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Handwerk

Bio-Handwerk: bewahrenswert! 

Personalmangel und die Industrielobby 

Bio-Handwerk: bewahrenswert!  © AdobeStock / WavebreakmediaMicro

Von der Stärkung des ländlichen Raums über Ernährungssicherheit, regionale Versorgung und resiliente Wertschöpfungsketten bis zur Innovationskraft in der Herstellung: Der Wert des Bio-Lebensmittelhandwerks ist mannigfaltig und unbestritten. In der politischen Realität und auf dem Markt spiegelt sich diese Wertschätzung allerdings bislang nicht wieder. Die Zahl von Metzgern und Bäckern geht kontinuierlich zurück. Bei den letzten Öko-Marketingtagen auf Schloss Kirchberg und auch bei der Biofach 2025 wurde über die Bedeutung des Bio-Handwerks sowie die Rettung von Handwerk und Mittelstand in Deutschland diskutiert. 

30 Prozent Ökolandbau will die Bundesregierung bis 2030 erreichen. Jedoch: Einen Acker kann man nicht essen. Es braucht verarbeitende Unternehmen, um Feldfrüchte sowie Vieh-Erzeugnisse für den menschlichen Verzehr aufzubereiten. Im Vergleich zu Landwirtschaft und Handel ist die Anzahl der Verarbeiter in Deutschland allerdings verschwindend gering. Gab es in der Landwirtschaft etwa im Jahr 2021 rund 260.000 Betriebe, so lag die Zahl der Verarbeiter bei nur gut einem Zehntel – rund 26.000. Seit 2008 ist die Anzahl zudem um mehr als 30 Prozent gesunken. 

Zwischen Handwerkssterben und Jobmotor Bio

„Das Handwerk stirbt leise“, so Thomas Pirner, CSU-Landtagsabgeordneter und Präsident der Handwerkskammer für Mittelfranken. Wenn ein Betrieb wegen mangelnder Nachfolge schließt, gebe das keine Schlagzeile in der Zeitung. Dabei gibt es in manchen Landstrichen der Bundesrepublik überhaupt keine Verarbeitung mehr. 

Schaut man in die Bio-Branche, sind allerdings 45 Prozent der dort Beschäftigten und damit der größte Teil im Handwerk tätig – 170.000 waren es im Jahr 2023, so hat der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) in seiner Studie ‚Jobmotor Bio‘ ermittelt. 

Bio-Bäckerei: enzymfreier Sauerteig und geringe Harmonie

Aber was bedeutet Bio im Handwerk überhaupt? Für die EU-Bio-Zertifizierung verarbeiteter Produkte reicht es schließlich, Bio-Rohstoffe und -Zutaten zu verwenden sowie auf einige Zusatzstoffe zu verzichten. Immerhin. Die industrielle Produktion in großem Maßstab wird da-mit jedoch nicht ausgeschlossen. 

„Bio ist noch nicht gleich Qualität“, stellt Thorsten Block, Interims-Vorstandsvorsitzender von Biokreis fest. Von Hersteller zu Hersteller gehe die Qualitätsdefinition weit auseinander. Leuchttürme in puncto Bio-Handwerk, die zeigen, was möglich ist, waren bei den Öko-Marketingtagen 2024 auf Schloss Kirchberg versammelt. 

So etwa die Bäckerei Siebenkorn Marburg, bereits seit 2007 ein Demeter-Betrieb. Geschäftsführer ist der Theologe und Bäckermeister Rediske, der schon 1986 als Praktikant zu der Bäckerei gestoßen ist. 

„90 Prozent der Brote in Deutschland werden mit Enzymen hergestellt“, so Meinhard Rediske. Die Bäckerei verzichtet dagegen vollständig auf technische Enzyme, macht das Backferment komplett selbst und führt zehn verschiedene Sauerteige. „Die EU-Bio-Verordnung ist landwirtschaftlich orientiert“, stellt Rediske fest. „Wir sind wertsteigernd für die Zutat und versuchen noch innerhalb der Verbandsqualität, das Beste auszusuchen.“

Dabei gehöre zum Aushängeschild von Siebenkorn, auch Produkte mit „geringer Harmonie“ anzubieten – zum Beispiel Kümmelbrot oder etwas Gröberes. „Die Backindustrie produziert, was verkauft werden kann“, so der Bäckermeister. Eine Vision dahinter gebe es nicht. Im Gegensatz dazu sei die Demeter-Bäckerei sehr ideell unterwegs, für Kunden eine Qualitäts- und Vertrauensmarke. Inzwischen ist der Anspruch eine „Balance mit harmonischen Produkten“.

Bio bei Backwaren: kein Ausschlusskriterium

Die Bio-Bäckerei Wagner aus Niederbayern hat 2007 auf 100 Prozent Bio umgestellt und ist heute Biokreis-Mitglied. Die Entscheidung sei damals bei der älteren Dorfbevölkerung nicht nur auf Begeisterung gestoßen, erzählt Joseph Wagner, Geschäftsführer des Familienbetriebs in 3. Generation. „Wir haben viele Altbestandskunden verloren“, berichtet er. Es habe dann ein, zwei schwere Jahre gedauert, bis die Bäckerei eine neue, bio-bewusste Zielgruppe gefunden hat. Heute sei die Bio-Umstellung einfacher: schon aufgrund der Rohstoffe, die vor 20 Jahren zum Teil kaum in Bio-Qualität zur Verfügung standen, etwa eine gute Kuvertüre. 

Auch preislich spricht nichts gegen Bio in der Bäckerei, meint Rediske. Angesichts der niedrigen Preisdifferenz sei eine Zertifizierung in dieser Warengruppe überhaupt kein Ausschlusskriterium. Herausfordernder ist laut Wagner dagegen das Bestehen mit einem handwerklichen Back-Betrieb insgesamt. „Die Handwerks-Bäckereien leiden seit Jahrzehnten.“ Jeder müsse seine eigene Nische finden, um sich zu behaupten. 

Bioland-Fleisch aus Weideschlachtung

Mut für das Metzger-Handwerk macht das Beispiel von Desiree Grießhaber-Vetter, Anfang 30 und inzwischen alleinige Inhaberin der Biometzgerei Grießhaber mit Sitz in Mössingen bei Tübingen. „Mein Vater hat schon immer Bio getickt“, meint die studierte Betriebswirtin und Metzgermeisterin. Atomkriegsgegner sei er gewesen und in der Ayurveda-Beratung tätig. Als immer mehr kleine Höfe verschwanden, habe er in der Bio-Szene weiterhin kleine Strukturen vorgefunden. 2005 erfolgte die Umstellung auf 100 Prozent Bioland, heute ist die Metzgerei zusätzlich Demeter-zertifiziert. 

Bis auf Demeter-Geflügel schlachtet der Betrieb komplett selbst und muss nichts zukaufen. Lieferanten sind Landwirte im Umkreis von 150 Kilometern, von denen die Metzgerei auch Gemüse zur Weiterverarbeitung in der Küche abnimmt. Sieben bis neun Rinder und rund 20 Schweine werden pro Woche geschlachtet – ein Großteil davon als Dienstleistung für andere Betriebe. 

„Für mich gibt es auch eine Bio-Schlachtung“, hebt Grießhaber-Vetter hervor. „Haben wir noch das Recht zum Tiere-Essen?“, hinterfragt sie das Metzgerhandwerk selbstkritisch. Die Weise, in der die Biometzgerei Grießhaber es praktiziert, ist für sie noch vertretbar: mit Elektrobetäubung und genügend Zeit, um eine möglichst stressfreie und würdevolle Schlachtung zu ermöglichen. Freiwillig wird der komplette Prozess per Video aufgezeichnet: aus Gründen der Transparenz und um aus möglichen Fehlern zu lernen. Seit 2024 bietet der Betrieb die Weideschlachtung als Dienstleistung an – „als Option für Tierhalter, die es anders machen wollen, besonders auch kleine.“ Inzwischen ist die Lohnverarbeitung zum Hauptstandbein der Metzgerei geworden – „es gibt einen großen Bedarf.“

Klischee-Kunden Lehrer und aufgeklärte Flexitarier

Wer sind die Abnehmer für die Qualitätsprodukte der Bio-Handwerker? „In München haben wir eine ganz andere Klientel mit höherer Zahlungsbereitschaft als auf dem Land“, stellt Wagner dazu fest. Zu Siebenkorn Marburg kommen Postmaterielle, einige Wertkonservative, junge Familien, Studenten und auch ‚der Lehrer‘, eröffnet Rediske schmunzelnd. Dieser Klischee-Kunde ist auch bei der Biometzgerei Grießhaber häufig vertreten. „Dieses Jahr sind außerdem schon drei Schulklassen zu Besuch gewesen“, berichtet Grießhaber-Vetter. Auch zu ihr kommen viele Junge und Familien, Flexitarier und allgemein „sehr aufgeklärte und interessierte Kunden“. „Je konsequenter transparent und ehrlich, desto besser klappt Kommunikation“, weiß die junge Geschäftsführerin. 

Mehr Wissen über Bio-Handwerk

„Im Verband gibt es immer weniger Fachwissen zur Fleischerei“, stellt Grießhaber-Vetter kritisch fest. Ihr Vater sei in der Hinsicht noch ein ‚Dinosaurier‘ gewesen, von den Gewürzen bis zur Warmfleischverarbeitung. „Das sollte bewahrt werden“, meint die Metzgermeisterin.

Einen eigenen Ansatz zum Thema Handwerkswissen hat die Bäckerei Wiese aus Eberswalde initiiert. Die ‚Wiese-Akademie‘ begleitet die Auszubildenden des Betriebs beim Theorielernen und vermittelt ihnen Wissen über den Tellerrand des Rahmenlehrplans der Berufsschule hinaus. „Bei der Bäcker-Ausbildung fehlt es an Inhalten“, stellt die Bäckermeisterin und studierte Kommunikationswissenschaftlerin Marlene Panten fest. In der Berufsschule gebe es in der Hinsicht nicht viel Bewegung.

Wie man mit schwankenden Mehlqualitäten umgeht und durch handwerkliches Geschick in jedem Fall eine hohe Produktqualität sicherstellt oder was es bei der Verarbeitung regionaler Bio-Rohstoffe zu beachten gibt, wird an der Akademie vermittelt. Auch Mitarbeiter, die die Berufsschule bereits durchlaufen haben, können sich darüber intern weiterbilden. 

Eine Herausforderung seien die sehr diversen Hintergründe der Azubis, aufgrund derer die Bildungsinhalte individuell angepasst würden, inklusive betriebseigenem Deutschkurs. Das Angebot zahle sich jedoch mit Blick auf den Fachkräftemangel aus: „Die eigene Ausbildung war für uns die einzige Möglichkeit, noch Azubis zu bekommen“, erklärt Panten.

Forschungsergebnisse und neues Wissen in der Branche müssten in den Augen der Bäckermeisterin gebündelt aufgearbeitet werden, um zur Anwendung in der Praxis zu kommen.

Eine Bedarfsanalyse zur Ausbildung im Lebensmittelhandwerk sei in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht worden, berichtet dazu Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bis Mai 2025. Laut dem Ergebnis brauche es mehr Grundlagenwissen über Bio und Nachhaltigkeit und mehr praktisches Wissen über Verarbeitungsmethoden, die für Bio-Produkte wichtiger sind. „Das sollten alle Azubis mitbekommen“, betont Bender – nicht nur solche, die sich bereits für die Ausbildung bei einem Bio-Betrieb entschieden haben. Die Änderungen in den Lehrplänen im föderalen System der Bundesrepublik umzusetzen, sei nun der nächste Schritt. 

Handwerkssterben: Woran liegt’s?

„Nur drei bis vier Prozent geben Vegetarismus als größtes Problem für Metzger an“, berichtet Reinhard von Stoutz aus der Geschäftsleitung des Deutschen Fleischer-Verbands, basierend auf einer Umfrage unter den Mitgliedern. Über 90 Prozent nannten dagegen das ‚Ungetüm Bürokratie‘. Hätten sie damit früher eine halbe Stunde am Tag zugebracht, so seien es heute im Schnitt vier Stunden. Dazu komme der Personalmangel und fehlende Nachwuchs als drängendes Problem. „Alles zusammen ist zermürbend“, so von Stoutz. 

Problem Wirtschaftspolitik: Wachstumsfokus bringt Konzentrationsprozesse

Anne Monika Spallek, die in der letzten Legislaturperiode für die Grünen im Bundestag saß und das Amt der Berichterstatterin für ländliche Räume und das Lebensmittelhandwerk innehatte, sieht die Probleme für Handwerk und Mittelstand tief in der wirtschaftspolitischen Struktur in Deutschland verankert. „Unsere politischen Rahmenbedingungen sind alle auf Wachstum ausgerichtet“, stellt Spallek fest. „Die maschinelle Bearbeitung von Monorohstoffen wird belohnt. Die handwerkliche Bearbeitung von Vielfalt ist teuer.“ Durch die Beschäftigung von Personal übernähmen Arbeitgeber eine soziale Verantwortung für die Gesellschaft, die nicht honoriert werde. Auch Kommunen gäben oft großen Unternehmen den Vorzug und die Möglichkeit, weiter zu wachsen, weil sie auf die Gewerbesteuer angewiesen sind.

Schwierigkeiten bringe schon die Verortung des Handwerks zwischen dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Ersteres ist eigentlich für Anfang und Ende der Wertschöpfungskette zuständig, letzteres für die Mitte. Das BMWK sei jedoch traditionell von Industriepolitik geprägt und habe gar keinen Blick für regionale Wertschöpfungsketten, meint Spallek. Handwerk und Mittelstand spielten eine untergeordnete Rolle. 

Beispielsweise galt für den Fördertopf für strukturschwache Regionen (im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘, GRW) bis vor Kurzem die sogenannte 50-Kilometer-Regel: Förderfähig waren demnach nur Unternehmen, die mindestens 50 Prozent ihrer Produkte mindestens 50 Kilometer entfernt vom Unternehmenssitz vermarkten. Diese exportorientierte Voraussetzung wurde Ende 2022 im Zuge einer Reform der GRW unter dem grünen Wirtschaftsministerium abgeschafft. 

„Was wir brauchen, ist ein schrittweiser Wechsel in der Denkstruktur, hin zu resilienten, regionalen Wertschöpfungsketten“, so Spallek. Andernfalls würden die Konzentrationsprozesse sich immer weiter fortsetzen, bis zu einem faktischen Oligopol wie im LEH, wo das Kartellrecht seine Wirkung eingebüßt habe. „Wir müssen unfassbar aufpassen, dass in der Verarbeitungsbranche nicht das Gleiche passiert.“

Eine mittelständische Wirtschaftspolitik auf Bundesebene vermisst auch Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Der Mittelstand, der eigentlich das Vertrauen der Bevölkerung genießt, blute aus. „Ein kleiner Bäcker beschäftigt mehr Gesellen als ein großindustrieller“, betont sie. Dadurch habe er einen „unendlich viel höheren“ Kostenaufwand – eine „totale Wettbewerbsverzerrung“, die nur durch höhere Endverbraucherpreise wieder ausgeglichen werden könne. 

Wider dem Bürokratiemonster

Darüber dass die bürokratischen Vorgaben bei Mittelständlern am Ziel vorbeiführen, herrscht unter Experten aus Politik und Praxis Einigkeit. „Kleine Unternehmen werden von den Verordnungen miterwischt und dann bei der Umsetzung nicht mitgedacht“, stellt Andres fest. Die gleichen Auflagen wie ein industrieller Betrieb zu erfüllen, sei für Handwerker schlicht unmöglich. „Ich bin kein Gegner von Bürokratie – sie muss nur handhabbar sein.“ Gleichzeitig sei für kleine Unternehmen die Hürde, um an Fördermittel zu kommen, extrem hoch. Es fehle an Transparenz, es brauche Wegweiser und eine Skalierung der Auflagen. 

Unternehmen müssten sich um ihr Kerngeschäft kümmern dürfen, betont der CSU-Abgeordnete Thomas Pirner. „Sie brauchen Beinfreiheit, um unternehmerisch tätig zu werden, und dürfen nicht das Gefühl haben, dass ihnen jeden Tag Bremsklötze vor die Füße gelegt werden.“ 

Ein Praxischeck, der speziell dem Bürokratieabbau im Lebensmittelhandwerk gewidmet war, wurde im vergangenen August unter der letzten Bundesregierung durchgeführt. Dafür trafen sich Behörden-Vertreter, etwa der Lebensmittelüberwachung, mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sowie zwölf Handwerksvertretern, Bäckern, Metzgern und Konditoren, um sich über die Praxistauglichkeit der bestehenden Vorgaben auszutauschen und bürokratische Hemmnisse zu identifizieren. 

Im Ergebnis wurden 26 konkrete Vorschläge für den Bürokratieabbau veröffentlicht, in den Bereichen Lebensmittelhygiene, Allergenkennzeichnung, Arbeitsschutz und Sondergenehmigungs- pflichten. Sie reichen von einer einheitlichen Definition des Handwerks und einer einheitlichen Definition der Mehrwertsteuer-Reduzierung über den Verzicht der Dokumentation von Kühltemperaturen und weniger Dokumentationspflichten in der Gewerbeabfallverordnung bis hin zum Auflösen von Widersprüchen zwischen Arbeitsschutz- und Hygienevorgaben und der Abschaffung regelmäßiger Weiterbildungspflichten von Berufskraftfahrern.

Als „unheimlich notwendig“ betrachtet BMWK-Referent Reinhard Giese das Unterfangen. Dass die erarbeiteten Vorschläge angegangen werden, steht für ihn unabhängig vom Regierungswechsel außer Frage. 

Transformativ in die Zukunft

„Wir müssen Politikern immer wieder hanebüchene Praxisbeispiele liefern, damit sich etwas ändert“, meint Pirner. Dann würden viele hellhörig. „Probieren Sie mal selbst, einen Förderantrag auszufüllen“, habe er Kollegen beispielsweise schon aufgefordert. Selbst die eigens dafür zuständige Abteilung in der Handwerkskammer sei damit manchmal überfordert. „Das muss einfacher werden!“, so Pirner. Für Änderungen in der Politik brauche es einen langen Atem.

Auch gesellschaftlich müssten Bäcker und Metzger sowie ihre handwerklich hergestellten Produkte wieder ein höheres Ansehen genießen. Zwar habe das Bewusstsein für den Wert des Handwerks in den letzten Jahren wieder zugenommen, Eltern wünschten sich für ihre Kinder aber dennoch keine Bäckerlaufbahn. Schüler müssten handwerkliches Arbeiten selbst ausprobieren dürfen, meint der CSU-Abgeordnete, zum Beispiel auf einem Gläsernen Hof, und es brauche ein besseres Marketing, damit die Bereitschaft für den Handwerksberuf wächst. 

Um speziell die Bio-Verarbeitung innerhalb der Wertschöpfungskette zu stärken, hat das BMEL im Rahmen der Bio-Strategie 2030 das ‚Praxisnetzwerk Bio-Verarbeitung‘ ins Leben gerufen. Bis Ende Februar 2025 konnten sich von kleinen Bäckereien bis zu großen Verarbeitungsbetrieben alle zertifizierten Bio-Hersteller für die Teilnahme bewerben. Bis zu 80 von ihnen werden nun durch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) ausgewählt und sollen dann von regelmäßigen Austausch-Gesprächen, Unterstützung in der Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchsförderung profitieren.

Einen ganzen Katalog an möglichen Maßnahmen für ein zukunftsfähiges Lebensmittelhandwerk hat die Grünen-Politikerin Spallek in petto. Kapital- und Maschinensteuer könnten der Wettbewerbsverzerrung entgegenwirken, Bürokratie-Servicestellen dabei helfen, Last von den Kleinen abzunehmen. Kleine Betriebe könnten zudem von einer Nahversorgungspauschale profitieren und Fördermittel allgemein einfacher zugänglich werden. „Als ersten Schritt bräuchte es eine Lebensmittelverarbeitungsstrategie“, schlägt die Politikerin vor. Was die Handwerker selbst angeht, so könne sich die Verarbeitungsbranche für eine gemeinsame Mittelstandslobby zusammentun, um ein Gegengewicht zur Industrielobby zu bilden. Größtes Fass bleibe es, an dem Bewusstsein für den Wert des Handwerks zu arbeiten.

Andere Länder sind hier laut den Experten schon weiter. „In Frankreich gibt es in jeder kleinen Ortschaft drei Handwerksbäcker. Es kann funktionieren!“, so die BÖLW-Chefin Tina Andres. Junge Menschen in Deutschland wünschten sich aktuell eine Rückkehr zum Handwerk. Und auch das verbrauchergetriebene Wachstum des Bio-Markts in den letzten Jahren zeige den Wunsch der Menschen nach guten und natürlichen Lebensmitteln. „Das macht mir Hoffnung.“

Lena Renner

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