Start / News / Kommentare / Freiheit von Glyphosat: Kann der Markt es reißen?

Pestizide

Freiheit von Glyphosat: Kann der Markt es reißen?

Kommentar von IWE-Vorstandssprecher Wilfried Bommert

Freiheit von Glyphosat: Kann der Markt es reißen? © pixabay/Tama66

Es ist passiert: Im Alleingang hat die EU-Kommission dem umstrittenen Totalherbizid Glyphosat am vergangenen Donnerstag für weitere zehn Jahre ‚grünes‘ Licht gegeben. Wilfried Bommer, Vorstandssprecher des Instituts für Welternährung (IWE), verdeutlicht die verheerenden Folgen dieses Siegs der Agrarindustrie: Erderwärmung, Monokulturen und Artenschwund. Gleichzeitig erinnert er an die Macht des Marktes: Mit einem Sortiment, das frei von Glyphosat ist, könnten Händler Verbraucherwünsche erfüllen.

"Zehn Jahre Freiheit für Glyphosat. Es darf weiter auf die Äcker Europas gespritzt werden. Ein großer Tag für die Agrarindustrie. Sie hat bewiesen, dass ihre Netzwerke immer noch bestens funken, bis in die höchsten Kreise europäischer Politik. Für alle, die glaubten, dass jetzt mit dieser Allroundkeule der Chemie Schluss sein sollte, ist dies ein schwarzer Tag. Nicht nur, weil sie im Verdacht steht Krebs auszulösen, sondern weil Glyphosat keines unserer existenziellen Probleme löst, im Gegenteil!

Der Stoff heizt, als zentrale Stütze der industriellen Landwirtschaft, das Treibhaus Erde weiter auf. Glyphosat fördert den Einsatz von synthetischem Stickstoff und damit den Ausstoß von Klimagasen inklusive dem höchst aggressiven Lachgas. Es verbilligt das Mastfutter, begünstigt die Fleischfabriken und damit die Hauptquelle der Klimagase aus der Landwirtschaft. Glyphosat als Allroundkiller lässt nichts übrig von der Artenvielfalt auf den Äckern.

Im Gegenteil, es macht Monokulturen erst profitabel und forciert das Ende immer weiterer Arten. Es fördert den intensiven Ackerbau auch dort, wo der Regen mangelt, und sorgt so dafür, dass die Grundwasser- und damit die Trinkwasservorräte der Welt weiter schrumpfen. Die Monokulturen vernichten die Bodenfruchtbarkeit weltweit. Und der Hunger der Welt, er ist durch seinen Einsatz nicht verschwunden, im Gegenteil. Er spitzt sich zu durch die ökologischen Folgen, die Glyphosat für Weltklima, Artenvielfalt, Boden- und Wasservorräte hat.

Warum soll es also weitere zehn Jahre in Europa sein Unwesen treiben können? Wenn die politischen Schaltstellen in Brüssel und Berlin von der Industrie gekapert sind, bleibt immer noch der Markt. Will es der Markt? Wollen es die Kunden? Wohl kaum, die Mehrheit der Verbraucher jedenfalls lehnt Glyphosat ab. Wenn offizielle Schweizer Studien feststellen, dass ungefähr 40 Prozent der Lebensmittel tiefe, aber messbare Spuren von Glyphosat enthalten, warum sollte es bei uns anders sein?

Warum ignorieren die Aldis, die Lidls und Pennys, die Edekas und Rewes die Abneigung der Kundschaft? Weil bisher noch keiner dort die Frage ans Management gestellt hat, warum das Sortiment nicht längst frei von Glyphosat ist? Und warum geht der Bundeslandwirtschaftsminister, der in Brüssel nichts ausrichten konnte, nicht voran und sagt seiner Hauskantine, dass sie ihren Einkauf gefälligst auf Glyphosat-freie Rohstoffe umzustellen habe? Das hätte mit Sicherheit Wirkung auf den Markt und auf den Gebrauch des Stoffes, den keiner auf dem Teller haben möchte. Was in Brüssel und Berlin am Widerstand der Lobbyisten scheiterte, das Ende von Glyphosat, könnte der Markt zu Stande bringen. Freiheit von Glyphosat! Ich wette, dafür braucht er nicht einmal zehn Jahre."

[ Artikel drucken ]


Das könnte Sie auch interessieren

Glyphosat-Wiederzulassung: NGOs ziehen vor EU-Gericht

EU-Kommission lehnt Antrag auf interne Überprüfung ab

Im Januar hat ein Konsortium aus sechs Nichtregierungsorganisationen um das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Europe) einen Antrag auf interne Überprüfung bei der EU-Kommission gestellt, um die Entscheidung der Zulassungsverlängerung von Glyphosat um zehn Jahre anzufechten. Jetzt hat die Kommission den Antrag abgelehnt, weshalb PAN Europe den nächsten Schritt im Rechtsstreit gehen will: die Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).

04.07.2024mehr...
Stichwörter: Pestizide, Glyphosat, Konsumenten, Markt, Handel, EU-Kommission, Verbraucher, Artenvielfalt, Biodiversität, Monokulturen, Bodenfruchtbarkeit, Agrarindustrie, Gemeinschaftsverpflegung, Kommentar, Kantine, Lebensmitteleinzelhandel, Herbizide, Klimawandel, Treibhausgas, Hunger, Institut für Welternährung, Grundwasserschutz, Totalherbizid

Aurelia Stiftung und DUH klagen gegen Glyphosat-Wiederzulassung

BVL beendet Zulassung von Roundup PowerFlex

Anfang 2024 haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Aurelia Stiftung parallel zu einigen weiteren NGOs in Europa Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht, um gegen die Wiederzulassung des Herbizids Glyphosat für weitere zehn Jahre vorzugehen. Nach dem Konsortium um PAN Europe gehen nun auch die Beschwerdeführer aus Deutschland den nächsten Schritt und reichen Klage gegen die Kommission vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein.

18.11.2024mehr...
Stichwörter: Pestizide, Glyphosat, Konsumenten, Markt, Handel, EU-Kommission, Verbraucher, Artenvielfalt, Biodiversität, Monokulturen, Bodenfruchtbarkeit, Agrarindustrie, Gemeinschaftsverpflegung, Kommentar, Kantine, Lebensmitteleinzelhandel, Herbizide, Klimawandel, Treibhausgas, Hunger, Institut für Welternährung, Grundwasserschutz, Totalherbizid

EU-Kommission verlängert Glyphosat-Zulassung

Herber Schlag für die Bio-Branche

Nachdem der Vorschlag der EU-Kommission, Glyphosat für zehn weitere Jahre zuzulassen, heute Morgen keine Mehrheit unter den Mitgliedstaaten erlangen konnte, hat die Kommission die Verlängerung nur kurz darauf im Alleingang entschieden. Sie teilte mit, es werde neue Auflagen und Einschränkungen geben.

16.11.2023mehr...
Stichwörter: Pestizide, Glyphosat, Konsumenten, Markt, Handel, EU-Kommission, Verbraucher, Artenvielfalt, Biodiversität, Monokulturen, Bodenfruchtbarkeit, Agrarindustrie, Gemeinschaftsverpflegung, Kommentar, Kantine, Lebensmitteleinzelhandel, Herbizide, Klimawandel, Treibhausgas, Hunger, Institut für Welternährung, Grundwasserschutz, Totalherbizid

Erneut keine Mehrheit für Glyphosat

Entscheidung liegt jetzt bei EU-Kommission

16.11.2023mehr...
Stichwörter: Pestizide, Glyphosat, Konsumenten, Markt, Handel, EU-Kommission, Verbraucher, Artenvielfalt, Biodiversität, Monokulturen, Bodenfruchtbarkeit, Agrarindustrie, Gemeinschaftsverpflegung, Kommentar, Kantine, Lebensmitteleinzelhandel, Herbizide, Klimawandel, Treibhausgas, Hunger, Institut für Welternährung, Grundwasserschutz, Totalherbizid

„Herr Özdemir, Wiederzulassung von Glyphosat verhindern!“

Kommentar Biolands zur drohenden Glyphosat-Genehmigung

22.09.2023mehr...
Stichwörter: Pestizide, Glyphosat, Konsumenten, Markt, Handel, EU-Kommission, Verbraucher, Artenvielfalt, Biodiversität, Monokulturen, Bodenfruchtbarkeit, Agrarindustrie, Gemeinschaftsverpflegung, Kommentar, Kantine, Lebensmitteleinzelhandel, Herbizide, Klimawandel, Treibhausgas, Hunger, Institut für Welternährung, Grundwasserschutz, Totalherbizid

Bioland warnt vor weiteren fünf Jahren Glyphosat

Gravierende Umweltauswirkungen

14.09.2023mehr...
Stichwörter: Pestizide, Glyphosat, Konsumenten, Markt, Handel, EU-Kommission, Verbraucher, Artenvielfalt, Biodiversität, Monokulturen, Bodenfruchtbarkeit, Agrarindustrie, Gemeinschaftsverpflegung, Kommentar, Kantine, Lebensmitteleinzelhandel, Herbizide, Klimawandel, Treibhausgas, Hunger, Institut für Welternährung, Grundwasserschutz, Totalherbizid