfahrung, Menschen“, erklärt von Mühlenen. Diesen Mehraufwand sieht er jedoch als Investition in die Qualität: zugunsten der Tiere, die auf die Weide dürfen, der Landwirte, die fair bezahlt werden, der Landschaft, die erhalten bleibt und der Konsumenten, die ein echtes Lebensmittel genießen können. Käse ist für ihn ein Kulturgut, das Geschichten erzählt und das es zu bewahren gilt.
Trotz aller Herausforderungen – vom Preisdruck im Handel bis zur Industrialisierung der Lebensmittelproduktion – sieht von Mühlenen Potenzial im traditionellen Käsehandwerk. Die nächste Generation stehe schon bereit, um das Unternehmen in die Zukunft zu führen. „Vielleicht mit neuen Ideen, anderen Technologien, digitaler Kommunikation – aber mit demselben Respekt für Milch, Natur und Handwerk.“