Biodiversität
Weltnaturkonferenz in Cali: Finanzfrage ungeklärt
Einigkeit über mehr Mitsprache für Indigene

Am Samstagmorgen fand die 16. Weltnaturkonferenz (COP 16) in Cali (Kolumbien) ein abruptes Ende: Weil die Verhandlungen länger dauerten als geplant, konnte die zentrale Frage der Finanzierung nicht geklärt werden – es waren bereits zu viele Regierungsvertreter abgereist. Dennoch kann die Versammlung Erfolge vorweisen: Indigene bekommen künftig über einen eigenen ständigen Ausschuss mehr Mitspracherechte, es wurde ein Fonds beschlossen, um die Gewinne aus der Nutzung genetischer Ressourcen gerechter zu verteilen und Klima- und Naturschutz sollen enger verzahnt werden.
„Das Ziel, die Naturzerstörung bis 2030 aufzuhalten und sogar rückgängig zu machen, verbleibt nach dieser Konferenz noch in weiter Ferne“, stellt Florian Titze, Experte für internationale Politik beim WWF Deutschland, fest. War das Ende der Konferenz eigentlich für Freitagabend anberaumt, dauerten die Verhandlungen bis Samstagmorgen an, sodass am Ende nicht mehr genügend Delegierte anwesend waren, um Beschlüsse zu fassen.
Betroffen vom abrupten Abbruch waren die essentielle Frage der Finanzierung sowie ein Rahmenabkommen, das die Fortschritte der einzelnen Länder bei ihren Umweltschutzbemühungen messbar machen und überwachsen sollte.
Der Finanzstreit belastet nach Ansicht des WWF das Vertrauensverhältnis zwischen Industriestaaten und den Ländern im globalen Süden empfindlich. Bei der letzten Weltnaturkonferenz in Montréal haben die Industrienationen sich verpflichtet, Länder des globalen Südens ab 2025 jährlich mit 20 Milliarden Dollar und ab 2030 jährlich mit 30 Milliarden US-Dollar zu unterstützen. Die Mittel sollen es Entwicklungsländern ermöglichen, Schutzgebiete einzurichten, und einen wirtschaftlichen Ausgleich für den Verzicht auf die Ausbeutung von Naturschätzen schaffen. Trotz neuer Zusagen, wie etwa weiteren 50 Millionen Euro aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), fehlen zur Umsetzung kurz vor Beginn des Zieljahres allerdings noch über vier Milliarden Dollar.
Die Länder des globalen Südens fordern als neues Instrument einen Biodiversitätsfond, der ihnen mit Geldern aus dem öffentlichen und privaten Sektor dabei hilft, die in der Biodiversitätskonvention festgehaltenen Ziele in Angriff zu nehmen. Dagegen halten die Industrieländer den bestehenden Fond unter dem Dach der Globalen Umweltfazilität (GEF) für ausreichend, bei dem Entwicklungsländer nicht direkt Gelder beantragen können, da die Umsetzung Entwicklungsbanken und UN-Organisationen wie der Welternährungsorganisation (FAO) obliegt.
Die Delegationen wollen nun in den nächsten Tagen noch einmal digital zusammenkommen, um zumindest das Budget der Biodiversitätskonvention festzulegen und so die weitere Handlungsfähigkeit sicherzustellen.
Mehr Mitsprache für indigene Völker
Dem vom WWF als „Blamage“ verurteilten Ende der COP 16 standen kleine, teils als überraschend bewertete Erfolge gegenüber. Jubel gab es in Cali für die Stärkung der Beteiligung indigener Völker und lokaler Gemeinschaften (IPLCs) am Biodiversitätsschutz. Sie erhalten künftig formelle Mitspracherechte innerhalb der UN-Biodiversitätskonvention und ein eigenes ständiges Gremium, das ihre Rolle als ‚Hüter der Natur‘ stärken soll. In den Gebieten mit der höchsten biologischen Vielfalt weltweit wohnen zu etwa 50 Prozent IPLCs, zwischen 300 und 500 Millionen Menschen. Dabei ist die Biodiversität in Gebieten, die durch indigene und lokale Gemeinschaften gemanagt werden, nachweislich in einem besseren Zustand als anderswo. Durch ein Arbeitsprogramm soll das traditionelle Wissen indigener Völker zur Bewältigung der Biodiversitätskrise künftig mehr Berücksichtigung finden.
Indigene Gemeinschaften können auch vom neu vereinbarten ‚Fonds für den fairen und gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung von digitalen Sequenzinformationen‘ profitieren. Ziel ist es, die an Biodiversität reichen südlichen Länder an den Gewinnen zu beteiligen, die etwa Pharmaunternehmen auf Grundlage von Erbgutinformationen ihrer Pflanzen oder anderer Organismen erwirtschaften. Unternehmen, die von digitaler Sequenzierung (DSI) profitieren, sollen künftig ein Prozent des Gewinns oder 0,1 Prozent des Umsatzes der Produkte in den Fonds einzahlen – allerdings auf freiwilliger Basis. Mindestens die Hälfte der Fondseinnahmen gehen direkt an indigene Völker und traditionell wirtschaftende Gemeinschaften.
Fortschritte gab es außerdem bei der Verbindung von Klima- und Naturschutz, die in Zukunft besser verknüpft werden sollen: So sollen Biodiversitätsrat (IPBES) und Weltklimarat (IPCC) mehr zusammenarbeiten, die Ziele der Gipfel zu Klima und Biodiversität besser abgestimmt und Maßnahmen für den gleichzeitigen Schutz von Klima und Natur verstärkt werden.
Als „Durchbruch für den Schutz biodiversitätsreicher Meeresgebiete“ lobt der WWF die Einigung auf ein Verfahren, um biologisch wertvolle Meeresgebiete zu identifizieren, die unter Schutz gestellt werden sollten.
Die nächste Weltnaturkonferenz wird in zwei Jahren in Jerewan, der Hauptstadt Armeniens, stattfinden.