Ukraine
‚Grain Deal‘ – Nein zur Erpressung im Jahres-Abo
Kommentar zum Schwarzmeer-Getreideabkommen vom bioPress-Korrespondenten Peter Jossi

Die Zukunft der ukrainischen Getreidetransporte verlangt die solide Sicherung der ‚Solidaritätskorridore‘ – und den gezielten Ausbau alternativer europäischer Logistikwege.
Selten haben ‚Breaking News‘ so wenig Newswert: Den Ausstieg aus dem Getreideabkommen hatte Russland lange angedroht. Erwartbar war zudem der Beschuss des Hafens von Odesa (ukrainische Schreibweise) unmittelbar danach. Der erneute russische Angriff zerstörte rund 60.000 Tonnen Getreide, zitiert das Newsportal ‚The Kyiv Independent‘ Angaben des Ukrainischen Agrarministers Mykola Solskyi. Der schwerste Angriff seit langem hatte zudem mehrere Verletzte zur Folge.
Solidaritätskorridore – Solide Sicherheit garantieren
„Deal or no Deal!?“ – die Frage führt auf den Irrweg. Abkommen hin oder her: Angriffe auf ukrainische Hafenanlagen und das umliegende Stadtgebiet sind seit 2022 Alltag. Die russischen Sicherheitszusagen für die ‚Solidaritätskorridore‘ waren in der Realität nie verlässlich.
Zwar ermöglichte das Abkommen trotz allen Unsicherheiten in Zeiten des eskalierten russischen Angriffskriegs ein Mindestmaß an Normalität. Die Vorstellung, dies ohne solide Sicherheitsmaßnahmen einzig auf dem Verhandlungsweg zu erreichen, hat sich jedoch längst als politisch irreführende und in der Realität tödliche Illusion erwiesen.
© The Kyiv Independent/ State Emergency Service Ukraine, Telegram
Geiselhaft und Kriegstreiberei
„Putin nimmt die Ärmsten der Armen auf dieser Welt in Geiselhaft für seine grauenhafte Kriegstreiberei“, bringt Cem Özdemir, deutscher Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, die Situation auf den Punkt. Der zu Beginn des 2022 eskalierten russischen Angriffskriegs etablierte ‚Grain Deal‘ verfolgt als wichtiges Ziel die Ernährungssicherheit. Für den Nahen Osten und viele Länder Afrikas sind Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russlands überlebenswichtig.
Die traditionelle Schwarzmeer-Route ist nicht nur angesichts der wichtigsten Zielländer ideal. Der Schifftransport ist mit Blick auf Mengen-Leistungsfähigkeit ideal und zudem ökonomisch-ökologisch meist vergleichsweise die optimale Wahl.
Dauer-Druckmittel gegen Sanktionen
„Es muss jetzt endlich verhandelt werden!“, so die oft durch echte Sorge motivierte Forderung, meist in Verbindung mit einer Überdosis Naivität. Der ‚Grain Deal‘ zeigt auf, was ‚verhandeln mit Russland‘ derzeit heißt: Ergebnisse lassen sich dort erzielen, wo für das russische Regime konkrete Interessen bestehen. Russland ist auf die sichere Logistik für die Getreide-Auslieferung durch das Schwarze Meer angewiesen, aus eigenem Anbau ebenso wie den ausgeräumten Lagerbeständen der besetzten Süd-Ukraine.
„Es muss ein Ende haben, dass Hunger als Waffe eingesetzt wird! Russland muss zurück an den Verhandlungstisch und das Abkommen uneingeschränkt fortsetzen“, fordert Cem Özdemir mit allem Recht. Jedoch: Als Garant für den ‚Grain Deal‘ und seine Umsetzung beweisen sich in der Praxis weder die UNO noch ethisch tugendhafte europäische Politverantwortliche. Entscheidender war von Beginn weg die Einflussnahme der Türkei, die ihre geographische Lage gezielt zur Stärkung der eigenen Position nutzt. ‚Stärke zeigen‘ gegenüber den russischen Forderungen nach Sanktionslockerungen ist für die Neulancierung der Getreidelancierung ein Muss. Noch wichtiger: der Wille zu soliden Maßnahmen zur effektiven Sicherung der Solidaritätskorridore.
Europäische Logistikpartnerschaft
Die Schwarzmeer-Route ist und bleibt für die ukrainische Agrarwirtschaft und die globale Ernährungssicherheit überlebenswichtig. Mit höchster Priorität gilt es gleichzeitig, alternative Export- und Logistikpartnerschaften für ukrainisches Getreide über den Fluss- und Schienenweg und wo nicht anders möglich die Straße aufzubauen.
Leistungsstarke ukrainische Logistikunternehmen haben in Kooperationen mit ihren EU-Nachbarländern seit Jahren die entsprechenden Alternativrouten und Dienstleistungen auf- und seit Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 massiv ausgebaut. Seit rund einem Jahr ermöglicht die EU angesichts des ausgeweiteten russischen Angriffskriegs den erleichterten Import von ukrainischen Agrargütern. Dies vereinfachte den Ausbau von alternativen Logistik-Routen via Ost- und Nordsee-Häfen. Mit der Anbindung an die europäischen Seehäfen entstehen zudem Alternativen für die globalen Lieferpartnerschaften – eine weitere Entlastung der Schwarzmeer-Route und eine Chance für neue weltweite solidarische Wirtschaftskooperationen.
Westliche Werte und der EU-Osten