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Ernährungswende

Slow Food fordert mehr Gerechtigkeit im Handel mit Lebensmitteln

Positionspapier ‚What’s the Deal?‘ veröffentlicht

Slow Food fordert mehr Gerechtigkeit im Handel mit Lebensmitteln © Slow Food

Angesichts volatiler globaler Lebensmittelpreise und zunehmender Störungen in den Lieferketten hat Slow Food ein neues Positionspapier veröffentlicht, das die Europäische Union auffordert, ihren Lebensmittelhandel grundlegend zu überdenken. Untersucht wird, wie das derzeitige globale Handelsmodell – geprägt von deregulierten Märkten, exportorientierter Landwirtschaft und Unternehmenskonzentration – den Übergang zu gerechten und widerstandsfähigen Ernährungssystemen behindert.

Als bedeutende globale Handelsmacht spiele die Europäische Union eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung dieses schädlichen Modells, schreibt Slow Food. Als wichtiger Kritikpunkt wurde in einer begleitenden Pressekonferenz etwa der Export von Pestiziden genannt, die in der EU selbst verboten sind. „96 Prozent der Landwirte in Kenia verwenden Pestizide“, berichtete John Kariuki, Koordinator von Slow Food Kenia. Die meisten kämen aus China, viele Hochtoxische aber auch aus der EU.

Unterdessen, so Slow Food, hätten die Handelsspannungen des Jahres 2025, ausgelöst durch US-Zolldrohungen, die Fragilität des globalen Ernährungssystems offengelegt – ein derart prekäres System, dass eine einzige Regierung es vollständig aus dem Gleichgewicht bringen und Millionen Menschen in Hunger und Armut stürzen könne.

„Die prekäre Lage globaler Lebensmittelpreise und Lieferketten ist eine direkte Folge eines fehlerhaften Handelssystems. Die EU muss diesen Moment nutzen, um den Übergang zu agrarökologischen, lokalisierten und sozial gerechten Ernährungssystemen zu vollziehen“, betont Marta Messa, Generalsekretärin von Slow Food.

Das Positionspapier beginnt mit einer Analyse, warum das heutige Lebensmittelsystem versagt – mit einem Blick auf seine Ursprünge in kolonialer Ausbeutung, Deregulierung und dem Aufstieg von Konzernen. Es legt die Wurzeln der aktuellen Krise offen, von der Industrialisierung der Landwirtschaft über die Liberalisierung der Lebensmittelmärkte bis hin zur Behandlung von Lebensmitteln als bloße Ware. Als Antwort skizziert Slow Food eine Alternative, die in Agrarökologie, Ernährungssouveränität und der Rückverlagerung von Ernährungssystemen verankert ist.

Zu den Vorschlägen an die EU-Handelspolitik gehört:

  • ‚Spiegelmaßnahmen‘ durchsetzen, um sicherzustellen, dass alle Importe den EU-Umwelt- und Sozialstandards entsprechen
  • öffentliche Subventionen für industrielle Massentierhaltung beenden
  • Macht neu verteilen – durch stärkere Unternehmensverantwortung und mehr Mitbestimmung in lokalen Ernährungssystemen
  • kürzere, gerechtere Lieferketten fördern, die lokale Produzenten stärken
  • Agrarökologie und faire Einkommen für Landwirte durch eine reformierte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) unterstützen

„Europa muss aufhören, die wahren Kosten seines Konsums auszulagern. Wir brauchen eine Handelspolitik, die Menschen nährt – nicht Konzerngewinne“, so Messa.

Zum vollständigen Positionspapier ‚What’s the Deal? Wie der EU-Agrar- und Lebensmittelhandel zu besseren Ernährungssystemen beitragen kann‘ auf Englisch gelangen Sie hier.

Eine Zusammenfassung auf Deutsch steht hier zur Verfügung.

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