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Ernährungspolitik

Kostenloses Mittagessen für Kinder und ein neues Label für bewussteres Einkaufen

Der Bürgerrat Ernährung beschließt neun Empfehlungen

Am Sonntag hat der vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat Ernährung neun Empfehlungen zur Verbesserung der Ernährungspolitik vorgestellt. Ganz oben steht die Forderung nach einem gesunden und kostenfreien Mittagessen für alle Kinder in Kitas und Schulen. Außerdem wollen die Bürger mehr Transparenz im Labeldschungel: durch ein verpflichtendes staatliches Label, das auf einen Blick Infos zu Klima, Tierwohl und Gesundheit bietet. Unter den Empfehlungen ist auch der Wegfall der Mehrwertsteuer für Bio-Obst- und -Gemüse.

Vom 29. September 2023 bis zum 14. Januar 2024 hat der erste Bürgerrat ‚Ernährung im Wandel‘ Empfehlungen an den Deutschen Bundestag herausgearbeitet. In sechs Online- und drei Präsenzsitzungen haben 160 ausgeloste Teilnehmer über mögliche Maßnahmen der Ernährungspolitik diskutiert und wurden dabei von einem wissenschaftlichen Beirat unterstützt. In einer Schlussabstimmung konnten sich neun Empfehlungen mit jeweils über 75 Prozent Zustimmung durchsetzen und wurden anschließend von den Bürgern priorisiert.

Am wichtigsten ist dem Gremium die Maßnahme, allen Kindern und Jugendlichen bundesweit ein kostenfreies, gesundes Mittagessen an Kitas und Schulen zur Verfügung zu stellen. Als Mindeststandard soll die Verpflegung an den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ausgerichtet sein, außerdem soll der Einsatz von mindestens 30 Prozent Bio-Lebensmitteln dauerhaft finanziell gefördert werden.

Um die Gemeinschaftsverpflegung geht es auch bei Maßnahme 6, die auf gesunde und ausgewogene Mahlzeiten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen abzielt. Hier sollen die DGE-Standards verpflichtend in Qualitätsmanagementsysteme eingeführt werden, außerdem soll die Ernährung an die individuellen Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen angepasst werden.

Die zweite Empfehlung zeigt den Wunsch der Bürger nach einer einfachen und einheitlichen Produkt-Kennzeichnung, auf die sie sich in puncto Nachhaltigkeit und Gesundheit verlassen können. Ein neues Label soll innerhalb von drei Sekunden zeigen, ob ein Lebensmittel in den Bereichen Klima, Tierwohl und Gesundheit (wissenschaftlich fundiert) unbedenklich ist. Die Kategorie Klima soll zunächst nur auf Treibhausgasemissionen beruhen, in den Folgejahren aber um andere Umweltaspekte wie Ressourcenschonung und Artenvielfalt ergänzt werden. Der Bürgerrat fordert die verpflichtende Einführung des Labels in Deutschland, mit dem langfristigen Ziel, es in der ganzen EU zu etablieren.

In Empfehlung Nummer 4 wird darüber hinaus ein verpflichtendes und staatlich kontrolliertes Tierwohllabel für alle Fleisch- und Wursterzeugnisse gefordert, das den gesamten Lebenszyklus von Geburt bis zur Schlachtung miteinbezieht. Zu allen Stationen soll das entsprechende Bundesland angegeben werden.

Der Umbau zu einer artgerechten Nutztierhaltung soll durch eine Verbrauchsabgabe auf tierische Produkte finanziert werden, deren Höhe sich an den Vorschlägen der Borchert-Kommission orientiert (Empfehlung 7). Landwirte sollen einen einmaligen Zuschuss für den Um- oder Neubau tiergerechter Ställe und ab Haltungsstufe 2 zudem eine laufende Unterstützung erhalten.

Maßnahme 3 zielt darauf ab, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Der Lebensmitteleinzelhandel soll (ab einer Verkaufsfläche von 400 Quadratmetern) dazu verpflichtet werden, noch genießbare Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, an Tafeln oder andere gemeinnützige Organisationen zu spenden. Beim Entsorgen genießbarer Lebensmittel soll eine Geldstrafe drohen.

In der fünften Empfehlung schlägt das Gremium vor, mit Blick auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz die Definition von Grundnahrungsmitteln zu überdenken. Pflanzliche Fleisch- und Milchersatzprodukte sowie alle Bio-Lebensmittel sollen von einer geringeren Steuer profitieren. Außerdem soll die Mehrwertsteuer für frisches und tiefgefrorenes Bio-Obst- und -Gemüse, Obst und Gemüse mit optischen Mängeln sowie Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkorngetreide, Mineral- und Tafelwasser komplett wegfallen.

Eine Zuckersteuer für Softdrinks konnte im Bürgerrat nicht die erforderliche Mehrheit erreichen. Stattdessen schlagen die Teilnehmer in Empfehlung Nummer 8 eine Altersgrenze von mindestens 16 Jahren für Energydrinks vor. Zusätzlich sollen Warnhinweise auf der Vorderseite der Produkte auf die gesundheitlichen Risiken der Inhaltsstoffe aufmerksam machen.

Bei der letzten Empfehlung geht es schließlich ums Thema Lebensmittelsicherheit. Das Gremium fordert mehr Personal für Lebensmittelkontrollen – in sämtlichen Bereichen von der Herstellung bis zu Einzelhandel und Gastronomie. Die Ergebnisse der Kontrollen sollen der Öffentlichkeit auf einfache Weise zur Verfügung gestellt werden.

Die neun Empfehlungen in Kurzform:

  1. Kostenfreies, gesundes Mittagessen an Kitas und Schulen
  2. Verpflichtendes staatliches Label für einen bewussteren Einkauf
  3. Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln im LEH
  4. Verpflichtendes staatliches Tierwohllabel
  5. Mehrwertsteuersenkung für gesunde, nachhaltige Lebensmittel
  6. Gesunde Mahlzeiten in Pflegeeinrichtungen
  7. Tierwohlabgabe
  8. Altersgrenze für Energydrinks
  9. Bessere Lebensmittelkontrolle

Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) begrüßt die Empfehlungen des Bürgerrats und unterstützt insbesondere die Forderung, das Mehrwertsteuersystem für eine nachhaltige und gesunde Ernährung grundsätzlich zu überdenken.

Lob gibt es auch von den Grünen. „Wir sind begeistert, wie ernsthaft und detailliert sich die ausgewählten Teilnehmer*innen mit dem Thema Ernährung beschäftigt haben“, kommentieren Renate Künast, Sprecherin für Ernährungs- und Agrarpolitik, sowie Leon Eckert aus dem Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement. Jetzt sei es wichtig, dass die Ergebnisse nicht nur Lesestoff bleiben, sondern in Ausschüssen und Parlament ernsthaft diskutiert werden.

Am 20. Februar soll das ausformulierte Bürgergutachten an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übergeben werden. Anschließend ist eine erste fraktionsübergreifende Diskussion der Empfehlungen mit Fachpolitikern geplant.

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