Ernährung
Der vegane Traum
Ein Kommentar von Christian Vagedes

Wer vor einhundert Jahren meterbreite Kühlregale vorhergesagt hätte, in denen ausschließlich Produkte von Tieren verkauft werden: Kaum jemand hätte es geglaubt. Der Kaufmann folgt dabei dem Lauf der Zeit. Der Nachfrage durch das, was die Kunden wünschen. Das funktioniert so allemal besser als das Planwirtschaften im früheren Ostblock. Veränderungen in der Nachfrage sind dabei nicht nur möglich, sondern finden ständig statt.
Als ich 2010 die Vegane Gesellschaft Deutschland gründete habe ich von dem veganen großen Sortiment geträumt. Die Welt wird aus Träumen gebaut. Was nicht heißt, dass wir alle auch täglich daran arbeiten müssen, dass die schönsten Träume nicht platzen und andere nicht zum Alptraum werden.
Der vegane Traum ist nicht nur der einer besseren Gesundheit. Viele Jahre lang hat man dem Kaufmann einzureden versucht, dass Gesundheit der allererste Grund der Nachfrage nach veganen Alternativen sei. Das war schon immer eine falsche Behauptung. Ich habe noch vor dem Handel als erster überhaupt bei Marktforschungsinstituten repräsentative Umfragen in Auftrag gegeben. Der Schutz der Tiere war immer die wichtigste Motivation für Menschen, die mehr als nur einmal zu veganen Produkt- alternativen greifen. Eine gesundheitsunterstützende Wirkung wird selbstverständlich als Bonuseffekt gern mitgenommen. Auch von mir selbst.
Der vegane Traum ist notwendig, weil wir den Alptraum unserer grausamen Behandlung von Tieren selbst dann noch verdrängen, wenn uns Deutschlands wichtigste TV-Magazine den direkt und regelmäßig ungeschönt vor die Nase setzen. Doch während wir diesen Alptraum aus Leid und menschlichen Ausreden noch verdrängen, vergrößert sich der Alptraum ins beinahe Unermessliche: Der Umgang mit Tieren bedroht uns durch Pandemien, von denen Corona möglicherweise nur ein erster Warnhinweis ist.
Antibiotikaresistenzen und Zoonosen sind in Wirklichkeit schon die nächsten sehr realen Bedrohungsszenarien. Sie können den nicht-veganen Alptraum schneller zum Platzen bringen, als wir uns das heute überhaupt vorstellen können. Dabei geht es nicht darum, Angst zu fördern. Es geht vielmehr um den vernünftigen Blick nach vorn und um die Ausschau nach sicheren Auswegen. Denn der nicht-vegane Alptraum hat noch zahlreiche Nebenzimmer, in denen sich nicht weniger Tragödien abspielen: Der Amazonas brennt für Tierfutter. Und tatsächlich macht absurderweise die Vernichtung des Regenwaldes es möglich, dass wir unsere Tiere mit genmanipuliertem Soja füttern und mästen können.
Nebenbei zerstören Einträge aus Pflanzenschutzmitteln und Gülle weltweit nicht nur die Böden, sondern auch die Gewässer und es entstehen in den Meeren sogenannte Todeszonen von der Größe ganzer Nationalstaaten. Die nicht-vegane Landwirtschaft ist im Übrigen auch der größte Klimakiller. Wer über weniger Flugverkehr spricht und nicht-vegane Nahrung ausklammert, hat entweder keine Ahnung oder verbiegt die Wirklichkeit absichtlich.
Doch die Lösung verbreitert sich in denselben Regalen, die für Tiere, Menschen und Umwelt zum Problem wurden: Wir ersetzen tierisches durch pflanzliches Protein. Ich nenne das die vegane Transformation. Man kann nicht nur Menschen lecker und gesund ernähren, ohne Tiere auszubeuten, sondern auch Geld damit verdienen. Deshalb gilt als einer der veganen Pioniere in Deutschland mein großer Dank allen Kaufleuten, die dem veganen Traum zunehmend Platz in den Märkten machen. Und es ist auch schön zu sehen, wenn der vegane Traum sich auch noch mit Bio verbindet. Das macht nicht nur Hoffnung, sondern das kennzeichnet den Weg von morgen, den wir längst beschreiten.
Das Veganmagazin erscheint monatlich und kostet 3,90 Euro. Wenn Sie es als Händler auch verkaufen möchten, genügt eine E-Mail an:
vertrieb@veganmagazin.de
Christian Vagedes gründete 2010 die Vegane Gesellschaft Deutschland, 2011 die Veganfach, Europas größte internationalste vegane Messe und 2014 das Veganmagazin, das nicht nur tausende Abonnenten hat, sondern auch in immer mehr Supermärkten verkauft wird.