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Grünes Licht für Glyphosat?

Umweltschützer kritisieren neue Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gab heute bekannt, dass sie in ihrer Risikoeinschätzung zu Glyphosat „keine kritischen Problembereiche“ feststellen konnte, es gebe allerdings noch einige Datenlücken. Umweltorganisationen kritisieren, dass die EFSA bei ihrer Bewertung zahlreiche unabhängige wissenschaftliche Studien vernachlässigt habe, die Glyphosat mit schwerwiegenden Gesundheits- und Umweltproblemen in Verbindung bringen.

Die derzeitige EU-Genehmigung von Glyphosat läuft im Dezember 2023 aus. Auf Basis der endgültigen Schlussfolgerung der EFSA, die noch nicht veröffentlicht wurde, werden die europäischen Mitgliedsstaaten im Laufe des Jahres entscheiden, ob der umstrittene Herbizidwirkstoff weiter verwendet werden darf.

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL), Greenpeace, das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), die Coordination gegen Bayer-Gefahren, Slow Food Deutschland und Ekō fordern die deutsche Bundesregierung und alle EU-Mitgliedstaaten auf, gegen die Wiedergenehmigung von Glyphosat auf EU-Ebene zu stimmen.

„Die Schlussfolgerung der EFSA ist ein Schlag ins Gesicht vieler unabhängiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die seit der Bewertung durch die Krebsagentur IARC im Jahr 2015 zahlreiche Studien veröffentlicht haben, die das Gefahrenpotenzial von Glyphosat belegen“, sagt Peter Clausing, Toxikologe beim Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany). „Unabhängige Forschungsergebnisse haben einen Mechanismus für die Krebsverursachung durch Glyphosat offenbart und belegen, dass der Wirkstoff gentoxisch und neurotoxisch ist, das Darmmikrobiom schädigt und schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Bodenleben, Amphibien und die Artenvielfalt hat. Die EFSA verlässt in ihrer Beurteilung die wissenschaftliche Ebene.“

Laut der EFSA gilt eine Verfrachtung von Glyphosat über die Luft als ausgeschlossen. Dem widersprechen das Umweltinstitut München und das BEL mit einer eigenen Studie, die das Gegenteil belegt: Der Wirkstoff verbreite sich über die Luft überallhin und sei unter anderem in weit vom Einsatzort entfernten Naturschutzgebieten nachgewiesen worden.

„Offensichtlich stützt sich die EFSA einseitig auf von der Industrie finanzierte Studien, die Glyphosat Harmlosigkeit bescheinigen“, kommentiert das Umweltinstitut München. Deren Objektivität sei mehr als zweifelhaft. Im Zuge des voranschreitenden Artensterbens brauche es weniger Gift auf den Äckern. Glyphosat vernichte alle grünen Pflanzen, die mit dem Herbizid in Berührung kommen, und schädige Insekten auch direkt, werde so zu einem Treiber des Artensterbens.

„Glyphosat ist nach wie vor das weltweit am häufigsten verwendete Totalherbizid und macht circa 30 Prozent des gesamten Herbizid-Einsatzes in der EU aus“, fügt Christiane Huxdorff, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace, hinzu. Eine Verlängerung von Glyphosat stehe damit in direktem Widerspruch zum EU-Ziel einer Halbierung des Pestizideinsatzes im Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie und der Farm-to-Fork-Strategie.

Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, haben das BEL und Greenpeace zusammen mit weiteren Organisationen eine Petition gestartet, die Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dazu auffordert, im zuständigen EU-Ausschuss gegen die Wiederzulassung von Glyphosat zu stimmen. Über 60.000 Bürger haben bereits unterzeichnet.

Zudem wurde heute von der europäischen Stop-Glyphosate-Koalition die neue Homepage stopglyphosate.eu eingerichtet, die als unabhängige Plattform wissenschaftliche Informationen über Glyphosat zur Verfügung stellen will.

Sechs Gründe gegen die Wiederzulassung von Glyphosat hat das Umweltinstitut München hier zusammengestellt.

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