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Fairtrade Deutschland: weniger Absatz, mehr Umsatz

Verein präsentiert Jahreszahlen und verankert Agrarökologie als Richtschnur

Fairtrade Deutschland: weniger Absatz, mehr Umsatz
Fairtrade Deutschland: Detlev Grimmelt (Vorstand Marketing und Vertrieb bis Juni 2024), Claudia Brück (Vorständin für Kommunikation und Politik) und der Aufsichtsratsvorsitzende Matthias Lehnert (v.l.n.r.)

Der Umsatz mit Fairtrade-Produkten in Deutschland ist 2023 um 8,5 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro gestiegen. Erstmals lagen die Pro-Kopf-Umsätze bei über 30 Euro. Gleichzeitig gingen die Absätze allerdings zurück. Im Jahresbericht 2023/2024 sowie einer Online-Pressekonferenz hat Fairtrade Deutschland die neuen Zahlen präsentiert.

„2023 war ein herausforderndes Jahr“, bilanzierte Detlev Grimmelt, Vorstand für Marketing und Vertrieb. Die inflationsbedingt höheren Preise hätten sich auch auf die Kaufentscheidungen von Fairtrade-Kunden ausgewirkt. Bei Bananen habe es drastisch höhere Verbraucherpreise gegeben und auch beim Kaffee sei der Preisabstand zwischen konventionell und Produkten mit Fairtrade-Zertifizierung oft sehr hoch gewesen.

Insgesamt sank der Absatz von Fairtrade-Kaffee im Vorjahr um 3,6 Prozent (auf 23.000 Tonnen), der von Bananen um drei Prozent (auf 114.000 Tonnen), faire Kakaobohnen wurden um 1,4 Prozent weniger verkauft (80.300 Tonnen) und die Blumen-Verkäufe gingen um 3,9 Prozent zurück (auf 466 Millionen). Dennoch sind die Marktanteile laut Jahresbericht stabil geblieben. Bei Fairtrade-Kaffee liegt der Marktanteil in der Warengruppe Kaffee momentan bei fünf Prozent, Fairtrade-Bananen nehmen 15,5 Prozent ein, Schokolade 17 und Blumen 36 Prozent.

„Außerdem gab es noch nie so viele unterschiedliche Produkte mit Fairtrade-Siegel – ob im LEH, in der Drogerie oder der Außer-Haus-Verpflegung“, so Grimmelt. Zuletzt waren es insgesamt 8.500. Nach der Corona-Krise habe sich der Bereich AHV wieder positiv entwickelt, zum Beispiel mit Blick auf Fairtrade-Kaffee-Verkäufe in Bäckereiketten. Während die Absätze im LEH und Discount zurückgingen, konnten Drogerie und Gastronomie im Fairtrade-Bereich ein Plus verzeichnen. Auch einzelne Handelsketten wie Rewe, Netto oder Toom seien im Vorjahr mit Fairtrade gewachsen. Grimmelt blickt dementsprechend positiv in die Zukunft. Aktuell lasse sich bei den Absätzen wieder eine Trendwende beobachten. „Wir erwarten, dass sich Konsumenten in Zukunft wieder vermehrt für Produkte aus fairem Handel entscheiden.“

Einsatz für Agrarökologie, Umwelt und Menschenrechte

Welche Entwicklungen und Aktivitäten es weltweit gab, darüber gab Claudia Brück, Vorständin für Kommunikation und Politik, einen Überblick. Beim Beispiel Kaffee habe es im letzten Jahr – zu Lasten der Kaffeebauern – einen sehr volatilen Weltmarktpreis gegeben: durch schlechtes Wetter, entsprechend schlechtere Ernten, geopolitische Spannungen und Spekulationen an der Börse. Demgegenüber habe Fairtrade den Mindestpreis für Arabica-Kaffee um 29 Prozent und den für Robusta-Bohnen um 19 Prozent angehoben. Dazu kommt eine Fairtrade-Prämie von 20 Cent. Insgesamt lagen die Prämieneinnahmen durch Absätze auf dem deutschen Markt 2023 bei 42 Millionen Euro. „Die Prämie ist für die Menschen vor Ort ein wichtiges Werkzeug für Investitionen, gerade jetzt, wo sie mit Preissteigerungen und höheren Lebenshaltungskosten umgehen müssen“, so Brück.

Neben dem direkten Einsatz für faire Löhne wies die Vorständin auf das umfassende Beratungsangebot des Vereins hin: Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen, um Produzenten einen besseren Marktzugang zu erleichtern. Neu wurde die Agrarökologie offiziell als verbindliche Richtschnur (und Jahresthema 2024) für das gesamte Fairtrade-System verabschiedet. Brück hob außerdem hervor, dass 50 Prozent der Governance sich im Globalen Süden ereigne: Die Produzentenorganisationen – insgesamt 1.900 in 70 Ländern – seien bei allen Entscheidungen involviert.

Neu sei auch das vermehrte Engagement von Fairtrade Deutschland in der Projekt- und Programmarbeit. Aktuell beteilige sich der Verein an 40 Projekten weltweit, zum Beispiel dem Internationalen Fonds zur Verhinderung ausbeuterischer Kinderarbeit im Kakaoanbau.

„Insgesamt ist das freiwillige Engagement der Wirtschaft noch zu gering“, stellt Brück fest. Der Verein begrüße daher das neue europäische Lieferkettengesetz. Mit einem Fonds, der für die nächsten drei Jahre mit knapp drei Millionen Euro ausgestattet werde, sollen kleinere und mittlere Fairtrade-Unternehmen (unter 250 Mitarbeitern) dabei unterstützt werden, die erforderlichen Sorg- faltspflichten im Bereich von Menschenrechten und Umwelt (HREDD) zu erfüllen: zum Beispiel durch Stakeholder-Dialog und Risikoanalyse. Das Projekt ist eine Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) sowie dem Forum Fairer Handel und wird durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.

Kampagne Fairsprechen für mehr Fairtrade-Politik in der EU

Den Pfeiler der Zivilgesellschaft führte zuletzt Matthias Lehnert, Aufsichtsratsvorsitzender von Fairtrade Deutschland, aus. „Über 90 Prozent der Verbraucher in Deutschland kennen das Fairtrade-Siegel“, betonte er. Fairtrade sei eine breite Bewegung mit Mitgliederorganisationen aus den verschiedensten Bereichen, und 2023 gab es neue Rekordzahlen mit Blick auf zivilgesellschaftliches Engagement: 870 Fairtrade-Towns, über 900 Fairtrade-Schools sowie 45 Fairtrade-Universities in Deutschland.

Nach dem Etappensieg durch das EU-Lieferkettengesetz gelte es jetzt, die Prinzipien des fairen Handels fest in der EU-Politik zu verankern. Gemeinsam mit dem Forum Fairer Handel und dem Weltladen-Dachverband hat Fairtrade Deutschland zur Europawahl im Juni die Kampagne ‚Fairsprechen‘ durchgeführt. Damit stellen die Initiatoren fünf Forderungen für mehr Fairness im Welthandel: eine fair gestaltete EU-Handelspolitik; die Förderung von existenzsichernden Einkommen weltweit; Engagement für mehr globale Klimagerechtigkeit; die Unterstützung von gemeinwohlorientierten Geschäftsmodellen wie des Fairen Handels; und die verbindliche Verankerung von sozialen und ökologischen Mindestkriterien in der öffentlichen Beschaffung.

Lena Renner

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