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Gentechnik

EU-Kommission will Gentechnik-Regeln lockern

Aufschrei in der Bio-Branche

Die EU-Kommission hat heute einen Verordnungsentwurf veröffentlicht, der die Zulassung von Pflanzen und Saatgut, die mit neuen gentechnischen Methoden (NGT) gezüchtet wurden, vereinfachen soll. Die meisten NGT-Pflanzen würden demnach als ‚gleichwertig‘ zu konventionellen Pflanzen eingestuft, müssten weder Zulassungsverfahren noch Risikoprüfung durchlaufen und nicht mehr gekennzeichnet werden. Die Bio-Branche protestiert.

„Mit diesem Entwurf verabschiedet sich die EU-Kommission vom Vorsorgeprinzip und den Grundsätzen der Wahlfreiheit und Transparenz“, kommentiert Naturland-Präsident Hubert Heigl. Der Schutz von Verbrauchern und Landwirten werde zugunsten der Interessen der Saatgut-Industrie geopfert, für die sich mit der geplanten Deregulierung ein lukratives neues Geschäftsmodell eröffne.

„Der heute vorgelegte Entwurf ebnet den Weg für eine Flut an Patenten, auch auf klassisch gezüchtete Pflanzen“, befürchtet Jan Plagge, Präsident von Bioland und IFOAM Organics Europe. Von einer Anpassung des Patentrechts, die diese Praxis verhindern könnte, sei bislang nicht die Rede. Mit einer Monopolisierung von Patenten auf genetisches Material in den Händen weniger Unternehmen rechnet die IFOAM-Vizepräsidentin Dora Drexler. Die Landwirtschaft werde so zunehmend in die Abhängigkeit weniger Saatgut-Firmen getrieben, so Heigl. Das bedeute genetische Einfalt auf den Äckern – „statt der Vielfalt, die wir brauchen, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.“

„Auch die Verwendung neuer Gentechnikverfahren bedeutet einen fundamentalen Eingriff ins Genom“, stellt Demeter-Vorstand Alexander Gerber klar. Aufgrund von unvorhersehbaren Effekten für die Umwelt gehe die Deregulierung mit erheblichen Risiken für Ökosysteme und Lebensmittelkette einher.

„Die Kommission tritt Umwelt- und Verbraucherschutz mit Füßen!“, titelt der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Sie habe sich heute „endgültig als willfähriger Erfüllungsgehilfe der Gentechnik-Lobby geoutet“, so die BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres. Die hohen Kosten, die dafür anfielen, Gentechnik-Verunreinigungen zu verhindern, würden vollständig der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft aufgebürdet. „Damit wird das Verursacherprinzip auf den Kopf gestellt.“ Die Verantwortung für Schutzmaßnahmen gegen Kontaminationen werde komplett auf die EU-Mitgliedstaaten abgeschoben, während gleichzeitig ihre Souveränität untergraben werde, da sie die Verwendung von NGT-Pflanzen auf ihrem Gebiet nicht einschränken dürfen.

„Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben immer wieder betont, dass sie Gentechnik auf dem Acker kritisch gegenüberstehen“, betont auch die hessische Umweltministerin Priska Hinz. Sie müssten daher weiterhin das Recht haben, sich für als ‚gentechnikfrei‘ gekennzeichnete Produkte zu entscheiden.

Die Hoffnungen der Bio-Branche liegen nun auf den EU-Mitgliedstaaten und dem Europaparlament, die den Kommissionsvorschlag als nächstes diskutieren und einen Kompromiss aushandeln müssen. IFOAM fordert, dass zumindest die Rückverfolgbarkeit von NGTs, eine Rechtsgrundlage zur Koexistenz sowie die Transparenz für Verbraucher beibehalten werden.

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