Start / Business / Themen / Recht / Zulassung von Pendimethalin: Umweltverbände ziehen vor EU-Gericht

Pestizide

Zulassung von Pendimethalin: Umweltverbände ziehen vor EU-Gericht

Klage gegen die EU-Kommission eingereicht

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL) und das Umweltinstitut München haben beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg Klage gegen die Zulassung des umstrittenen Herbizids Pendimethalin eingereicht. Die Organisationen werfen der EU-Kommission vor, den Einsatz des Pestizids trotz erheblicher Gesundheits- und Umweltrisiken und ohne abgeschlossene Risikobewertung weiterhin zu erlauben.

Pendimethalin gehört mit einem Absatz von rund 664 Tonnen im Jahr 2023 zu den meistverkauften Pflanzenschutzmitteln in Deutschland und wird unter anderem auf Feldern mit Weizen, Mais, Spargel, Fenchel und Erdbeeren eingesetzt. Der Wirkstoff gilt als potenziell krebserregend, belastet Böden und bedroht die Artenvielfalt. In der EU ist er als ‚vermutlich schädlich für den Fötus‘ und ‚sehr giftig für Wasserorganismen‘ eingestuft. Bereits seit 2015 steht Pendimethalin auf einer Liste mit Stoffen, die vom Markt genommen und durch weniger schädliche Alternativen ersetzt werden sollen.

Dennoch wurde die Genehmigung zuletzt zwei Mal durch sogenannte technische Verlängerungen erneuert – ein Verfahren der EU-Kommission, das ursprünglich nur für Ausnahmesituationen gedacht war. Laut Umweltinstitut wird es heute systematisch genutzt, um Pestizide ohne aktuelle Risikoprüfung weiter auf dem Markt zu halten. Die aktuelle Zulassung für Pendimethalin läuft noch bis Januar 2027.

„Es geht uns bei dieser Klage darum, ein Grundsatzurteil zu erwirken”, sagt Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer am Umweltinstitut. „Wir fordern: Pestizide dürfen erst nach einer vollständigen Risikobewertung zugelassen werden. Dabei muss auch geprüft werden, ob sie in die Luft gelangen und sich über weite Strecken verbreiten können.”

Pendimethalin sei besonders flüchtig und könne sich im Extremfall bis zu 2.000 Kilometer weit verbreiten. In einem bundesweiten Messprojekt im Jahr 2020 wiesen Umweltinstitut und BEL den Wirkstoff in fast 90 Prozent der untersuchten Proben nach.

Von dieser Verfrachtung durch die Luft seien auch Bio-Betriebe betroffen. „Ackergifte wie Pendimethalin machen die Koexistenz zwischen Bio und industrieller Landwirtschaft zur Illusion. Schon Spuren genügen, um eine ganze Bio-Ernte zu entwerten“, berichtet BEL-Geschäftsführerin Anja Voß. Zur Qualitätssicherung müsse die Bio-Branche jährlich rund 100 Millionen Euro in Kontrollen und Vorsorgemaßnahmen investieren.

Bereits im Juli 2024 forderten das BEL und das Umweltinstitut die EU-Kommission auf, die Genehmigung für Pendimethalin nicht zu verlängern – ohne Erfolg. Gegen die Ablehnung und die technische Verlängerung reichten die Organisationen im September Überprüfungsanträge ein, die von der Kommission im Juni 2025 abgelehnt wurden. Ein Urteil des Gerichts der Europäischen Union wird nun bis Mitte 2026 erwartet.

[ Artikel drucken ]


Das könnte Sie auch interessieren

Offener Brief gegen Wiederzulassung von Pendimethalin

Umweltinstitut München und Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft pochen auf Vorsorgeprinzip

Am 11. Juli 2024 steht der Herbizidwirkstoff Pendimethalin auf der Tagesordnung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) der Europäischen Union. Weil eine abschließende Neubewertung des Stoffes noch aussteht, soll die Zulassung voraussichtlich um ein weiteres Jahr verlängert werden. In einem offenen Brief an Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke fordern das Umweltinstitut München und das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL) die Bundesregierung auf, gegen die Wiederzulassung zu stimmen.

09.07.2024mehr...
Stichwörter: Gesundheit, Pestizide, Umwelt, Recht, EU-Recht, EU-Kommission, Artenvielfalt, Klage, Pestizidbelastung, Pestizid-Zulassung, Pendimethalin, Umweltinstitut München, Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V., Gerichtsprozess

Pestizid-Zulassung: Technische Verlängerung ist die Regel

88 Prozent der verkauften Pestizide in Deutschland ohne aktuelle Risikoprüfung

Pestizid-Zulassung: Technische Verlängerung ist die Regel © stock.adobe.com/Dusan Kostic

Das Umweltinstitut München hat Pestizid-Zulassungen in der EU untersuchen lassen. Das Ergebnis: Knapp 70 Prozent der chemisch-synthetischen Wirkstoffe waren 2024 durch ‚technische Verlängerungen‘ zugelassen, das heißt vorübergehend ohne neue Risikobewertung. 2023 enthielten in Deutschland 88 Prozent der verkauften Pestizide Wirkstoffe, deren reguläre Genehmigung abgelaufen war. Das Umweltinstitut fordert, die Praxis der technischen Verlängerungen zu beenden und problematische Pestizide schnellstmöglich vom Markt zu nehmen.

05.06.2025mehr...
Stichwörter: Gesundheit, Pestizide, Umwelt, Recht, EU-Recht, EU-Kommission, Artenvielfalt, Klage, Pestizidbelastung, Pestizid-Zulassung, Pendimethalin, Umweltinstitut München, Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V., Gerichtsprozess

Aurelia Stiftung und DUH klagen gegen Glyphosat-Wiederzulassung

BVL beendet Zulassung von Roundup PowerFlex

Anfang 2024 haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Aurelia Stiftung parallel zu einigen weiteren NGOs in Europa Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht, um gegen die Wiederzulassung des Herbizids Glyphosat für weitere zehn Jahre vorzugehen. Nach dem Konsortium um PAN Europe gehen nun auch die Beschwerdeführer aus Deutschland den nächsten Schritt und reichen Klage gegen die Kommission vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein.

18.11.2024mehr...
Stichwörter: Gesundheit, Pestizide, Umwelt, Recht, EU-Recht, EU-Kommission, Artenvielfalt, Klage, Pestizidbelastung, Pestizid-Zulassung, Pendimethalin, Umweltinstitut München, Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V., Gerichtsprozess

EFSA schließt Wiederzulassung von Flufenacet aus

Deutsche Umwelthilfe fordert sofortiges Verbot

09.10.2024mehr...
Stichwörter: Gesundheit, Pestizide, Umwelt, Recht, EU-Recht, EU-Kommission, Artenvielfalt, Klage, Pestizidbelastung, Pestizid-Zulassung, Pendimethalin, Umweltinstitut München, Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V., Gerichtsprozess

Glyphosat-Wiederzulassung: NGOs ziehen vor EU-Gericht

EU-Kommission lehnt Antrag auf interne Überprüfung ab

04.07.2024mehr...
Stichwörter: Gesundheit, Pestizide, Umwelt, Recht, EU-Recht, EU-Kommission, Artenvielfalt, Klage, Pestizidbelastung, Pestizid-Zulassung, Pendimethalin, Umweltinstitut München, Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V., Gerichtsprozess

Aurelia Stiftung lässt Glyphosat-Zulassung gerichtlich prüfen

Juristisches Neuland im Kampf gegen Pestizide

10.07.2023mehr...
Stichwörter: Gesundheit, Pestizide, Umwelt, Recht, EU-Recht, EU-Kommission, Artenvielfalt, Klage, Pestizidbelastung, Pestizid-Zulassung, Pendimethalin, Umweltinstitut München, Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e.V., Gerichtsprozess