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Nachhaltigkeit im LEH: Wer liegt vorne?

FiBL-Studie untersucht Engagement der Händler in der Praxis

Nachhaltigkeit im LEH: Wer liegt vorne? © REWE Markt GmbH

Aldi Süd bewirbt die meisten Produkte mit Umwelt-Zertifizierungen und ist Vorreiter mit Blick auf das Haltungsform-Label, Kaufland, Rewe und Penny haben sich bereits am umfassendsten mit Tierwohl-Themen auseinandergesetzt und bei Edeka und Lidl findet man viel Kaffee mit Fairhandelszertifikaten. Welche Leistungen die größten Handelsunternehmen Deutschlands in puncto Nachhaltigkeit erbringen, hat eine Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) im Auftrag des deutschen Umweltbundesamts (UBA) ausführlich unter die Lupe genommen.

Eine ähnliche Studie wurde bereits 2022 für das Bezugsjahr 2020 durchgeführt. Damals hat das FiBL ein Bewertungssystem entwickelt, um die Aktivitäten der acht umsatzstärksten Handelsunternehmen Deutschlands (Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto Markendiscount, Penny und Rewe), die zusammen einen Marktanteil von über 75 Prozent haben, im Umwelt- und Klimaschutz systematisch zu erfassen, bewerten und einzuordnen.

Für die aktuelle Studie mit Bezugsjahr 2023, die im November 2024 abgeschlossen und auf der Biofach präsentiert wurde, wurde das Instrument nun um die Themenfelder ‚soziale Verantwortung‘ und ‚Tierwohl‘ erweitert. Untersucht haben die Forscher ausschließlich das Eigenmarken-Sortiment der Händler. In jeder Kategorie erhielten die Unternehmen am Ende eine Bewertung von 1 (keine Aktivität) bis 5 (Bestwertung). 

Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Als erfreulich hoben die Autoren hervor, dass sich die Unternehmen seit dem letzten Monitoring im Umweltbereich weiterentwickelt haben. Impulse wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der Pakt gegen Lebensmittelverschwendung hätten Wirkung gezeigt. So haben beispielsweise einzelne Unternehmen angekündigt, künftig ganz auf Lebensmittel verzichten zu wollen, die per Flugzeug importiert werden. Insbesondere im Nachhaltigkeitsmanagement hätten sich die Händler verbessert, Defizite systematisch untersucht und sich messbarere und ambitioniertere Ziele gesetzt. Insgesamt zeigten sie sich in puncto Umwelt als am fortschrittlichsten, während es im Bereich Soziales und bei den Handlungsfeldern, die sich unmittelbar auf die Beschaffung der Rohstoffe und Produkte beziehen, noch die größten Defizite gab. 

Im Vergleich zwischen den Händlern schneidet Aldi Süd in einigen Kategorien (speziell im Umweltbereich) besser ab als die Konkurrenz. Andererseits haben alle Unternehmen in verschiedenen Handlungsfeldern noch Verbesserungspotenzial, stellte Christian Schader, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit am FiBL Schweiz, fest. 

Zwar sei das Thema Nachhaltigkeit heute auf Ebene der Unternehmensführung angesiedelt, eine wirksame Verzahnung mit dem operativen Bereich fehle jedoch noch oft – zum Beispiel in Form von Anreizmechanismen für die Einkäufer. „Eine konsistente Nachhaltigkeitsstrategie, die eine grundlegende Transformation vom Einkauf bis zur Konsumentenansprache umfasst, konnten wir bei keinem Unternehmen erkennen“, heißt es im Bericht. Die Kluft zwischen der Kommunikation und den tatsächlichen Handlungen sei offensichtlich.

Aldi Süd als Umwelt-Vorreiter

Als ein Ziel im Bereich Umwelt wurde ein möglichst hoher Anteil an Produkten im Sortiment betrachtet, die nach umweltrelevanten Standards zertifiziert sind. Bio wurde dabei nicht gesondert ausgewertet, Label wie EU-Bio, Demeter, Bioland und Naturland wurden aber als Label mit ‚starker Wirksamkeit‘ gewichtet. Positiv heraus sticht mit 3 Punkten Aldi Süd, der laut den Studienautoren bereits einen relevanten Anteil des Rohstoffsortiments mit Zertifikat bezieht und außerdem eine hohe Datenqualität geliefert habe. Alle anderen Handelsunternehmen schnitten mit Score 2 ab. Als schwache Produktkategorie identifizierten die Forscher Getreideprodukte, die erst wenig zertifiziert und offensichtlich nicht auf dem Schirm der Unternehmen seien. 

Mit Blick auf die Reduktion der Menge an Einwegverpackungen schnitt Aldi Süd mit 4 Punkten wiederum als Spitzenreiter ab. Der Discounter konnte laut den Autoren konkrete Angaben zu Materialeinsparungen in den letzten drei Jahren liefern. Auf Platz 2 folgen Aldi Nord, Kaufland und Penny mit 3 Punkten, während Edeka und Rewe nur 2 Punkte erzielten.

Untersucht wurde auch die Präsenz von Ware mit Umweltlabeln in Handzetteln und Wochenprospekten. Hier liegt Aldi Süd mit der Höchstwertung von 5 Punkten vorne, was bedeutet, dass über 20 Prozent der beworbenen Produkte nach ‚umweltrelevanten Standards‘ zertifiziert sind. Positiv außerdem: Bis auf Aldi Nord haben sich alle untersuchten Unternehmen im Vergleich zur Vorgängerstudie im Jahr 2020 verbessert.

Fairer Handel Fehlanzeige

Um den Bereich ‚Soziale Verantwortung‘ mit Blick auf zertifizierte Rohstoffe und Produkte zu untersuchen, haben die Forscher die Präsenz von Siegeln wie Fair Bio, Naturland, Naturland Fair, Fairtrade oder Gepa bewertet. Das Ergebnis bleibt durchweg niedrig mit Score 2. Höhere Werte wurden bei einzelnen Produktgruppen wie etwa Kaffee erzielt, wo Edeka, Lidl, Rewe und Penny 4 Punkte erreichten. Im Bereich von Obst und Gemüse schnitt die Rewe-Gruppe immerhin mit 3 Punkten ab. „Best Practice-Listungen sind noch nicht sortimentsprägend“, folgern die Studienautoren.

Was die soziale Verantwortung in den eigenen Standorten angeht – Themen wie Arbeitszeiten, Arbeitsbelastung oder Gesundheit – schnitten die Handelshäuser noch schlechter ab. Lediglich Aldi Süd, Rewe und Penny konnten 2 Punkte erzielen, im Bereich Gender und Gleichberechtigung. Zwar hätten alle Unternehmen hohe Ansprüche geäußert, allerdings ohne konkrete Ziele, bemängeln die Wissenschaftler.

Haltungsform-Label im Kommen

In der Kategorie Tierwohl hat das Forscherteam unter anderem eine systematische Auseinandersetzung mit maßgebenden Tierwohlthemen für das gesamte tierische Sortiment als Ziel gesetzt. Zu diesen Themen gehören etwa Tiergesundheit, Platz (Auslauf, Weide), Beschäftigungsmöglichkeiten, Zucht, Eingriffe am Tier und der Transport. Am besten schnitten Kaufland, Rewe und Penny mit jeweils 3 Punkten ab. Rewe und Penny haben bereits eine Hot-Spot-Analyse durchgeführt und sechs Fokustierarten identifiziert, he-ben die Studienautoren lobend hervor. Insgesamt sei das Ergebnis allerdings eher durchwachsen: Zwar hätten sich alle Händler bereits mit unterschiedlichen Tierwohlthemen beschäftigt, es fehlten jedoch noch umfassende, systematische Ansätze.

Mit Blick auf das Haltungsform-Label der Initiative Tierwohl, das zum Zeitpunkt der Untersuchung noch vierstufig war (ohne eigene Bio-Stufe), erzielten die Discounter Aldi Süd und Lidl die besten Resultate. Alle Händler haben laut der Studie bereits einen Teil ihres Sortiments mit den höheren Haltungsformen 3 oder 4 zertifiziert, der Marktanteil der Produkte aus höheren Haltungsformen sei allerdings nach wie vor gering. Aldi Süd erreichte in allen Produktbereichen die höchsten Anteile und erhielt den Score 4, gefolgt von Lidl mit Score 3. Insgesamt wurde viel höher-zertifizierte Ware bei einzelnen Produktgruppen wie Trinkmilch und Geflügelfrischfleisch identifiziert. Dagegen war der Anteil in anderen Bereichen wie sonstigen Molkereiprodukten, Eierprodukten oder Rindfleisch laut Studie noch gering.

Der LEH unternehme nach wie vor nicht genug „um seiner Rolle als Gatekeeper für eine notwendige Transformation des Ernährungssystems gerecht zu werden“, ziehen die Studienautoren als Fazit. Zur Verbesserung empfehlen sie etwa ein konsequentes ‚Management-by-Objectives‘ mit Problemanalyse, Zielsetzung und Monitoring. Um eine nachhaltigkeitswirksame Steuerung der Lieferketten zu ermöglichen, müsse außerdem die Datengrundlage verbessert werden.

Bio als integrierten Standard setzen

Was sollte der LEH tun, um Bio mehr zu fördern?, wurde im Biofach-Panel nach Vorstellung der Studie gefragt. „Die Einkäuferschicht bilden und sensibilisieren“, meinte die Edeka-Kauffrau Theresia Quint. Andernfalls würden konventionelle Strukturen über Bio gestülpt, sodass am Ende der deutsche Bio-Brokkoli liegen bleibt und die günstige spanische Variante ins Angebot kommt.

„Ein abgesichertes Fundament zu haben wäre wichtig für die Erzeuger“, betonte Wilhelm Heilmann, Geschäftsführer der Naturland Zeichen GmbH. Wechselnde Einkäufer mit wechselnden Prioritäten und Angst vor Wettbewerbsnachteilen, wenn sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen, führten jedes Jahr zu neuen Herausforderungen für die Landwirte. Sie bräuchten eine stabile Abnahmesituation und Handels- und Verarbeitungspartner, die auch einmal Risiken zusammen eingehen und eventuelle Probleme teilen. 

„Solange der Handel Bio als Trendthema statt als integrierten Standard setzt, wird es immer eine Herausforderung für Erzeuger und Verarbeiter sein, Wellenbewegungen abzupuffern“, kommentiert Bauck-Geschäftsführer Friedemann Wecker. Sein Appell an den Handel: Jährlich wechselnde Trendthemen konstant mit dem Qualitätsstandard Bio besetzen. „Dann bekommen Sie innovative und leckere Produkte!“

An der Studie ‚Wie nachhaltig sind die deutschen Supermärkte?‘ waren neben dem FiBL Schweiz und FiBL Deutschland auch die Universität Gießen und die Technische Hochschule Nürnberg beteiligt. Anhand von 23 Handlungsfeldern, 90 Indikatoren und 103 Subindikatoren wurden die Daten des LEH aus öffentlich verfügbaren Quellen sowie durch einen individualisierten Fragebogen eingeholt und bewertet.

Lena Renner

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