Gesundheit
Antibiotikaresistenzen durch belastetes Abwasser
Studie zeigt hohen Handlungsdruck

Zunehmende Antibiotikaresistenzen führen weltweit zu einer hohen Zahl an vorzeitigen Todesfällen. Ein wichtiger Grund für die Resistenzen sind die belasteten Produktionsabwässer der pharmazeutischen Industrie, die vertraglich vereinbarte Schwellenwerte massiv überschreitet. Das zeigt eine neue Pilotstudie, die von der AOK und dem IWW Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung mit Unterstützung der Umweltbundesamtes durchgeführt wurde.
„Die Ausbreitung von multiresistenten Mikroorganismen in der Umwelt hat Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Wenn sich multiresistente Keime über belastete Produktionsabwässer ausbreiten können, ist die Wirksamkeit von Antibiotika stark gefährdet“, erklärt Malgorzata Debiak, Leiterin des Fachgebiets Arzneimittel am Umweltbundesamt.
Im Jahr 2020 wurde die Pilotstudie zur ökologischen Nachhaltigkeit in der Antibiotikaversorgung unter Federführung der AOK Baden-Württemberg gestartet. Bis heute hat das IWW an zehn Standorten in Indien und Europa Messungen durchgeführt und durch Wasserproben die im Abwasser enthaltenen Antibiotika Konzentrationen ermittelt. Außerdem haben die Forscher Gewässerproben in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätten analysiert.
„An 40 Prozent der untersuchten Produktionsstätten konnten wir zum Teil massive Überschreitungen der vertraglich zugesicherten maximalen Wirkstoffkonzentrationen im Produktionsabwasser oder in der angrenzenden Umwelt feststellen“, berichtet IWW-Wasserforscher Tim aus der Beek. Die höchste Überschreitung innerhalb der Produktionsanlagen – konkret um 11.000 Prozent – sei beim Antibiotikum Ciprofloxacin festgestellt worden. Auch andere Schwellenwertüberschreitungen hätten in Größenordnungen „von mehreren tausend Prozent“ gelegen.
Die höchste Überschreitung in der Umwelt sei in einem Gewässer in Indien gefunden worden. Dort habe die Konzentration des Antibiotikums Azithromycin den ökotoxikologisch relevanten Schwellenwert um mindestens 1.600.000 Prozent überstiegen. „Dieses Ergebnis ist sehr besorgniserregend“, so aus der Beek. Und das Problem trete nicht nur in Indien auf: Die Umweltprobe mit den meisten gemessenen Antibiotikafunden stamme aus einem europäischen Bach.
„Unsere Erfahrungen zeigen einen dringenden Handlungsbedarf, der nicht länger in politischen Diskussionen ausgeklammert werden darf“, meint Joachim Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg. In einem Policy Paper haben die Studienpartner politische Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Sie fordern Änderungen im EU-Arzneimittelrecht, verbindliche Umweltkriterien für die Produktion von Arzneimitteln und einheitliche Kontrollsysteme.