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Ernährungsmedizin im Krankenhaus stärken

Bündnis medizinischer Fachgesellschaften veröffentlicht Stellungnahme

„Modern und bedarfsgerecht“ soll die Krankenhausversorgung der Zukunft sein – so das Credo der Regierungskommission, die derzeit Vorschläge für eine Umstrukturierung des deutschen Klinikwesens erarbeitet. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müsse dringend auch die Ernährungskompetenz an den Kliniken gestärkt werden – das fordert ein Bündnis aus 24 medizinischen Fachgesellschaften. In einer Stellungnahme, die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) erarbeitet wurde, wenden sie sich mit konkreten Vorschlägen an das Bundesministerium für Gesundheit.

Noch immer sei es in Deutschland keine Selbstverständlichkeit, dass sich die ernährungsmedizinische Versorgung kranker Menschen tatsächlich an ihrem Ernährungszustand und am individuellen Nährstoffbedarf orientiert. Die Fachgesellschaften fordern deshalb ein verpflichtendes Ernährungsscreening sowie den Einsatz interprofessioneller Ernährungsteams.

Welche gravierenden gesundheitlichen Folgen ein schlechter Ernährungszustand haben kann, sei lange Zeit unterschätzt worden. „Heute weiß man, dass bei mangelernährten Patientinnen und Patienten der Krankheitsverlauf negativ beeinflusst und Heilungsprozesse verzögert werden. Die Prognose der Betroffenen verschlechtert sich, die Komplikationsrate und sogar das Sterberisiko steigen, ebenso die Behandlungsdauer und -kosten“, so Professor Dr. med. Matthias Pirlich, Internist und Ernährungsmediziner in Berlin sowie Präsident der DGEM. Diesen Risiken ließe sich wirksam begegnen, wenn Patienten bei der Aufnahme in die Klinik gezielt auf Anzeichen einer Mangelernährung untersucht und bei Bedarf ernährungsmedizinisch behandelt würden.

Ein Ernährungsscreening fordert die DGEM bereits seit Jahren. „Im Rahmen der Reform sollte es nun als Mindeststrukturvoraussetzung festgeschrieben werden“, sagt Pirlich. Diese Forderung beziehe sich auf die Krankenhäuser aller drei Versorgungsstufen (Levels). Ebenso fordert das Positionspapier ein Ernährungsassessment bei festgestelltem Mangelernährungsrisiko, die Erstellung individueller Therapiepläne sowie einer evidenzbasierten Ernährungstherapie. Kliniken der Versorgungsstufen II und III sollten zudem dazu verpflichtet werden, interprofessionelle Ernährungsteams unter fachärztlicher Leitung einzurichten, heißt es in der Stellungnahme weiter. Diese Präventions- und Therapiekonzepte müssten adäquat im DRG-System abgebildet und vergütet werden.

Die Fachgesellschaften stützten sich mit ihren aktuellen Forderungen auf eine Vielzahl von Studien, die belegen, dass die Genesung von Klinikpatienten durch eine individuelle Ernährungstherapie wirksam unterstützt werden kann. Diese Erkenntnis bilde auch die Grundlage für internationale Vereinbarungen, wie die bereits im Jahre 2003 verabschiedete Resolution des Europarates zur Verbesserung der Ernährungsversorgung in Krankenhäusern und die sogenannte ‚Vienna Declaration – Nutritional care is a human right‘ vom September 2022. „Die dort aufgeführten Maßnahmen sind in Deutschland bislang nur bruchstückhaft umgesetzt“, sagt Pirlich. Die Umstrukturierung des Krankenhaussystems biete nun die einmalige Chance, hier aufzuholen.

Informationen zu Mangelernährung:

  • Das Mangelernährungsscreening ist ein einfaches, validiertes Verfahren, ein Risiko für eine krankheitsbedingte Mangelernährung zu identifizieren.
  • Besonders häufig sind ältere Menschen und Menschen mit chronischen oder schweren Erkrankungen von einer Mangelernährung betroffen.
  • Von Patienten, die stationär in eine Klinik aufgenommen werden müssen, weisen rund 20 bis 30 Prozent Zeichen einer Mangelernährung auf.
  • Angesichts des demografischen Wandels wird diese Zahl in den nächsten Jahren voraussichtlich noch ansteigen.
  • Mangelernährung ist keine Frage des Körpergewichts: Zeichen einer Mangelernährung (zum Beispiel Abbau der Muskulatur, Mangel an Mikronährstoffen) können auch in den Industrienationen bei vielen übergewichtigen Menschen beobachtet werden.

Zur Stellungnahme gelangen Sie hier.

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