Umwelt
Grundwasser zu 72 Prozent mit Pestiziden belastet
Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser veröffentlicht neues ‚Schwarzbuch Wasser‘

Grundwasserzustand dramatisch: Nach dem neuen ‚Schwarzbuch Wasser‘, das die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser heute veröffentlicht hat, finden sich bereits in rund 72 Prozent der deutschen Grundwasservorkommen Pestizidabbauprodukte. Über 76 Prozent seien mit dem Abbauprodukt Trifluoressigsäure (TFA), einer Ewigkeitschemikalie, belastet. Gleichzeitig habe die Zahl der in Deutschland zugelassenen Pestizide mit 1.047 ein neues Allzeithoch erreicht.
„Die Situation ist doppelt bedrohlich“, fasst Manfred Mödinger, Studienautor und geschäftsführender Vorstand der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e.V., zusammen. „Rund drei Viertel des deutschen Grundwassers sind bereits chemisch verseucht. Zeitgleich werden immer mehr chemische Substanzen zugelassen. Diese landen früher oder später auf den Äckern und treten mit dem Regen dann ebenfalls ihren Weg ins Grundwasser an – mit ungewissen Wirkungen.“
Das Schwarzbuch Wasser wurde von dem Bio-Verband erstmals 2017 veröffentlicht und ist nun bereits in der fünften Ausgabe erschienen. Die Reihe fasst regelmäßig aktuelle amtliche Daten zur Grund- und Leitungswasserqualität aus Bund und Ländern zusammen. Ziel ist die konzentrierte, barrierefreie Information der breiten Öffentlichkeit zum Status wasserkritischer Stoffe wie Nitrat und anderer Chemikalien aus Pharmazie, Landwirtschaft und Industrie. Die neue Ausgabe nimmt dabei besonders Pestizide und ihre Abbauprodukte in den Blick.
Die zentralen Ergebnisse im Überblick:
Laut Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sind aktuell 1.047 verschiedene Pestizide zur Anwendung auf deutschen Feldern vom Gesetzgeber zugelassen. Das entspricht einem Zuwachs von rund 4,7 Prozent im Vergleich zu 2022 bzw. 34,9 Prozent im Vergleich zu 2014 und stellt ein neues Allzeithoch dar.
Schon heute finden sich in rund 72 Prozent der untersuchten deutschen Grundwasservorkommen Pestizidabbauprodukte, im Amtsdeutsch häufig als ‚nicht-relevant‘ bezeichnete Pestizidmetabolite. Das Umweltbundesamt (UBA) hält diese Begriffssetzung allerdings für irreführend: „[Der Begriff] impliziert, dass von diesen sogenannten ,nicht relevanten Metaboliten‘ keine Gefahr ausgeht und sie nicht adressiert werden müssen. Dies ist jedoch falsch. Inzwischen ist bekannt, dass mit Einträgen nicht relevanter Metaboliten in das Grundwasser spezifische Risiken für Mensch und Umwelt einhergehen.“
Im Vergleich zum letzten Bericht der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), der die Jahre 2013 bis 2016 in den Blick nahm, ging die Präsenz von Pestizidabbauprodukten um 14 Prozentpunkte nach oben: Damals fanden sie sich in rund 58 Prozent der Grundwasservorkommen.
Bei über acht Prozent aller untersuchten Grundwasservorkommen liegen die Messwerte sogar über dem vom UBA festgesetzten Gesundheitlichen Orientierungswert (GOW) von drei Mikrogramm pro Liter. Über diesem Wert können bei langfristigem Konsum des Wassers Gesundheitsschäden nicht ausgeschlossen werden.
Über 76 Prozent der untersuchten Grundwasservorkommen sind bereits mit Trifluoressigsäure (TFA) kontaminiert. TFA ist ein Abbauprodukt diverser Chemikalien und wird vom UBA als besorgniserregend eingestuft: Der Stoff ist hoch wasserlöslich, baut sich in der Umwelt nicht ab und seine langfristigen Wirkungen auf das Ökosystem seien aktuell nicht abschätzbar. Mit den etablierten Aufbereitungstechniken bei der Leitungswasserherstellung kann TFA nicht effektiv aus dem Wasser entfernt werden.
„Es kann nicht sein, dass immer mehr Studien auf die gesundheitlichen Risiken von Pestiziden und ihren Abbauprodukten hinweisen, wir immer mehr davon im Grundwasser finden und dennoch immer mehr dieser Stoffe zugelassen werden“, betont Mödinger.
Er fordert deshalb:
- einen Zulassungsstopp bei neuen Pestiziden
- die komplette Umstellung auf Ökolandbau in Wassereinzugsgebieten
- das offene Benennen der Herausforderung, anstatt die Lage zu beschönigen
Die neue Studie Schwarzbuch sowie die vorherigen Schwarzbuch-Ausgaben stehen hier zum Download bereit.