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Nachhaltigkeit im Supermarkt: Handel schöpft Potenzial nicht aus

Sortimentsgestaltung und Werbung mangelhaft

Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) engagiert sich mit verschiedenen Aktivitäten für den Umweltschutz – zum Beispiel mit eigenen Bio-Marken, einem vegetarischen und veganen Angebot oder Energieeffizienzsteigerungen in den Filialen. Insgesamt aber könnten die Supermärkte ihren Einfluss und Handlungsspielraum deutlich stärker nutzen, vor allem in puncto Sortimentsgestaltung und Sensibilisierung der Konsumenten. Das zeigt eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL) im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA).

In der Studie wurde das Umweltengagement der acht umsatzstärksten LEH-Unternehmen Deutschlands bewertet. Das sind Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe. Betrachtet wurden die Bereiche Lieferketten (Einkauf und Zusammenarbeit mit Lieferanten), eigene Standorte sowie Konsum (Interaktion mit Verbrauchern). Insgesamt wurden 22 Handlungsfelder, 43 Indikatoren und 112 Subindikatoren jeweils auf einer Skala von 1 (no practice) bis 5 (best practice) bewertet. Im Mittel schneiden die Unternehmen zwischen 1,6 und 3 ab.

Eher gute Bewertungen erhielten die Unternehmen vor allem bei der Berichterstattung zu Umweltzielen sowie bei Energieeffizienzsteigerungen in den Filialen und Produktionsstätten. Auch in Bezug auf Umweltkampagnen und Sensibilisierungsmaßnahmen erzielten die acht Supermärkte gute Ergebnisse.

So nutzen die Unternehmen zum Beispiel Branchenstandards und Zertifizierungen für bestimmte Rohstoffe wie Kakao, Kaffee oder Palmöl und arbeiten daran, sich wissenschaftsbasierte Klimaziele oder Ziele für entwaldungsfreie Lieferketten zu setzen. Weitere positive Beispiele sind Aktionen und Kampagnen zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung, vor allem im Bereich Obst und Gemüse; das große Angebot an Biolebensmitteln (62 Prozent des Umsatzes mit Biolebensmitteln werden im konventionellen LEH erzielt); zahlreiche Pilotprojekte zum ⁠Klima⁠- und Umweltschutz, zum Beispiel zur Darstellung der Umweltkosten in den Verkaufspreisen, sowie das steigende Angebot an pflanzlichen Alternativprodukten.

Schwachpunkte Werbung und Einkauf

Deutlich mehr Engagement ist dagegen in den Bereichen Sortimentsgestaltung und Sensibilisierung von Konsumenten gefragt. Mit Sortimentsgestaltung ist der (nachhaltige) Einkauf der Produkte und Rohwaren gemeint. Hier könnte zum Beispiel ein stärkerer Fokus auf Umweltschutz gelegt werden, indem auf besonders umweltschädliche Produkte – wie Ware, die per Flugzeug geliefert wird – verzichtet wird.

Im Bereich Werbung kritisiert die Studie, dass etwa tierische, umweltschädlichere Produkte in Wochenprospekten mit 46 Prozent deutlich stärker beworben werden als die pflanzlichen Alternativen, die mit nur zwei Prozent vertreten sind. Lebensmittel, die mit Nachhaltigkeitslabeln zertifiziert sind, machen zudem nur knapp sieben Prozent der beworbenen Esswaren aus.

Systematisches Nachhaltigkeitsmanagement und politische Maßnahmen sind nötig

Die Studie empfiehlt den Unternehmen, ihr Nachhaltigkeitsmanagement insgesamt systematischer zu gestalten: Dazu sollten durchweg überprüfbare Ziele zur ökologischen ⁠Nachhaltigkeit⁠ gesetzt werden, in bessere Daten investiert sowie das Nachhaltigkeitsmanagement stärker mit Geschäftsführung, Einkauf und Warengruppenmanagement verknüpft werden.

Dazu empfiehlt das Autorenteam einen wirksamen Politik-Mix aus steuernden Maßnahmen und finanziellen Anreizen:

  • Neuausrichtung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel nach ökologischen Kriterien
  • Internalisierung der externen Kosten
  • Mindeststandards beim Rohwareneinkauf, etwa für Palmöl und Soja
  • Einschränkungen beim Verkauf von besonders umweltschädlichen Produkten
  • Politische Rahmenbedingungen, die den Unternehmen eine transparente und vergleichbare Nachhaltigkeitsberichterstattung ermöglichen

Die zur Bewertung verwendeten Daten stammen zum Teil aus öffentlich verfügbaren Quellen, ergänzend wurden zusätzlich unternehmensinterne Informationen durch einen Fragebogen eingeholt. Die aktuelle Studie markiert den Ausgangspunkt des LEH-Monitorings, das in den nächsten Jahren fortgeführt werden soll. Es soll Trends und Entwicklungen zeigen und darstellen, inwieweit sich die Transformation des Ernährungssystems im Bereich LEH erfassen lässt, um gegebenenfalls neue politische Impulse setzen zu können.

Die vollständige Studie kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

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