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Naturkäse mit Alpwiesenaroma

Affineur Walo von Mühlenen vermarktet Schweizer Qualitätskäse aus Rohmilch

Naturkäse mit Alpwiesenaroma © HUGPHOTOS
Der Käseaffineur Walo von Mühlenen (Mitte) mit der nächsten Generation des Familienbetriebs: Sohn Andreas und Tochter Fabiola von Mühlenen.

Was ist eigentlich ein Käseaffineur? Milchexperte, Käsehandwerker, Betriebswirtschaftler und Marktbeobachter – zumindest was Walo von Mühlenen angeht. Als Geschäftsführer in 5. Generation ist er auf den Export von ausgewähltem Schweizer Rohmilchkäse spezialisiert. Mit bioPress hat er sich über den Beruf des Affineurs unterhalten, über die Vorteile eines Rohmilchkäses aus Weidehaltung und Vermarktungsschwierigkeiten in einer nur an Preisen interessierten deutschen Handelslandschaft.

bioPress: Herr von Mühlenen, Sie sind auf die Vermarktung von Qualitätskäse spezialisiert. Was macht einen guten Käse aus?

von Mühlenen: Die Arbeit eines Affineurs fängt eigentlich beim Boden an: beim Gras und beim Futter. Wenn eine Gegend keine guten Bedingungen hat, kann man mit der Weidemilch von dort auch keinen guten Käse produzieren. Das heißt, ich muss die guten Ecken in der ganzen Schweiz kennen. In unserem Familienbetrieb – ich führe die Walo von Mühlenen AG in 5. Generation – ist dieses Wissen über Generationen hinweg gewachsen: So habe ich zahlreiche Kontakte zu Lieferanten, die qualitativ hochwertige Milch liefern können.

Wenn ein guter Boden nicht intensiv bewirtschaftet wird, bleibt er auch ein guter Boden. Die Kuh verdichtet den Boden nicht und er wird auch nicht überdüngt. Gute Biomasse führt zu gutem Gras – und die Kuh ist der einzige ‚Bioreaktor‘, der es vernünftig verarbeiten und daraus Eiweiß extrahieren kann. Sie ist quasi ein effizienter Rasenmäher, der gleichzeitig den Boden düngt. Ziegen und Schafe sind im Vergleich dazu etwas zu radikal, weil sie auch die Graswurzel mitfressen.

Studien zeigen, dass eine nicht-intensive Weidehaltung eine positive CO2-Bilanz hat und überhaupt nicht schädlich fürs Klima ist. Methan kann im Gegensatz zu CO2 abgebaut werden und darf nur nicht die Balance durcheinanderbringen. Wenn der Boden ins Ungleichgewicht gerät, wird es problematisch: Dann muss Kraftfutter zugekauft werden.

bioPress: Sie brauchen also gute Milch aus Weidehaltung auf gesundem Boden. Was gibt es sonst noch für Kriterien für die Lieferantenwahl?

von Mühlenen: Ein weiterer wichtiger Faktor für die Käsequalität ist, wie die Milch gewonnen und konserviert wird. Zum Beispiel sollte eine Milchkanne nicht fünf Stunden in der Sonne liegen bleiben und braucht eine gewisse Kühlung. Sie in einen Brunnen zu stellen, ist dafür aber vollkommen ausreichend. Wenn man sie weiter herunterkühlt, spürt man das sofort im Käse: Er reift dann weniger schnell und wird geschmacklich flacher. Außerdem muss die Milch zwei Mal täglich möglichst frisch in die Käserei. Ein Lieferweg von 30 Kilometern ist schon zu lang – auch das führt zu Qualitätseinbußen.

Neben der Verwendung von guter Milch gilt es, diejenigen Käse-Hersteller zu finden, die ihr Handwerk am besten beherrschen. Sie müssen etwa den optimalen Reifepunkt, den ‚sweet spot‘, der verschiedenen Käse kennen. Extra harter Alpkäse erreicht ihn nach 36 Monaten – man hat aber eine Spanne von einem Jahr, circa 30 bis 40 Monate, in der es passt. Schnittkäse ist dagegen nach sechs Monaten gut gereift und fängt schon nach acht an zu beißen – hier muss also ein wesentlich kürzeres Zeitfenster eingehalten werden. Ein guter Käsehandwerker muss einfach sehr exakt arbeiten. Unsere Partner sind kleine, inhabergeführte Käsereien, in denen die nächste Generation die Arbeit normalerweise zuverlässig fortführt. Großbetriebe kann ich als Lieferanten nicht brauchen.

bioPress: Mit Blick auf Geschmack und Gesundheit: Was sind die Vorteile von Rohmilchkäse im Vergleich zu industriellem?

von Mühlenen: Wenn Kühe mit Silofutter gefüttert wurden, dann ist dieser Geschmack nach vergorenem Gras auch in der Milch. Mit modernen Methoden bekommt man das wieder raus, aber dabei geht auch alles andere verloren, zum Beispiel das Calcium. In Fabriken wird die Milch so gereinigt, zerlegt und entrahmt, bis eigentlich nichts mehr übrig ist. Die Spurenelemente sind weg, der Geschmack ist weg – und um wieder Geschmack hineinzubekommen, muss man irgendwelche Kulturen beigeben. Dadurch schmeckt der Käse auch unabhängig vom Ursprung der Milch sehr gleich: Ob aus der Normandie oder Holland macht dann keinen Unterschied mehr. Auch gleiches Saatgut, gleiches Gras und gleiche Düngemittel sorgen dafür, dass Geschmacksvielfalt verloren geht.

Bei Rohmilchkäse ist das ganz anders. Hier wird möglichst wenig verarbeitete Milch genutzt, sodass die Geschmacksstoffe erhalten bleiben. Ein Käser auf der Alp kann anhand der Milch sagen, wo die Kühe auf der Weide stehen. Hundert Meter weiter wächst schon anderes Gras, was zu einem anderen Geschmack führt. In Rohmilchkäse gibt es zudem eine große Vielfalt von Milchsäurebakterien, die wichtig für die Verdauung sind und bei der industriellen Durchreinigung zerstört werden. Man kann es auch als Nachteil sehen, dass ein Produkt nicht jeden Tag gleich schmeckt. Meiner Meinung nach macht es den Käse interessanter.

Ein letzter Gesundheitspunkt: Studien zeigen, dass eine Kuh mit Alpfütterung viel mehr Omega-3-Säuren produziert als eine in Stallhaltung. Statt Fisch kann man auch Alpkäse essen…

bioPress: Sie können also mit vielen Qualitätsargumenten punkten – Bio gehört allerdings noch nicht dazu. Woran liegt das?

von Mühlenen: Bei Bio-Käse gibt es einen massiven Preisunterschied – sicher 30 Prozent Aufpreis im Vergleich zu Produkten ohne Siegel. Da kriegt der Handel Angst, wenn man damit anklopft. Und Schweizer Käse ist auch so schon hochpreisig…

Dazu kommt, dass ich ein ganzes Dorf mit 15 bis 20 Bauern überzeugen müsste, auf Bio umzustellen. Oder ich müsste mir die Bio-Rohmilch von einzelnen Bauern aus verschiedenen Ecken zusammenliefern lassen – ein sehr großer Aufwand. Ein paar meiner Lieferanten sind schon Bio-zertifiziert, aber in der Vermarktung kann ich es bisher nicht umsetzen.
Grundsätzlich unterscheidet sich die Produktion bei uns aber nicht groß von Bio. Die Kühe stehen hauptsächlich draußen und bekommen nur wenig Kraftfutter wie Mais etc, der meist selbst auf dem Hof produziert wird. Und die Wiesen chemisch zu düngen, macht nicht viel Sinn – Gülle ist da eigentlich ausreichend.

Außerdem ist die Alpwirtschaft bei uns stark vertreten – und da oben hat Kunstdünger wirklich überhaupt keinen Sinn mehr. Auch Kraftfutter spielt dort keine Rolle – das müsste für viel Geld mit dem Helikopter hochtransportiert werden. Auf der Alp ist also eigentlich alles Bio.
Andererseits macht Bio alleine ja auch noch keinen guten Käse. Wenn Sie Bio-Käse von industriellen Produzenten wie Arla Food oder DMK kaufen, bekommen Sie in der Regel Käse aus Silo-Milch mitsamt der industriellen Verarbeitung, die ich eben beschrieben habe. Bio-Käse aus Rohmilch gibt es nur selten.

bioPress: Der Beruf ‚Affineur‘ ist bei uns vielen nicht geläufig. Wie wird man ein Affineur?

von Mühlenen: Der Begriff ist tatsächlich nicht klar definiert; in Deutschland und der Schweiz gibt es keine gezielte Ausbildung dafür. Zum Berufsbild gehört eine umfassende Verantwortung: zunächst für ein gutes Produkt – als zweites aber auch dafür, den Käse möglichst schnell zu den Konsumenten zu bringen. Ein Affineur muss mit seinem Distributionspartner die richtigen Märkte aussuchen und den Händlern erklären, um was es geht. Wir laden sie auch zu uns in die Schweiz ein, um ihnen die Produktion zu zeigen.

bioPress: Wenn es keine Ausbildung gibt: Welchen Werdegang empfehlen Sie jemandem, der als Affineur arbeiten möchte?

von Mühlenen: Den Käser-Beruf kann man in der Schweiz gut lernen – in Deutschland auch, wenn auch etwas größer gedacht. Um Käser zu werden, kann man eine klassische Berufslehre nach der Schule machen: In der Schweiz sind es vier Jahre bis zum ersten Abschluss, acht bis neun bis zum Meister. Wenn man die Ausbildung mit einem Berufsabitur verbindet, bietet sich anschließend zum Beispiel ein Studium der Lebensmitteltechnologie an. Als zweiter Teil neben dem Käse-Fachwissen ist es aber auch wichtig, dass man die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre beherrscht.

bioPress: Kennen Sie viele andere Käse-Affineure?

von Mühlenen: Bis Ende der 90er existierte in der Schweiz die
Schweizerische Käseunion – ein vom Staat gesteuertes Wirtschaftskartell. Damals gab es noch um die 30 Firmen, die ähnlich wie wir arbeiteten. Heute sind nur noch drei übrig – der Rest ist in der Großindustrie aufgegangen. Die geschützte Vermarktungssituation war nicht gut für die Entwicklung: Die Affineure mussten sich überhaupt nicht mehr anstrengen. Nach der Auflösung des Kartells gab es dann eine sehr rasche Strukturbereinigung. Zum Glück ist die dezentrale Produktion in der Schweiz aber nicht komplett verschwunden und es kommt langsam wieder ein Zurückdenken in Richtung Lebensmittelqualität.

Was Rohmilchkäsereien angeht, so gibt es seit 2019 eine internationale Organisation, an der Frankreich, Italien und die Schweiz beteiligt sind, das ‚Rohmilch-Kollektiv‘. Inzwischen ist daraus eine gemeinnützige Stiftung hervorgegangen, die sich dafür einsetzt, den Fortbestand des Sektors zu sichern: Böden und Biodiversität zu schützen, Höfe, die Qualitätsmilch liefern, zu erhalten, und die Gesellschaft über die Gesundheitsvorteile von Rohmilchkäse aufzuklären.

bioPress: Ihr Unternehmen ist auf Export spezialisiert. Wohin gehen Ihre Produkte hauptsächlich?

von Mühlenen: Frankreich und England sind für uns wichtige Märkte. Frankreich hat immer noch eine einzigartige Käsekultur. Ein Essen ohne Käse ist da eigentlich gar kein Essen. Eine Zeitlang war das Handwerk auch hier von der Industrie bedroht, aber aktuell sind die Kleinen wieder am Wachsen. Und auch die unabhängigen, spezialisierten Käseläden konnten sich durchsetzen. Die Leute verstehen hier, dass Käse aus Rohmilch nicht gefährlich ist, sondern viele Vorteile hat. Da gibt es in Deutschland noch Aufholbedarf.

Auch England ist erstaunlich aufnahmefähig für Qualitätskäse. Es gibt hier viele inhabergeführte Feinkostläden mit breiten Käsetheken, die gut zu laufen scheinen. Aktuell vermarkten wir außerdem zunehmend in die USA.
Problemkind Deutschland: Preisdruck
und Fachmessemangel

bioPress: Gibt es eigentlich qualitätsbewusste Käse-Esser in Deutschland?

von Mühlenen: Das frage ich mich manchmal auch. [Lacht.] Die Konsumenten sind aber eigentlich weniger das Problem als der Handel. Die Handelslandschaft ist in Deutschland mittlerweile so konzentriert, dass wahrscheinlich am Ende zehn Leute darüber entscheiden, was alle essen. Etwas Hoffnung machen mir manche Selbstständige bei Rewe und Edeka, die sich sehr um ihre Frischetheken kümmern und noch wissen, was sie verkaufen – aber es sind erschreckend wenige. Die anderen scheinen das Gefühl zu haben, dass sie nur noch Preise anbieten müssen, und rennen daher Aldi und Lidl hinterher. Dabei sind Service und Qualität doch das einzige Unterscheidungsmerkmal zu Discountern! Wenn ich im LEH keine Frischetheken mit ausgebildetem Fachpersonal habe, kann ich ja auch gleich zu Lidl…

bioPress: Nehmen Sie an Messen in Deutschland teil, um dem Handel Ihre Produkte zu zeigen?

von Mühlenen: Tatsächlich gibt es aktuell in Deutschland keine gute Messe mehr, um dem Handel Spezialitäten zu zeigen. Die Biofach ist für uns wegen der zu hohen Bio-Käse-Preise ja noch keine Option. An der Anuga nehmen wir teil, aber zuletzt waren wir dort der einzige Feinkoststand zwischen lauter Industriellen. Kein Wunder: Bei den horrenden Ausstellungskosten kann sich kein Mittelständler mehr die Teilnahme leisten. Auch das ‚Symposium Feines Essen und Trinken‘ ist immer mehr zu einer Schau für große Produzenten verkommen und wurde inzwischen passenderweise in ‚Symposium Essen und Trinken‘ umbenannt. Was die Industrie anbietet, muss ich mir als Einkäufer doch nicht anschauen – die tragen es mir täglich ins Büro. Eine Messe sollte die Möglichkeit bieten, kleine und mittlere Produzenten zu finden, zu denen man sonst keinen Kontakt hat – aber eine solche Plattform fehlt in Deutschland völlig!

Dabei hätten Kaufleute sicher Interesse an Feinkostmessen. In Frankreich gibt es Käsemessen wie den Salon du Fromage, wo wirklich nur Spezialitäten angeboten werden. Sogar in England und den USA finden Feinkostmessen statt. Das Land von McDonald’s ist besser aufgestellt als Deutschland…

Ich bin aber zuversichtlich, dass auch Deutschland wieder auf eine vernünftige Straße zurückfindet. Wir arbeiten hier mit einem sehr guten Distributeur zusammen: Dicke Food in Wuppertal, die den ‚deutschen Käsepapst‘ Münnich fromage übernommen haben. Da wird viel auf Qualität geachtet.

Interview: Erich Margrander
und Lena Renner
 

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