Ernährung
Fischalternative Mikroalgen
Universität Hohenheim und IGB wollen umweltfreundlichen Fischersatz auf die Teller bringen

Omega-3-Fettsäuren, Proteine, Ballaststoffe, Vitamine und Carotinoide: Mikroalgen stehen Fisch in Sachen gesunde Ernährung in nichts nach – und haben viele Vorteile für die Umwelt. In Zeiten von überfischten Meeren können sie regional und unter kontrollierten Bedingungen gezüchtet werden. Außerdem binden sie einen Teil des klimaschädlichen Kohlendioxids. Forscher der Universität Hohenheim arbeiten zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart daran, das neue Lebensmittel verzehrtauglich zu machen.
„Bisher findet sich auf dem Markt keine wirklich befriedigende Alternative zu Fisch, die auch dessen ernährungsphysiologisch wichtigen Inhaltsstoffe liefert“, sagt Stephan Bischoff, Professor am Institut für Ernährungsmedizin und Leiter des Forschungsprojekts. Zwar gebe es bereits proteinreiche Ersatzprodukte, die vor allem aus Hülsenfrüchten wie Erbsen und Soja hergestellt würden, aber wichtige Inhaltsstoffe tierischer Lebensmittel wie etwa Omega-3-Fettsäuren fehlten darin.
Mit der Verwendung von Mikroalgen könnte sich das ändern. In Stuttgart forschen die Wissenschaftler an der speziellen Art Phaeodactylum tricornutum, die ernährungsphysiologisch ein wahrer Tausendsassa sein soll. „Die getrockneten Mikroalgen weisen neben einem Proteinanteil von fast 50 Prozent in der Trockenmasse auch nennenswerte Mengen der langkettigen Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure, kurz EPA, auf“, erklärt Lena Kopp, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ernährungsmedizin. Zudem enthielten sie wasserlösliche Ballaststoffe, die wichtig für die Darmgesundheit sind, Vitamin E und Carotinoide.
Gezüchtet werden die Mikroalgen derzeit am IGB in Stuttgart. Dort stehen große beleuchtete Photo-Bioreaktoren, in denen die Algen in einer Nährflüssigkeit wachsen. „Durch die Kulturbedingungen können die Forschenden Einfluss auf die Inhaltsstoffe nehmen“, berichtet Kopp. Stehen den Mikroalgen genügend Nährstoffe zur Verfügung, produzieren sie viel EPA. Müssen sie dagegen hungern, bilden sie mehr Ballaststoffe.
Neuartiges Lebensmittel mit Omega-3-Fettsäuren
Zwar wird Phaeodactylum tricornutum bereits in Tierfutter verwendet, doch um die Mikroalge auch in Lebensmitteln für den Menschen verwenden zu dürfen, ist noch viel Forschungsarbeit erforderlich. Nach der Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union müssen Lebensmittel, die vor 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der EU konsumiert wurden, zunächst ein Zulassungsverfahren durchlaufen.
Dafür muss unter anderem nachgewiesen werden, dass es sich um ein sicheres Lebensmittel handelt, das – auch bei langfristigem Verzehr – den menschlichen Körper nicht schädigt. Um dies beurteilen zu können, untersuchen die Forscher, welche der Inhaltsstoffe in welcher Menge vom Körper aufgenommen werden.
Um herauszufinden, ob die Mikroalgen geeignet sind, den täglichen Bedarf an Omega-3-Fettsäuren zu decken, mussten Probanden zwei Wochen lang täglich einen Algen-Smoothie trinken. Ergebnis: Nach der Einnahme der Mikroalgen fanden sich in ihrem Blut ähnlich hohe Mengen an Omega-3-Fettsäuren wie nach der Einnahme von Fischölkapseln.
Besserer Geschmack durch die Fermentation mit Speisepilzen
Ein Problem bleibt noch der Geschmack, der intensiv an alten Fisch erinnere. Verantwortlich dafür sei etwa der Inhaltsstoff Trimethylamin, der auch in länger gelagertem Fisch entsteht. Zwar lasse er sich durch kurzfristiges Erhitzen, wie etwa beim Pasteurisieren, entfernen, könne sich aber bei längerer Lagerung wieder neu bilden.
Um den Geschmack zu verbessern, wollen die Forscher auf Fermentation mit Hilfe von Pilzen setzen. „Das ist eine uralte Zubereitungsart für Lebensmittel, die in Asien weit verbreitet, aber in Europa nahezu unbekannt ist“, sagt Yanyan Zhang, Leiterin des Fachgebiets Aromachemie. Für die hierzulande gängige Fermentation von Lebensmitteln wie Joghurt oder Sauerkraut sind Bakterien verantwortlich – nicht Speisepilze. Nach ersten Ergebnissen bauten die Pilze die unerwünschten Substanzen tatsächlich ab – allerdings zu einem kleinen Teil auch die erwünschten Inhaltsstoffe. Da sei also noch weitere Forschungsarbeit nötig.
Ganz vermeiden lasse sich der Fischgeschmack wohl nicht. Wenn die Omega-3-Fettsäuren mit dem Sauerstoff in der Luft in Berührung kommen, oxidieren sie schnell und schmecken dann nach Fisch. Deswegen liege das größte Potenzial für Mikroalgen in der Herstellung von Fischalternativen. An schmackhaften Rezepten wird bereits gearbeitet. „Angefangen haben wir mit Smoothies, die allerdings sehr intensiv nach Fisch schmeckten“, berichtet Kopp. Nach Flammkuchen und Algen in Blätterteig erhielten die Teilnehmer in der letzten Verkostungsstudie Tortelloni mit verschiedenen Füllungen: veganer Lachs, Karotten oder Tofu. Eine Füllung mit Bärlauch-Pesto kam bei den Probanden am besten an.
Die Produktentwicklung wird von dem Bio-Unternehmen der Brüder Tress aus Hayingen auf der Schwäbischen Alb unterstützt, das auch an einer späteren Vermarktung der Mikroalgen-Produkte interessiert ist.